Gerade Milcherzeuger haben mit einer hohen Arbeitsbelastung zu kämpfen. Dazu kommt, dass viele Betriebe in den vergangenen Jahren einen Wachstumsschritt gewagt haben und jetzt spüren, was es heißt, als Unternehmer einen hohen Kapitaldienst bedienen zu müssen.
Mehr Kühe, mehr Schulden, vielleicht weniger Arbeitskräfte als gedacht oder ein Problem in der Familie, das Aufmerksamkeit und Zeit beansprucht – ganz leicht kann es passieren, dass einem da die Arbeit über den Kopf wächst....
Gerade Milcherzeuger haben mit einer hohen Arbeitsbelastung zu kämpfen. Dazu kommt, dass viele Betriebe in den vergangenen Jahren einen Wachstumsschritt gewagt haben und jetzt spüren, was es heißt, als Unternehmer einen hohen Kapitaldienst bedienen zu müssen.
Mehr Kühe, mehr Schulden, vielleicht weniger Arbeitskräfte als gedacht oder ein Problem in der Familie, das Aufmerksamkeit und Zeit beansprucht – ganz leicht kann es passieren, dass einem da die Arbeit über den Kopf wächst. Das passiert nicht von heute auf morgen. Doch sukzessive finden sich mehr lahme Kühe in der Herde. Die Zellzahl steigt oder es treffen mehr und mehr Mahnungen im Büro ein. Schließlich ruft der Banker an und fragt, was los ist.
Auf einem Milchkuhbetrieb ist immer viel zu tun. Um nicht auszubrennen, sollte jeder Milcherzeuger seine eigene Belastungsgrenze kennen.
Irgendwann folgt die Erkenntnis: Die Arbeitsfalle ist zugeschnappt. Wie kommt man hier jetzt wieder raus?
Interview: Der erste Schritt
Bernd Lührmann ist Unternehmensberater bei der Landwirtschaftskammer (LWK) Niedersachsen. In seinem Alltag sieht er häufig, was geschehen kann, wenn Menschen sich unbewusst in die Überlastung manövrieren.
Herr Lührmann, wie relevant ist das Thema Arbeitsüberlastung in Milchkuhbetrieben?
Lührmann: In vielen Betrieben ist das Thema sehr bedeutend, was aber auch der wirtschaftlichen Situation geschuldet ist. Gerade bei schlechten Milchpreisen versuchen die Betriebsleiter zu sparen, wo es nur geht. Das wirkt sich dann auch bei der Mitarbeiterzahl oder geringfügig Beschäftigten aus. Diese werden gekündigt, um die Arbeiten dann selbst zu erledigen.
An welchem Punkt sehen die betroffenen Betriebe ein, dass sie sich „festwühlen“?
Lührmann: Leider häufig erst dann, wenn Außenstehende darauf hinweisen; Berater, Tierarzt oder sonstige betriebsfremde Vertrauenspersonen. Hinweise von Familienmitgliedern werden häufig nicht ernst genommen. Auch Arbeitsspitzen (Erntearbeiten, Ausfall von Aushilfen etc.), betriebliche Probleme (schlechtere Tiergesundheit in der Herde) oder aufgeschobene Arbeiten (Büroarbeit, Datenerfassung für CC) lassen Betriebsleitende nachdenklich werden. Oftmals sieht es auch dementsprechend im betrieblichen Umfeld aus: Stapelbildung im Büro, herumliegendes Werkzeug, Folien werden einfach „irgendwo“ hingeworfen, Müllecken, eine Verunkrautung des Geländes… Kurz: Man sieht es dem Hof an!
Ohne die Hilfe eines vertrauten, externen Beraters klappt es meistens nicht!
Bernd Lührmann
Was ist der erste Schritt hinaus?
Lührmann: Der erste Schritt ist, sich einer anderen Person zu öffnen. Denn ich denke, ohne die Hilfe einer externen Person klappt der „Ausstieg“ kaum. Ich frage den Betriebsleiter oder die Betriebsleiterin dann als erstes, was er oder sie gerne macht: praktische, körperliche Arbeit oder eher Büroarbeit? Dann sollte kurzfristig im „ungeliebten“ Teil eine Entlastung her: Sei es durch Aushilfen für praktische Tätigkeiten (gibt‘s auch für‘s Büro!) oder die nächsten Schnitt- oder Pflegemaßnahmen durch den Lohnunternehmer erledigen zu lassen. Dabei unbedingt auch den Partner bzw. die Partnerin einbeziehen – vielleicht schafft eine Haushaltshilfe Entlastung, welche die Familiensituation entspannt oder dem Partner ermöglicht, weitere Aufgaben in Betrieb oder Büro zu übernehmen. Anschließend gilt es, gemeinsam einen Plan zu entwickeln, wie mittel- und langfristig die Arbeitsorganisation verbessert werden kann.
Tipp: Milcherzeuger, die bei der landwirtschaftlichen Alterskasse versichert sind, können präventiv und kostenlos ein telefonisches Einzelfall-Coaching und weitere „frühe Hilfen“ über die Landwirtschaftliche Sozialversicherung (SVLFG) nutzen - damit es nicht zu einem behandlungsbedürftigen Burn-Out kommt!
Mehr Informationen zu den vorbeugenden Angeboten der SVLFG gibt es unter 0561 785-10512.
Wie lässt sich verhindern, dass man nach kurzer Zeit zurück in alte Muster fällt?
Erstens: Ein ehrliches Eingeständnis, was man schafft und was man nicht schafft (oder schaffen will). Zweitens sortieren: Was kann man langfristig selber machen, was gibt man besser ab? Und drittens: sich selbst strukturieren. Das bedeutet, zu klären, was wann getan werden muss.
