Gestern – Heute – Morgen
Familie Elliker hat aus eigenem Antrieb schon vor Jahren mit der Reduzierung des Antibiotikaverbrauchs in ihrer Braunviehherde begonnen und sich selbst Wissen dazu angeeignet. Heute produzieren sie ihre Milch für ein Programm, das ihnen die Antibiotikareduktion honoriert. Der Betriebsleiter sieht weiteres Potenzial, die Tiergesundheit zu verbessern und die Kosten zu senken.
Andreas Elliker öffnet die Tür zum Stallbüro. Sein Blick fällt sofort auf...
Gestern – Heute – Morgen
Familie Elliker hat aus eigenem Antrieb schon vor Jahren mit der Reduzierung des Antibiotikaverbrauchs in ihrer Braunviehherde begonnen und sich selbst Wissen dazu angeeignet. Heute produzieren sie ihre Milch für ein Programm, das ihnen die Antibiotikareduktion honoriert. Der Betriebsleiter sieht weiteres Potenzial, die Tiergesundheit zu verbessern und die Kosten zu senken.
Andreas Elliker öffnet die Tür zum Stallbüro. Sein Blick fällt sofort auf den selbst gebauten Wandschrank. Sauber aufgereiht stehen darin eine Vielzahl an homöopathischen Präparaten, die er in seiner 60-köpfigen Braunviehherde und der Nachzucht einsetzt. Denn den Einsatz von Antibiotika hat der Milchkuhhalter in den letzten Jahren deutlich zurückgefahren.
„Die Tierarztkosten waren uns zu hoch und die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen zu gefährlich. Außerdem liegt uns das Image der Milcherzeugung sehr am Herzen. Deshalb wurde es Zeit, etwas zu verändern“, begründet der junge Landwirt.
Auch die Kuh braucht Zeit, sich anzupassen.
Andreas Elliker
Trockenstellen ohne Antibiotika
Die Umstellung auf eine antibiotikafreie Milchproduktion sei ein Prozess, der sich nicht von heute auf morgen entwickle. Der Bio-Milchkuhhalter betont: „Wir müssen uns dabei mit jeder Einzelkuh und ihren Charakterzügen auseinandersetzen, bevor wir ein geeignetes pflanzliches Mittel auswählen. Und auch die Kuh braucht Zeit, sich anzupassen.“
Bereits seit 2014 produziert der Milchkuhbetrieb Milch für das sogenannte NOP-Programm, das ihm antibiotika-freie Milch mit 5 bis 30 Rappen pro Liter (ca. 5 bis 31 ct) zusätzlich honoriert. Derzeit kann er 10 % der Milch darüber absetzen. Schon 2006 wagten Vater und Sohn den mutigen Schritt und stellten einzelne Kühe mit einer Zellzahl < 100.000/ ml selektiv trocken, d. h. ohne antibiotischen Trockensteller. Sechs Jahre später – im Jahr 2012 – wurde schließlich bei allen Milchkühen darauf verzichtet.
Seitdem erfolgt das Trockenstellen in der Regel mit 220 bis 230 Trächtigkeitstagen nach folgendem Plan: Bereits fünf Tage vor dem Trockenstellen werden die Kühe ausschließlich mit ökologisch erzeugtem Heu versorgt. Außerdem erhalten sie am ersten, zweiten und vierten Tag vor dem Trockenstellen das homöopathische Mittel Salvia. „Salvia ist eine Salbeiart und reduziert die Milchmenge“, erklärt Andreas Elliker. Nach dem letzten Melken verabreicht er noch einen Trunk aus Salbei, Spitzwegerich und Schafgarbe.
Längere Zwischenkalbezeit
Diese Vorgehensweise funktioniere fast problemlos. In der Regel möchte er seine Kühe mit einer Tagesmilchleistung zwischen 15 und 22 kg trockenstellen. Ab der dritten Laktation sei die Milchmenge einzelner Kühe kurz vorm Trockenstellen allerdings noch zu hoch.
Deshalb hat der Milcherzeuger damit begonnen, die Zwischenkalbezeit teilweise zu verlängern. „Solange eine Kuh gesund und wirtschaftlich Milch gibt, ist es mir egal, ob sie alle zwölf oder alle 16 Monate ein Kalb bekommt“, erklärt Andreas Elliker. Probleme, dass Kühe am Laktationsende verfetten, hat er aufgrund der extensiven Fütterung nicht. Denn laut Richtlinien des Erzeugerverbandes Bio Suisse muss die Ration zu 70 % aus Gras bestehen und darf nur 5 % Kraftfutter enthalten.
