Ställe mit einem Gründach sind aktuell noch selten, obwohl ihre Temperaturwirkung sehr groß sein kann. Das sagen zumindest Wissenschaftler und Hersteller. „Der Einfluss auf das Stallklima bei großer Hitze ist groß, weil die Oberflächentemperatur auf der Innenseite der Dachschalung unter dem Gründach zum Teil unter der Lufttemperatur liegt. Dadurch strahlt deutlich weniger Wärme auf die Tiere ab“, sagt Architekt Peter Stötzel vom Institut für Landtechnik und Tierhaltung der...
Ställe mit einem Gründach sind aktuell noch selten, obwohl ihre Temperaturwirkung sehr groß sein kann. Das sagen zumindest Wissenschaftler und Hersteller. „Der Einfluss auf das Stallklima bei großer Hitze ist groß, weil die Oberflächentemperatur auf der Innenseite der Dachschalung unter dem Gründach zum Teil unter der Lufttemperatur liegt. Dadurch strahlt deutlich weniger Wärme auf die Tiere ab“, sagt Architekt Peter Stötzel vom Institut für Landtechnik und Tierhaltung der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL).
Eine institutseigene Simulation habe bei einem Gebäude mit Gründach im Vergleich zu üblichen Dachaufbauten im Sommer die geringsten Hitzestress-Stunden ergeben. „Je nach Vergleichsdach beträgt die Reduzierung der Hitzestressbelastung in Stunden bei einem schweren Gründach mit hoher Pufferwirkung zwischen 10 und 20 % im Jahr“, so Stötzel weiter. Auch die „Pioniere“ unter den Milchkuhhaltern, die bereits Gründächer über ihren Kühen installiert haben, wollen darauf nicht mehr verzichten.
Was sagen die Praktiker?
- Milchkuhhalter Benjamin Bunz aus Schwendi hat im Laufhof eine Seite des Futtertisches inklusive Fressgang mit einem Gründach in Form eines Satteldaches versehen, die andere Seite dagegen mit einem gewöhnlichen, ungedämmten Pultdach. Er kann daher den Effekt des mit einer Sprossenmischung bepflanzten Dachs sehr gut vergleichen: „An den Fressplätzen mit Gründach verzeichne ich pro Tag eine deutlich höhere Futteraufnahme als auf der gegenüberliegenden Pultdach-Seite. Hier sind pro Tag schnell 700 bis 800 kg weg, die Plätze sind deutlich häufiger belegt.“ Erste Messungen hätten an der Unterseite des Daches gegenüber der Außentemperatur eine rund 4 °C niedrigere Temperatur ergeben. Trotz dieser positiven Effekte, ist der junge Landwirt nicht sicher, ob er auch eine größere Dachfläche als Gründach ausführen würde. „Ich bin skeptisch, wie lange die Abdichtung hält.“ Einmal musste er bereits die Sprossen nachsäen, auch weil Obermaterial durch den Wind ausgetragen wurde.
- Über ähnliche Erfahrungen berichtet Benedikt Renz aus Wangen. Die Familie hat über den 15 Außenliegeboxen im Laufhof ein Gründach in L-Form angelegt, das nach Süden offen ist. „Die Plätze unterm Gründach sind besonders im Sommer sehr beliebt“, sagt der Betriebsleiter. Nach mittlerweile dreieinhalb Jahren stehe in Kürze erstmals eine Mahd der hohen Gräser auf dem Dach an. „Möglicherweise ist das ausgesäte Sedum nicht dicht genug, sodass sich Gräser ansiedeln konnten.“ Von den Kühleffekten aber auch vom geringeren Lärmpegel durch das Dach ist Renz überzeugt. „Allerdings bringt es bei 40 °C Außentemperatur auch nicht mehr viel.“ Ob er einen kompletten Stall mit einem Gründach ausstatten würde, bezweifelt auch er: „Bei uns kommen hohe Schneelasten hinzu, da rechnet sich das vermutlich nicht.“ Um Kosten zu sparen, würde er heute EPDM-Folie statt Sarnafil-Bahnen als wurzelfeste Abdichtung wählen.
