Martin Mühlinghaus klettert durchs Fressgitter und läuft langsam über den Laufgang. Auf dem Weg zu den Melkrobotern hält er immer wieder an und verteilt Streicheleinheiten nach links und rechts. Zu jeder Kuh fällt ihm eine Geschichte ein. Tiefenentspannt machen die braunweißen und tiefschwarzen Kühe ihm Platz.
Der 32-jährige liebt den Umgang mit seinen Kühen, das wird mit jeder Minute deutlicher. Worauf er jedoch keine Lust hat, sind ständig neue Stolpersteine: „Ich habe schnell gemerkt, dass ich an herkömmlichen hochleistenden Holsteins keinen Spaß habe. Deswegen habe ich mich entschieden, die Herde nach der Betriebsübernahme auf die Drei-Rassen-Rotationskreuzung umzustellen.“
Aktuell kalben die letzten reinrassigen schwarzbunten Holsteinfärsen ab. Im Jungviehstall sind bereits nur noch Kreuzungstiere zu finden. Vor allem Arbeitskollegen sind skeptisch, was die Drei-Rassen-Kreuzung angeht. Martin jedoch ist überzeugt von diesem Weg. Einmal eine andere Seite der Zucht und des Managements zu betrachten, ist für uns Grund genug, den jungen Milcherzeuger zu besuchen.
Betriebsspiegel
- 125 Milchkühe mit weiblicher Nachzucht
- 9.600 kg mit 4,10% Fett und 3,64% Eiweiß
- 95 ha Fläche: 60 ha Grünland, 31 ha Acker, 4 ha Wald
- 2 AK: Betriebsleiter und 2 Auszubildene
Die bunten Kühe
Martin ist nicht der typische Landwirt, wie er selbst zugibt. Sein Tattoo auf dem Arm ist quasi sein Markenzeichen: MMM steht für „Meister Martin Mühlinghaus“.
Die Tiere sehen bunter aus und das gefällt mir, weil ich ja auch ein bisschen bunter bin. Ich kann mich mit meinen Kühen identifizieren.
Martin Mühlinghaus
Die Drei-Rassen-Kreuzung hat Martin 2009 auf seinem Lehrbetrieb kennengelernt. Die Zuchtstrategie basiert auf einer Rotation der drei Rassen Holstein, Skandinavisches Rotvieh und Montbéliard.
Bessere Fruchtbarkeit, Futtereffizienz und mehr Lebensgewinn verspricht die Dreirassenkreuzung. Tipps für die Zucht- und Anpaarungsstrategie.
Martin störte die Anfälligkeit der Holsteinkühe vor allem für Stoffwechselerkrankungen. Deswegen war er von der Zuchtstrategie für robustere Kühe direkt angetan – anders als sein Vater, denn zu diesem Zeitpunkt stellte die Familie im sechsten Jahr in Folge die leistungsstärkste Herde im Kreis. Kühe zu züchten, die weniger Milch geben, war unvorstellbar! Auch Berater kritisierten die geringeren Laktationsleistungen einer Kreuzungsherde.
Immerhin: Ein Drittel der Herde durfte Martin nach seinem Konzept besamen. Mit Erfolg! Seit 2017 werden alle Färsen und Holsteinkühe in die Kreuzungsstrategie integriert. Die letzten reinrassigen Holsteinfärsen haben nun abgekalbt. Aktuell befinden sich 45 Vollkreuzungen in der Milchviehherde.
Heterosiseffekt bringt gesündere Kühe
Jede der drei Rassen bringt besondere Eigenschaften mit in die Zucht: Holsteinkühe sind bekannt für ihre hohen Milchleistungen, die Euterqualität und das scharfe Exterieur. Montbéliardkühe weisen eine Schwäche bei der Qualität der Euter auf, jedoch bringen sie starke Fundamente, mit einem stärkeren Rahmen, sowie eine bessere Fruchtbarkeit mit. Das Rotvieh zeichnet sich vor allem durch eine besonders gute Klauengesundheit aus. Außerdem stehen sie für leichte Kalbeverläufe, was sich positiv auf den Gesundheitszustand der kalbenden Kuh auswirken kann. Insgesamt sollen die Kreuzungstiere gesünder und dadurch langlebiger ausfallen. Hinzu kommen eine verbesserte Fruchtbarkeit und eine erhöhte Futtereffizienz.
Die Kreuzungskühe haben dieselben Erkrankungen wie Holsteinkühe. Aber sie sind weniger anfällig und wenn sie erkranken, dann nicht so schwer!
Martin Mühlinghaus
Seit zehn Jahren werden Drei-Rassen-Kreuzungen beziehungsweise deren Vorstufen auf dem Igelsbrucher Hof gehalten. In dieser Zeit hatten nur vier der Kreuzungstiere Probleme mit Milchfieber. Zudem sind die Schwergeburten anteilsmäßig gesunken.
Auch, dass die Tiere bessere Futterverwerter sind, konnte der Betriebsleiter bei seiner inzwischen reinen Kreuzungsnachzucht feststellen. Eine Ration, die früher für zwei Tage ausreichte, macht heute schon für zweieinhalb Tage satt. Durch die verbesserte Futterverwertung will Martin in Zukunft auch alternative Futtermittel in der Fütterung testen. Erstmalig hat er in diesem Jahr Sorghum angebaut, das der Trockenheit wie in den letzten Jahren besser trotzen könnte.
