Immer mehr Betriebe in Deutschland stellen ihre Holsteinherde um und kreuzen mit Montbéliard- und Rotviehbullen: Die Drei-Rassen-Kreuzung. Ziel sind gesündere „Hybridkühe“. Die sogenannte Rotationszucht verbindet die Vorteile aller drei Rassen. Während Holsteinkühe bekannt sind für hohe Milchleistungen bei einer sehr guten Euterqualität und Rotvieh eine sehr gute Klauengesundheit hat, zeichnet sich die Rasse Montbéliard vor allem durch besonders leichte Kalbeverläufe und eine sehr...
Immer mehr Betriebe in Deutschland stellen ihre Holsteinherde um und kreuzen mit Montbéliard- und Rotviehbullen: Die Drei-Rassen-Kreuzung. Ziel sind gesündere „Hybridkühe“. Die sogenannte Rotationszucht verbindet die Vorteile aller drei Rassen. Während Holsteinkühe bekannt sind für hohe Milchleistungen bei einer sehr guten Euterqualität und Rotvieh eine sehr gute Klauengesundheit hat, zeichnet sich die Rasse Montbéliard vor allem durch besonders leichte Kalbeverläufe und eine sehr gute Fruchtbarkeit aus. Reinrassige Montbéliards sind aber eher unbekannt. Für uns Grund genug die Rasse in ihrem Heimatland Frankreich besser kennen zu lernen:
Zu Besuch bei der Besamungsstation EVA-Jura in Ostfrankreich fallen uns schon einige hundert Kilometer vor Ankunft auf, dass links und rechts der Straßen vermehrt Weideflächen sind. Und obwohl es bereits Mitte November ist stehen noch immer Kühe draußen, auch Laktierende. Alle Kühe auf der Weide verbindet etwas: Der weiße Kopf- ein typisches Merkmal der Montbéliards!
Es gibt 627.841 Montbéliardkühe in ganz Frankreich. 2003 waren 14% aller MLP-Kühe Montbéliards. 2019 waren es bereits 18,1%.
Gute Fruchtbarkeit und leichte Kalbeverläufe
In der Vergangenheit wurde die Rasse Montbéliard unbewusst auf eine sehr gute Fruchtbarkeit gezüchtet. Früher gab es nur Saisonabkalbungen, damit die frischmelken Kühe das energiereiche Gras im Sommer auf der Wiese fressen konnten und im Winter in der Trockenstehphase Heu ausreichte. Dadurch sind alle Kühe die nicht rechtzeitig tragend wurden ausselektiert worden.
Bis heute zeigt sich die Rasse mit einer sehr guten Fruchtbarkeit. In Frankreich liegt der Besamungsindex der Rasse bei durchschnittlich 1,8 Besamungen pro Tier. Betrachtet man das Exterieur der Kühe wird einem schnell klar, wieso die Rasse für leichte Geburtsverläufe steht. Ähnlich wie beim Braunvieh wurde hier der hohe Schwanzansatz nicht wie bei z.B. den Holsteinkühen „weggezüchtet“. So bietet der Geburtsweg viel Platz für die Kälber.
Im Durchschnitt geben die Montbéliards in Frankreich 8.845l Milch pro Kuh und Jahr bei 3,9% Fett und 3,5% Eiweiß. Die Leistung ist aber nicht direkt mit der der Holsteinkühe vergleichbar. Denn: Montbéliardkühe werden unter ganz anderen Produktionsbedingungen gemolken.
Grund dafür ist der in Ostfrankreich traditionelle Comté-Käse. Dieser wird nur dort produziert und unterliegt vielen und strengen Produktionsregeln. Dazu zählen beispielsweise, dass die Milch ausschließlich von Montbéliardkühen genutzt werden darf und diese nicht mit Silage und nur mit einer vorgegebenen Menge an Kraftfutter gefüttert werden dürfen. Daher sind alle Kühe vom Frühjahr bis in den späten Herbst Tag und Nacht auf der Wiese. Im Winter bekommen die Kühe Heu und können über Kraftfutterstationen zugefüttert werden. Montbéliard-Betriebe die nicht unter Comté-Bedingungen produzieren (nur sehr wenige), schaffen durchaus Leistungen von über 10.000l Milch pro Kuh und Jahr.
Eine alte Tradition: Der Comté-Käse
Der Comté-Käse ist in Ostfrankreich eine alte Tradition. Die Milcherzeugung wird sehr hoch angesehen. Die Kuhanzahl pro Betrieb ist bei weitem nicht so hoch wie die in Deutschland. Eine große Verarbeitungsbranche hängt an der Milchproduktion. Es gibt viele kleine Käsereien, die in der Hand von mehreren Landwirten sind.