Wenig Mastitis-Fälle
Klinische Mastitis-Fälle sind in seiner Milchkuhherde eher selten. Kommt es dennoch einmal dazu, wird zunächst ein Schalmtest sowie eine Geschmacksprobe durchgeführt, Fieber gemessen und das erkrankte Viertel so lange ausgemolken, bis das Sekret wieder milchig ist. Zudem dient ein selbst hergestellter Umschlag aus Salz, Mehl und Schnaps zur Kühlung des betroffenen Euterviertels.
„Das ist viel Arbeit, aber am Ende zahlt sie sich aus“, ist der Milcherzeuger überzeugt. Die Wahl des homöopathischen Präparats macht Elliker auch von der Vorgeschichte und der Genetik des erkrankten Tieres abhängig. Seit der schrittweisen Minimierung des Antibiotikaverbrauchs bewegt sich die Zellzahl der Braunviehherde im Durchschnitt zwischen 90.000 und 150.000/ml bei einer durchschnittlichen Milchleistung von 7.200 kg Milch/Kuh und Jahr.
Das ist viel Arbeit. Aber am Ende zahlt sie sich aus.
Andreas Elliker
Zweite und dritte Meinung
Das größte Wissen über Homöopathie und Phytotherapie hat sich der Landwirt selbst angeeignet. Helfen mal keine alternativen Heilmethoden, so trifft der Notfalltierarzt die Entscheidung. „Das kommt im Jahr ca. zwei bis drei Mal vor. Die Tierarztkosten konnten wir um mehr als 60 % senken“, freut sich Andreas Elliker.
Ungefähr alle zwei Jahre hat ein Kalb eine starke Lungenentzündung. Bei Kälberdurchfall, was ebenfalls selten ist, setzt er erfolgreich ein Pulver mit Eichenrinden ein. Hingegen hat jede 15. Kuh eine Gebärmutterentzündung. „Hier besteht in der Vorbeugung noch Handlungsbedarf, doch mit dem entsprechenden Homöopathikum können wir solche Entzündungen gezielt behandeln“, erzählt er.
Neuer Stall = neue Chance
Neben dem Tierwohl hat Familie Elliker die Wirtschaftlichkeit im Blick. „Wenn Therapieversuche scheitern, selektieren wir diese Tiere eben schärfer“, erläutert der Milcherzeuger. Zu einer unfreiwilligen Selektion im Bestand kam es allerdings im Jahr 2019, als ein Brand die Stall- und Futteranlagen vollständig zerstörte. Eine Betriebsaufgabe war für den mutigen Milcherzeuger, der 2016 den Bio-Milchkuhbetrieb von seinem Vater übernahm, aber keine Option.
Schon im August 2020 standen wieder die ersten Kühe im neuen Stall. Vom Neubau profitierte die Herdengesundheit. Im Stall sorgen große Ventilatoren und dick eingestreute Tiefboxen mit flexiblen Bügeln für mehr Tierwohl. „Im Melkstand kontrolliere ich in Ruhe zweimal am Tag den Gesundheitsstatus jeder einzelnen Kuh“, erläutert er. Gegen Hitzestress hat er dort eine Hochdruck-Sprinkleranlage installiert, im Kälberstall streut er für bessere Luft Pflanzenkohle über das Stroh.
Ausgeglichene Fütterung
Eine ausgeglichene Fütterung ist Andreas Elliker bezüglich der Tiergesundheit sehr wichtig. Abhängig von der Jahreszeit setzt er in der Ration Gras- und Maiswürfel, eigene Chicorée-Wurzeln, zugekaufte Kleie und Grünmais ein. Der 37-Jährige erklärt: „Ab Spätsommer ernte ich ca. drei Monate lang den Grünmais und füttere ihn frisch am Trog. Die Produktion ist kostengünstig und der frische Mais bringt viel Energie.“ Außerdem erhalten seine Kühe das ganze Jahr über Heu oder Öhmd (spätere Heuschnitte). Silage gibt es nicht. „Ab Anfang März beginne ich mit der Weidehaltung und sorge mit der Umtriebsweide für eine möglichst hohe Futteraufnahme“, erzählt er.
Motiviert in die Zukunft
Andreas Elliker ist überzeugt vom Antibiotikaverzicht. „Wir müssen ständig neue Ideen entwickeln. Das hat mein Vater früher schon gemacht, das mache ich heute so und werde es auch in Zukunft so machen“, erzählt er begeistert mit Blick auf seine grasenden Kühe. Er betont: „Im Leben ist der Rückspiegel kleiner als die Frontscheibe. Aus dem Rückspiegel lernen wir, aber bei der Frontscheibe geht es weiter.“
Der Schweizer Hans Braun verzichtet in seiner Herde seit 2005 auf Antibiotika, seit 2011 auf Kraftfutter. Der wichtigste Erfolgsfaktor ist für ihn die Genetik im Stall.
Der Arzneimitteleinsatz im Milchkuhstall ist auf einem Rekordtief und sinkt weiter. Ein Komplettverzicht gefährdet das Tierwohl.