Mit einer Wärmepumpe kühlt Cord Lilie seine Milch und heizt gleichzeitig mehrere Wohnhäuser. Das spart Heizöl, ist klimafreundlich und erhöht die Akzeptanz.
„Hier ist die alte Siloplatte.“ Cord Lilie zeigt ein Luftbild von seinem Milchkuhbetrieb auf dem Computer und fährt mit der Maus über das Betriebsgelände. „Hier liegt Mist“, sagt er. Die Maus fährt ein kleines Stückchen weiter, bleibt auf einem angrenzenden Wohnhaus stehen. „Und hier wohnt der Nachbar.“ Keine 50 Meter entfernt von Stallgerüchen, dem Bölken frisch abgesetzter Kälber, Maschinenlärm und ordentlich Staub, wenn die Strohmühle läuft. Noch gab es keine Probleme,...
Jetzt bestellen und weiterlesen!
Elite - Das Fachmagazin für erfolgreiche Milchproduktion
Elite Print + Digital
Jahresabo
112,20 EUR
/
Jahr
6 Print-Ausgaben im Jahr versandkostenfrei
Alle Print-Ausgaben auch digital für Ihr Tablet oder Smartphone
Zugang zu sämtlichen Inhalten auf elite-magazin.de
„Hier ist die alte Siloplatte.“ Cord Lilie zeigt ein Luftbild von seinem Milchkuhbetrieb auf dem Computer und fährt mit der Maus über das Betriebsgelände. „Hier liegt Mist“, sagt er. Die Maus fährt ein kleines Stückchen weiter, bleibt auf einem angrenzenden Wohnhaus stehen. „Und hier wohnt der Nachbar.“ Keine 50 Meter entfernt von Stallgerüchen, dem Bölken frisch abgesetzter Kälber, Maschinenlärm und ordentlich Staub, wenn die Strohmühle läuft. Noch gab es keine Probleme, aber Cord Lilie weiß, dass so ein Betrieb in der direkten Nachbarschaft die Nerven beanspruchen kann.
Für mehr Akzeptanz hat sich der Milcherzeuger aus Nordrhein-Westfalen dazu entschieden eine Wärmepumpe zu installieren. Die kühlt nicht nur die Milch auf dem Hof, sondern bereitet aus der Abwärme 60 Grad Celsius heißes Wasser. Über eine Wärmeleitung gelangt dieses zum Nachbarn, heizt das Altgebäude sowie ein frisch errichtetes Einfamilienhaus. Die Wärme reicht sogar aus, das Sozialgebäude auf dem Betrieb sowie das Haus von Cord Lilie und ein weiteres Wohnhaus zu heizen. „Ich will, dass die Nachbarn davon profitieren, dass wir da sind“, sagt Cord Lilie. Mittlerweile dürfte der sich über jede Kuh auf dem Betrieb Lilie freuen, weil sie ihm seine Wohnung warm hält.
Mittlerweile ist noch ein drittes Haus rechts von der Hofstelle an die Wärmepumpe angeschlossen.
(Bildquelle: Lilie, DLG Wintertagung 2021)
Die Entscheidung für eine Wärmepumpe auf dem Betrieb fiel deshalb, weil gleich mehrere Faktoren zusammen kamen. Da war einmal die Situation mit den Nachbarn und eine 25 Jahre alte Ölheizung im eigenen Haus. Außerdem stand eine Investition in eine neue Milchkühlung an. „Wir haben hier auf dem Hof nur einen aufrechten Milchlagertank ohne integrierte Kühlung“, berichtet Cord Lilie. Lange Zeit wurde die Milch über einen doppelten Plattentauscher mit Brunnen- bzw. Eiswasser auf 4 Grad Celsius runtergekühlt. Doch der Betrieb wuchs. Ein neuer Stall entstand zuletzt im Jahr 2018 mit Platz für 70 weitere Kühe. Mit wachsender Kuhzahl reichte die Eisbank und die Kältemaschine für die anfallende Menge an Milch nicht mehr aus. Hinzu kam, dass das Brunnenwasser zu den Stoßzeiten während des Melkens nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stand. Ein Zulauf von Stadtwasser funktionierte nicht, da der Anschluss zu klein war.
Wir mussten uns überlegen, wie wir die Milch kalt kriegen.
Cord Lilie
Zeitgleich plante der Nachbar ein neues Einfamilienhaus und stand vor der Entscheidung, wie zukünftig geheizt werden soll. In dieser Situation überlegte Cord Lilie, ob sich nicht die Abwärme der Milchkühlung dafür nutzen ließe. „Die klassische Wärmerückgewinnung ist auf vielen Betrieben ja bereits Standard. Das Problem dabei ist, dass man so nur 40 Grad heißes Wasser bekommt“, sagt Cord Lilie. Das reiche in der Regel als Vorlauftemperatur nicht aus, um insbesondere alte Häuser mit Radiatoren-Heizungen warm zu bekommen. „Bei einer modernen Fußbodenheizung und gut isoliertem Haus würde das fast schon reichen. Eine Wärmepumpe schafft hingegen Vorlauftemperaturen von 60 Grad Celsius. Da wird es dann auch interessant ältere Häuser anzuschließen“, erklärt der Landwirt.