- Auch Dionys Janeczka aus Babensham sieht das Gründach auf der Stallerweiterung als eine sinnvolle Investition in das Tierwohl. Der Betrieb hat sich gleich für eine 15 cm dicke Substratschicht entschieden, um eine hohe Kühlwirkung zu erzielen. „Sie reicht allerdings nicht aus, denn wenn es lange trocken ist wie aktuell, kann auch vom Gründach nichts mehr verdunsten. Daher denken wir über eine zusätzliche Schlauchbelüftung nach“, sagt der junge Milcherzeuger. Allerdings muss die umzuwälzende Luft trotzdem gekühlt werden, z.B. mit einem Erdregister. Auch eine Bewässerung des Gründachs ist im Gespräch: „Der hohe Aufwand und die Kosten, zum Beispiel für ein zusätzliches Wasserauffangbecken, schrecken uns jedoch noch ab.“
Optimaler Aufbau
Der Grundaufbau eines Gründachs sieht so aus: Auf den wurzelfest abgedichteten Dachaufbau (siehe Zeichnung) und eine Drainageschicht mit Filtervlies kommt eine mindestens 8 cm, besser 15 cm hohe wasserspeichernde Substratschicht mit trockenheitstoleranten Kulturen. Sie kann in der Regel rund 50 bis 70 % des anfallenden Niederschlages zurückhalten und speichern, durch die entstehende Verdunstungskälte wird das Dach dann in heißen Phasen runtergekühlt. Und zwar ohne die Luftfeuchtigkeit im Innern negativ zu beeinflussen. Dieser Effekt sei laut Experten sofort nach der Anlage spürbar und nicht etwa erst nach dem Einwachsen des Substrates. Je nach Deckungsgrad, Pflanzenart und Substrathöhe steigt aber der Kühleffekt, weil mehr Strahlung absorbiert werden kann. Bei langanhaltender Trockenheit sinkt er wieder, weil nichts mehr verdunsten kann. Eine Bewässerung schafft in solchen Phasen etwas Abhilfe.
Die Dachschalung sollte eine möglichst hohe thermische Leitfähigkeit haben, damit der Kühleffekt auch in den Innenraum gelangt. „Übliche Holzschalungen haben sich hier bewährt“, so Peter Stötzel. Die Neigung des Daches muss mindestens 2 % betragen, optimal sind 3 bis 4 %, damit das überschüssige Regenwasser von der Dachfläche abgeleitet wird. Bei stärkerer Neigung ab ca. 8 ° sind Schubschwellen einzubauen.
Als wirksames Substrat eignet sich extensives, abgemagertes Material, wie zum Beispiel Oberboden mit Lava, Bims oder Ziegelsplitt vom Recyclinghof. Reiner Oberboden reicht nicht aus. Zur Bepflanzung nimmt man Sukkulenten oder nicht zu hohe, trockenstabile Gräser. Möglich ist auch die Ansaat einer Bienenweide, um ökologisch wertvolle Flächen zu erhalten und auch Nutzpflanzen sind bei entsprechender Aufbauhöhe denkbar. „Wer eine Photovoltaikanlage auf dem Gründach installiert, kann mit einem höheren Stromertrag rechnen, weil die Unterdachtemperatur niedriger ist“, erklärt Architekt Stötzel. Zur Langlebigkeit von Gründächern – die Hersteller geben bei intakter Dachhaut bis zu 40 Jahre an, manche sogar 50 Jahre – tragen ein bis zwei Pflegegänge im Jahr bei. Dabei macht man die Abläufe frei, entfernt Fremdbewuchs, zum Beispiel zu viel Klee oder Baumsämlinge. Höhere Vegetation muss eventuell gemäht werden.
Ist jeder Standort geeignet?
Es gibt kaum Standorte, an denen ein Gründach keinen Sinn macht, sagen die Experten. In Lagen, die ohnehin schon klimatisch günstig liegen bzw. wo es gar nicht so warm wird, zum Beispiel im Alpenvorland, ist der zusätzliche Kühleffekt eines Gründaches vermutlich gering. Grenzwertig ist die Anlage auch in Gebieten mit hohen Schneelasten, weil dann der statische Aufwand für den Bau zu hoch und zu teuer ist. Auch für die befragten Milchkuhhalter sind die hohen Kosten für ein Gründach fast der einzige Nachteil. Die Hersteller geben je nach Aufbauhöhe und Gewicht Zusatzkosten von 50 bis 70 € pro m² Dachfläche an. „Allerdings muss man eine Stromersparnis für energiebetriebene Kühltechnik, einen höheren Dämmeffekt im Winter, einen gewissen Schallschutz und eine längere Haltbarkeit der Dachhaut gegenrechnen“, sagt Karen Buschauer von der Firma Bauder aus Stuttgart. Eine spezielle Förderung für die zukunftsträchtigen Gründächer – außerhalb des AFP – gibt es bisher nicht.
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