Sehr gute Fruchtbarkeit
Die Fruchtbarkeit der Milchkuhherde konnte Martin Mühlinghaus durch die Kreuzungen verbessern. Aktuell liegt der Besamungsindex bei den Kühen bei nur 1,5 Besamungen pro Kuh, bei den Rindern bei 1,7. Das Erstkalbealter beträgt 25,6 Monate. Das erklärt sich Martin durch die nicht optimalen Aufzuchtbedingungen im alten Kuhstall. In Zukunft will der Landwirt in einen Jungviehstall investieren, um noch bessere Bedingungen zu schaffen.
Erfolgsfaktoren
- sehr guter Kuhkomfort
- Kreuzungszucht
- Management bei der Kälberaufzucht
Neben der guten Tiergesundheit kann sich auch die Milchleistung von 9.600 kg sehen lassen. Einen wichtigen Beitrag liefern die guten Haltungsbedingungen. 2015 sind die Kühe in einen neuen Boxenlaufstall mit AMS gezogen. Der Stall ist ausgestattet mit Tiefboxen (1,2x1,9m), breiten Laufgängen (am Futtertisch 4,1m und zwischen den Liegeboxen 3,2m), viel Luft und Licht. Auch die Eutergesundheit hat sich nach einigen Startschwierigkeiten am AMS insgesamt verbessert. Hinzukommt der tägliche Weidegang von Frühjahr bis Herbst. Viel Bewegung ist wichtig für die Tiergesundheit, sagt Mühlinghaus.
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Kälberaufzucht. Und die kann sich sehen lassen!
Die Kälberaufzucht ist das A und O für eine leistungsstarke Kuh in Zukunft
Martin Mühlinghaus
Im ehemaligen Anbindestall sind heute die Kälber untergebracht. Aufmerksam beobachten sie die eintretenden Besucher. Ihr Fell glänzt. Seit einigen Jahren setzt Familie Mühlinghaus auf Sägespäne als Einstreu bei den Einzelboxen in den ersten 14 Lebenstagen. Dadurch ist die Box trocken und die Kälber sehr sauber. Nach zwei Wochen werden die Kälber in einen Automatenstall umgestallt. Auch dort entdecken wir sehr vitale Kälber. Hier gibt es zwei Gruppen mit Kälbern, jeweils zu Beginn und zum Ende der Tränkephase. In der zweiten Gruppe erhalten die Kälber zusätzlich zum Kälbermüsli die Kuhration.
Rinderaufzucht in drei Phasen
Die Kälber bleiben nach dem Absetzen zunächst in einem Abteil im alten Anbindestall. Durch die unveränderte Umgebung wird Stress rund um das Absetzen reduziert. Danach ziehen die Kälber in den Jungviehstall – das älteste Stallgebäude auf dem Betrieb. Hier gibt es dem Alter entsprechend drei Aufzuchtgruppen, die auf Stroh gehalten werden.
Schon ab einem Alter von etwa sechs Monaten werden die Jungrinder energieärmer gefüttert. Die gute Futterverwertung führt ansonsten leicht zu verfetteten Tieren. Trotz dem energiearmen Futter sind die Tiere für ihr Alter besonders gut entwickelt.
Kurz vor Erreichen der Zuchtreife ziehen die Rinder in den alten Boxenlaufstall um. Dort sind alle zu besamenden und tragenden Rinder, sowie die Trockensteher untergebracht. Wie auch im Kuhstall gibt es hier Tiefboxen. Diese erleichtern die Umstellung vom Tretmiststall in einen Boxenlaufstall. Durch die hohe Akzeptanz der Tiere gegenüber den Tiefboxen, hat Martin nach der Umstellung keine Probleme mit Spaltenliegern. Die Gruppe der tragenden Rinder und der trockenen Kühe können auf die angrenzenden Weiden.
Berater bleiben skeptisch
Mittlerweile ist Familie Mühlinghaus geschlossen zufrieden mit der Entscheidung, die Herdbuchzucht zu verlassen. Sie haben weniger Arbeit mit kranken Kühen vor allem rund um die Kalbung und deswegen wieder mehr Spaß an ihrer Arbeit. Ein weiterer Vorteil sind die höheren Erlöse der Bullenkälber.
Auch das Interesse von anderen Milcherzeugern steigt. Um der Nachfrage an abgekalbten Färsen gerecht zu werden, hat Martin angefangen, alle Färsen nur noch mit gesextem Sperma zu besamen. Die Verkaufstiere werden nach der Abkalbung vor allem nach Robotereignung selektiert. Besonders aufpassen sollte man bei der Rasse Montbéliard aufgrund der schlechten Euterqualität, so die Erfahrung von Martin Mühlinghaus. Sein Tipp: Um die jeweiligen Nachteile der einzelnen Rassen auszugleichen, nur die Besten der besten Bullen der jeweiligen Rasse einsetzen!
Martin ist sich im Klaren darüber, dass die Kreuzungszucht sich nicht für jeden Milcherzeuger eignet. Er selbst ist sehr zufrieden mit seiner Entscheidung. In Zukunft will Martin nicht mehr Kühe halten, auch aufgrund der angespannten Arbeitssituation. Sein Ziel ist es, die Haltungsbedingungen weiter zu optimieren und dadurch die Leistung der Herde zu steigern.
Der Besuch zeigt uns deutlich: Es müssen nicht immer leistungsstarke Holsteinkühe sein, um als Milchkuhhalter erfolgreich zu sein. Jeder Landwirt muss seine eigene Lösung finden, um den Spaß an der an Arbeit zu behalten!
Das hat uns besonders beeindruckt:
- den Mut und das Selbstbewusstsein, den für sich passenden Weg zu suchen,
- das glänzende Fell der Kälber und der Zustand der Tiere – trotz Altgebäuden und hoher Arbeitsbelastung!
- obwohl Kreuzungen, sehen die Kühe aus wie Milchkühe.