Fruchtbarkeit

Lohnt sich eine Besamung bei Hitzestress? 

Trotz erschwerter Brunsterkennung und reduzierter Besamungserfolge sollten Milcherzeuger bei extremer Hitze nicht bewusst auf Besamungen verzichten. Warum?

Hat Hitzestress einen großen Einfluss auf die Fruchtbarkeit und den Besamungserfolg bei Milchkühen? Ja! Je nach Ausmaß hat Hitzestress starke Auswirkungen auf die Gesundheit und Leistung unserer Milchkühe. Ebenso verhält es sich auch mit dem Effekt auf die Fruchtbarkeit.  Das erleben Milcherzeuger jeden Sommer wieder aufs Neue, selbst in unseren gemäßigten Breitengraden. 

Auswirkungen von Hitzestress auf die Fruchtbarkeit

Der Einfluss von Hitzestress auf die Fruchtbarkeit ist multifaktoriell:
  • Bewegung erzeugt zusätzliche Wärme, daher sind die Brunstaktivität deutlich reduziert und brünstige Kühe schwieriger zu erkennen. Zudem wird die Brunsterkennung schwieriger, weil sich die Aktivität der Kühe bei Hitze durch vermehrtes Ablegen und Aufstehen oder Rudelbildung bei Hitze erhöhen kann. 
  • Schon eine kurze Hitzestressbelastung schädigt die Qualität der Eizellen. Dieser Effekt wirkt etwa 50 Tage nach, da die Eizellen schon in ihrer Entwicklung lange vor der Ovulation empfindlich sind. 
  • Embryonen sind vor allem in der ersten Woche nach der Befruchtung sehr wärmeempfindlich.  Das liegt daran, dass bei diesen frühen Embryonen das Genom noch nicht „angeschaltet“ ist und Heat Shock Proteine damit noch nicht verfügbar sind, um den Embryo zu schützen.
  • Ebenso ist die Steroidogenese (Synthese von Sexualhormonen) der Funktionskörper am Eierstock beeinträchtigt, das heißt es werden weniger Östrogen und Progesteron gebildet mit Effekten auf die gesamte Steuerung des Sexualzyklus der Kuh. 
  • Durch die stärkere Durchblutung der peripheren Gewebe zur Kühlung wird der Reproduktionstrakt insgesamt schlechter durchblutet und zelluläre Funktionen beeinträchtigt.
  • Auch eine veränderte (reduzierte) Futteraufnahme sorgt dafür, dass sich der Stoffwechsel ebenso verändert. 
Alle Faktoren führen dazu, dass sich sowohl der Besamungserfolg (Konzeptionsraten) als auch die Besamungsrate (Brunstnutzungsrate) deutlich verschlechtern, wodurch die 21-Tage-Pragnancy-Rate in den Sommermonaten häufig deutlich sinkt.   

Besamung trotz Hitze? Ja! Möglicherweise werden bei Hitze ein paar Kühe weniger tragend, aber der Großteil wird tragend! (Bildquelle: Stöcker-Gamigliano)

Lohnt sich eine Besamung dennoch? 

Lohnt es sich demnach überhaupt, Kühe bei extremer Hitze (über 30°C) zu besamen oder sollte man lieber einen Zyklus warten? Nein! „Ich bin grundsätzlich immer für eine Besamung. Denn wenn nichts reinkommt, kann schließlich auch nichts rauskommen“, sagt Dr. Joachim Lübbo Kleen. Außerdem: Zeigt eine Kuh deutliche Brunstanzeichen, wird sie gerade nicht unter extremen Hitzestress leiden. 
Wenn die Kuh eine deutliche Brunst zeigt, wird sie gerade nicht unter extremen Hitzestress leiden.
Dr. Joachim Lübbo Kleen 
Ein ausschlaggebendes Argument ist zudem der „Repro-Rhythmus“: Wird aufgrund von Hitze bei mehreren Kühen bewusst mit der Besamung gewartet, obwohl sie die freiwillige Wartezeit erreicht haben, kann das weitreichende Folgen haben:
  1. Wird zuerst ein Zyklus abgewartet, kann sich die Trächtigkeit aufgrund lang andauernder Hitze und negativen Besamungserfolgen schnell deutlich weiter nach hinten verschieben. Zumal die Fruchtbarkeit nach einer Hitzewelle oft ein größeres Problem ist als während der Hitze (u.a. schlechtere Qualität der Eizellen) . 
  2. Werden Besamungen während der Sommermonate aufgeschoben, fallen sehr viele Besamungen in den Herbst. Demnach kalben viele Kühe zum Sommer ab und sind dann möglicherweise als Frischmelker mit Hitzestress konfrontiert. 
  3. Eine große Abkalbewelle bzw. ungleichmäßig verteilte Kalbungen können Bereiche wie den Trockensteherstall, den Abkalbestall oder das automatische Melksystem überlasten, was sich wiederum negativ auf Tiergesundheit und Milchleistung auswirken kann. 
  4. Wenn Kühe ihre...


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