Für die Produktion wird die Milch zweimal täglich vom Betrieb abgeholt. Die Milch darf auf maximal 12°C abgekühlt werden, damit die, für die Käseherstellungen wichtigen, Mikroben überleben. Die Landwirte erhalten für einen Liter Milch etwa 60 Cent. Für Bio-Milch gibt es derzeit rund 80 Cent pro Liter.
Um die Rasse besser kennen zu lernen besuchen wir zwei Milchkuhbetriebe. Auf dem Weg dorthin sehen wir immer wieder kleine Kuhbetriebe.
Unser erstes Ziel war der Betrieb von Sebastien Ecarnot. Er melkt rund 60 Montbéliardkühe für die Produktion von Comté-Käse und zieht die weibliche Nachzucht auf. Sie sind erst seit Kurzem nicht mehr auf der Weide. Auf dem Futtertisch erstreckt sich ein langer Berg an saftgrünen Heu. Die weißen Köpfe der Milchkühe wühlen sich durch das Heu, um an das gerade zuvor verteilte Kraftfutter zu gelangen. Die Leistung von Sebastians Herde betrug im letzten Kontrolljahr 8.900kg Milch bei 3,9% Fett und 3,3% Eiweiß. Aktuell melkt die Herde durchschnittlich 27kg pro Tag und Tier.
Züchter mit Herz und Blut
Ebenfalls ehr (für uns) ungewöhnlich ist der Stall: Nach dem Fressgang erwarten uns nicht wie erwartet Liegeboxenreihen. Alle Kühe bewegen sich frei in einer großen Strohliegefläche. Über ihren Köpfen hängt ein Einstreuroboter. Ein Blick durch die Herde zeigt schnell, dass Sebastien Ecarnot ein Züchter durch und durch ist. Top Exterieurtiere mit sehr feindrüsigen Eutern kommen uns immer wieder entgegen.
Sebastien ist begeisterter Schaubeschicker. Fast alle Kühe im Stall sind geschoren. Gerade tritt eine Mehrkalbskuh vor- Sie überzeugt mit guten Fundamenten, viel Stärke und einem feindrüsigen Euter: ein harmonisches Gesamtpaket! Sie konnte sich als Färse bereits beweisen und stand bei einer Schau im Endring ganz vorne! Nach wenigen Minuten tritt Sebastien mit dieser Kuh am Halfter vor die Kamera. Er ist sehr vertraut mit all seinen Kühen.
Milchkuhbetrieb von Marc Guyenot
Auch auf dem nächsten Betrieb fällt uns, wie auch bei Sebastian, bei der Montbéliard-Herde direkt auf: kein Mortellaro und starke Fundamente. Als wir nach der Klauenpflege fragen sagt uns Betriebsleiter Marc, dass sie außer dem Bestandsschnitt keine machen bräuchten, da die Kühe den ganzen Sommer auf der Wiese stehen und daher keine Probleme mit Mortellaro entstehen. Die stabilen Fundamente stammen aus der Vergangenheit. Kühe die „nicht gut zu Fuß“ waren, konnten nicht genug Gras im Sommer aufnehmen. Ein Selektionsmerkmal „von früher“, welches bis heute zu sehen ist. Der Betrieb Guyenot hat eine Heutrocknung installiert, um ausreichend Heu für den Winter zu haben.
In dem Stall finden wir zudem eine ganz neue Ausstattung. Auch wenn der Stall schon sehr alt ist, wie der Betriebsleiter zugibt, wurde diesen Sommer die Stalleinrichtung saniert. Zuletzt war hier, wie auch bei Sebastian, eine große Liegefläche mit Stroh an den Fressgang gegliedert. Leider kamen in den letzten Jahren im Winter vermehrt Probleme mit einem erhöhten Zellgehalt auf. „Die Kühe waren in dem System zu dreckig“, so Marc Guyenot. Bei den neuen Liegeboxen haben sie sich für eine (in Deutschland) eher ungewöhnliche Aufstallung entschieden: Die Nacken- und Bugrohre sind in der Mitte offen um den Tieren den nötigen Freiraum bei Ablegen und Aufstehen zu ermöglichen (siehe Bildergalerie).
Andere Länder, andere Milchproduktion- beeindruckend!
Insgesamt hat uns der Besuch in Ostfrankreich gezeigt, dass die Milchkuhhaltung hier einen viel höheren Stellenwert hat als wie wir ihn in Deutschland kennen. Landwirte, Verarbeiter und der Markt arbeiten Hand in Hand zusammen, um den traditionellen Comté-Käse herzustellen – ein für uns wünschenswertes Konzept.
Noch etwas hat uns sehr überzeugt: Die Montbéliardkühe! Mit den super Fundamenten, ihrer sehr milchtypischen Art, guten Euterqualität und den Vorzügen in Fruchtbarkeit und Gesundheit stehen die französischen Kühe den Holsteins nicht wirklich nach!
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