Wie kann das mittel- und langfristig gelingen?
Lührmann: Kurz gesagt: Im Tagesgeschäft die Dinge richtig tun, langfristig die richtigen Dinge tun. Tages- und Wochenarbeitspläne erleichtern und beschleunigen die Arbeitseinteilung (auch von Mitarbeitern). Zudem geben sie allen Beteiligten eine verlässliche ggf. wiederkehrende Struktur, so dass seltenerer Arbeiten durch die Mitarbeiter vergessen werden. Wichtig ist langfristig aber sicherlich auch, an der Selbstreflexion zu arbeiten. Ziel muss sein, sich ständig zu fragen: Was geht einfacher? Wie lassen sich Arbeiten schneller erledigen, ohne dass die Qualität leidet, sondern vielleicht sogar zunimmt? Auch Technisierung kann eine Möglichkeit sein, z.B. Roboter zum Spaltenab- oder Futteranschieben, Sensorsysteme zur besseren Bestandskontrolle oder bauliche Veränderungen für höhere Arbeitseffizienz.
Und was passiert, wenn die finanzielle Situation so angespannt ist, dass sich kurzfristig kein Freiraum „einkaufen“ lässt? Lohnunternehmer sind teuer…
Lührmann: Auf den allermeisten Betrieben ist es möglich, kurzfristig an Liquidität zu gelangen, z.B. indem man Überbelegung abbaut: Zehn Schlachtkühe raus, Zehn nachrückende Färsen verkaufen; das ergibt 20.000 Euro zusätzliches Geld, ohne dass die Milchleistung sinkt. Öffnet man sich und erarbeitet mit einem vertrauten Berater einen Plan, der kurz- und mittelfristig die nächsten Schritte aufzeigt, lassen zudem viele Banken mit sich reden und ermöglichen Überbrückungskredite oder einen höheren Dispo. Kurzfristig steigen zwar dadurch die Verbindlichkeiten an, langfristig sichert aber z.B. eine ordentliche Futterbergung die Tiergesundheit.
Nur Mut – wenn Sie sich trauen, den ersten Schritt zu machen, regeln sich auch viele andere Probleme von allein.
Bernd Lührmann
Spielt die Betriebsgröße bei der Wahl der Maßnahmen eine Rolle?
Lührmann: In Familienbetrieben können Betriebsleitende sehr viel durch die Umstellung der eigenen Arbeit ändern. In Betrieben mit Mitarbeitern geht es neben deren Anzahl häufig auch um ineffektive Mitarbeiter und Motivation – was schwieriger zu beheben ist, denn auch Chef oder Chefin haben zu diesem Problem beigetragen! Ich zitiere da Gerry Weber: “Jedes Unternehmen hat die Mitarbeiter, die es verdient.“ Insofern halten die Mitarbeiter im übertragenen Sinne dem Betriebsleiter den Spiegel vor – eine gute Chance, sich und seine Arbeitsweise kritisch zu hinterfragen.
Davon ist Joachim Walther, Betriebsleiter auf Gut Hohen Luckow, überzeugt. Wie es gelingt, Mitarbeiter zu halten, und was Milchbauern vom Handwerk lernen können.
„Erste-Hilfe“-Maßnahmen bei Arbeitsüberlastung
So individuell, wie die Gründe für Arbeitsüberlastung sind, so persönlich müssen die Lösungen „gestrickt“ werden, um aus der Situation wieder herauszukommen. Maßnahmen, die helfen können:
- nach Aushilfen suchen (auch fürs Büro)
- Produktionsumfang kritisch hinterfragen (Überbelegung abbauen, ineffiziente Ställe stilllegen)
- Mitarbeiter zu mehr Ordnung anhalten und selbst vorleben, Mülleimer aufstellen, Tafel für betriebliche Informationen aufhängen
- Betriebshilfsdienste ansprechen, ob kurzfristig ein Betriebshelfer verfügbar ist
- Einzelne Arbeitsschritte kurzfristig auslagern an Lohnunternehmen oder Berufskollegen (Gras mähen, Gülle fahren, pflügen, Pflanzenschutzmaßnahmen oder Düngung)
- Färsenaufzucht aufgeben (alternative Stallnutzung und ggf. Grünlandnutzung; bei hohem Umfang!)
Fazit: Wenn Sie merken, Ihnen wächst alles über den Kopf – sprechen Sie eine Vertrauensperson in Ihrem privaten (Freunde, Verwandte etc.) oder betrieblichen Umfeld an, dem oder der Sie vertrauen (Betriebsberater/in, Tierarzt/Tierärztin, Produktionsberater, …) offen an. Sie können davon ausgehen, dass er/sie ihr arbeitswirtschaftliches Problem längst erkannt hat. Lassen Sie sich helfen und schmieden Sie gemeinsam einen Notfallplan. Regeln Sie als erstes den einen, dringendsten Punkt – dann wird Raum entstehen, um nach und nach über eine bessere Betriebsorganisation auch alles Weitere zu meistern!
Diagnose Burnout: Wie die Ausfallzeiten organisieren?
Im extremsten Fall ist die Überlastung nicht mehr nur durch eine bloße Umorganisation im Betrieb zu lösen, sondern bedarf einer Therapie (Burn-Out). Nach der Diagnose folgt die Krankschreibung durch einen Arzt. Bei Arbeitsunfähigkeit oder stationärer Behandlung kann in der Regel eine Betriebs- und Haushaltshilfe den Betrieb unterstützen (
mehr Informationen und alle nötigen Anträge hier).
Wachsende Milchkuhbetriebe brauchen Unterstützung. Dabei muss es nicht immer ein ausgebildeter Landwirt sein! Eine einfache Anleitung von der Planung bis zum Arbeitsvertrag.