Theoretisch 12.000 Liter Heizöl sparen
Wieviel Wärme steckt denn in der Milch? Cord Lilie rechnet beispielhaft vor. „In einem Liter Milch stecken circa 0,03 kWh“. Das hört sich erstmal nicht viel an. In einem Liter Heizöl sind schließlich circa 10 kWh. Aber auf dem Hof von Cord Lilie kommen bei seinen 380 hochleistenden Kühen jährlich vier Millionen Kilogramm Milch zusammen. Das sind 120.000 kWh. Umgerechnet 12.000 Liter Heizöl, die damit theoretisch ersetzt werden könnten. Theoretisch, weil die Wärme gleichmäßig über das ganze Jahr anfällt. „Im Sommer brauchen wir fast gar nichts – nur um ein bisschen Brauchwasser warm zu machen.“ Dann pusten Lüfter die Wärme ab. Im Winter bräuchte man fast die doppelte Menge. Von der Wärme ist also nur ein Teil wirklich nutzbar. Lohnt sich die Wärmepumpe trotzdem?
„Eine moderne Wärmepumpe hat eine Leistungskennzahl von circa 4. Das heißt, die Pumpen machen aus einer kWh Strom vier kWh Wärme“, rechnet Cord Lilie. „Wir haben auf dem Hof eine PV-Anlage. Dadurch haben wir einen Strommix von 57 % PV und 43 % müssen wir aus dem Netz beziehen. Vor eineinhalb Jahren kostete uns der Strom etwa 16 Cent/kWh für die Entstehungskosten des PV-Stroms plus die Zukaufkosten. Daraus errechnen sich ein Aufwand von vier Cent pro kWh Wärme.“ Das bedeutet, dass sich bei Heizölkosten von über 40 Cent die Wärmepumpe im Vergleich rechnet.
Mit der Wärmepumpe Geld zu verdienen, war nicht meine oberste Priorität.“
Cord Lilie
Doch die Zahlen sind nicht mehr aktuell. Im Moment sind die Stromkosten teurer als noch vor einem Jahr. Die Heizölkosten sind aber auch gestiegen. „Ich schätze, dass wir im Moment etwa 30 Cent/kWh für unseren Strommix kalkulieren müssen“, sagt Cord Lilie. „Somit sind es 7,5 Cent/kWh. Heizöl müsste teurer als 75 Cent sein, damit es sich rechnet.“ Die Heizölpreise liegen derzeit bei knapp 1,20 €. Das rechnet sich. Die Entscheidung die Wärmepumpe einzubauen war aber nicht nur eine finanzielle. Geld damit zu verdienen war für Cord Lilie nicht die oberste Priorität.
„Wenn man das mal ganz genau ausrechnet, kommen da außerdem bestimmt ein bisschen andere Zahlen raus“, erklärt er. „Aber die Einschätzung gibt eine grobe Orientierung.“ In der Rechnung fehlt zum Beispiel die Abschreibung der Wärmepumpe und die Reparaturkosten. Die hat Cord Lilie aber absichtlich rausgerechnet. Da die Wärmepumpe zur Milchkühlung dient, müssen die bei den Produktionskosten der Milcherzeugung zu gerechnet werden, meint der Landwirt.
Die eingebaute Wärmepumpe hat aber auch Grenzen. „Ziel war für mich, dass wenn wir Temperaturen um die Null Grad Celsius haben, alles funktioniert.“ Dafür reicht sie. „Wenn es 14 Tage mal richtig kaltes Wetter gibt, reicht sie halt nicht“, sagt Cord Lilie. Insbesondere bei den Radiatoren-Heizungen im alten Wohnhaus. Aber dafür hat er bei sich mit zwei Holzöfen eine alternative Wärmequelle für längere Kälteperioden.
Bei der Milchkühlung konnte auf dem Betrieb das Brunnenwasser mittlerweile komplett abgestellt werden. Dafür wurde eine Zisterne gebaut mit 12.000 Liter Fassungsvermögen. Das von der Wärmepumpe gekühlte Wasser zirkuliert jetzt im Kreislauf und kühlt die Milch. Cord Lilie ist mit der Investition zufrieden.
Seit 2012 kauft Cord Lilie keinen mineralischen Dünger mehr zu. Er erklärt wie konventioneller Futterbau mit eigenem Wirtschaftsdünger und Leguminosen gelingt.