Wir haben bei dem Milchmarktexperten Prof. Dr. Holger Thiele (ife Institut für Ernährungswirtschaft in Kiel) nach seinen Einschätzungen der Entwicklungen auf dem Milchmarkt gefragt. Prognosen zu den Notierungen und Preisentwicklungen bei den Milchdauerwaren, dem darauf basierenden Kieler Rohstoffwerts sowie den Auswirkungen auf die Milcherzeugerpreise erfahrt Ihr hier.
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Wir haben bei dem Milchmarktexperten Prof. Dr. Holger Thiele (ife Institut für Ernährungswirtschaft in Kiel) nach seinen Einschätzungen der Entwicklungen auf dem Milchmarkt gefragt. Prognosen zu den Notierungen und Preisentwicklungen bei den Milchdauerwaren, dem darauf basierenden Kieler Rohstoffwerts sowie den Auswirkungen auf die Milcherzeugerpreise erfahrt Ihr hier.
Elite: Der Markt für Milchdauerwaren ist derzeit sehr fest bei knapper Verfügbarkeit. Die Notierungen für Butter wurden zuletzt Anfang November stark angehoben. Die Situation beim Magermilchpulver ist sehr fest. Die Preise aufgrund der geringen Verfügbarkeit ebenfalls hoch. Wie schätzen Sie die weitere Preisentwicklung dieser Produkte Anfang 2022 am Markt für Milcherzeugnisse ein? Mit welcher Begründung?
Thiele: Im ife Institut erwarten wir, dass die Erlöse aus Magermilchpulver und Butter Anfang des Jahres sogar noch leicht steigen könnten. Der Blockbuttermarkt zeigt auch nach dem Abflauen des Weihnachtsgeschäfts noch keine Schwäche. Auch die internationalen Exportpreise für Milchprodukte aus der EU sind, verstärkt durch einen starken US-Dollar, bleiben vorerst sehr hoch. Derzeit zeigen internationale Terminmarktkurse ab Mai 2022 fallende Tendenzen an.
Elite: Der von Ihrem Institut monatlich veröffentlichte Kieler Rohstoffwert Milch gilt als Frühindikator für die Preisentwicklung für Rohmilch und basiert auf den Marktpreisen für Butter und Magermilchpulver. Zuletzt hat der Rohstoffwert das Rekordniveau von über 50 Cent geknackt. Das gibt vielen Milcherzeugern Hoffnung, da bei den gestiegenen Produktionskosten eine wirtschaftliche Produktion eine Herausforderung darstellt. Wie nah lagen Sie in der Vergangenheit mit Ihrem Rohstoffwert Milch an der Entwicklung der tatsächlichen Milchauszahlungspreise?
Thiele: Der Kieler Rohstoffwert Milch des ife Instituts ist ein Frühindikator für die Milchpreisentwicklung in zwei bis drei Monaten. Im November lag dieser Wert bei 50,1 Ct/kg Standardmilch. Vor dem Hintergrund der bisherigen Preiszusammenhänge wäre dann schon ein mittlerer Milchpreis oberhalb von 40 Ct zu erwarten. Daher geht unsere Prognose auch dahin, dass spätestens ab Dezember 2021 ein mittlerer Milchauszahlungspreis in Deutschland von 40 Ct erreicht wird. Die weitere Erhöhung des Kieler Rohstoffwertes von November auf Dezember 2021 um 2,3 Ct von 50,1 auf 52,4 Ct/kg Milch impliziert eine weitere Erhöhung der Milcherzeugerpreise um weitere 1,4 Ct im Januar 2022.
Elite: Die Spotmilchpreise liegen seit Wochen über 50 Cent, der Rohstoffwert sowie der Börsenmilchwert sind ebenfalls oberhalb der 50-Cent-Marke. Wie wahrscheinlich sind Milchpreise über 50 Cent im neuen Jahr?
Thiele: Unsere Milchmarktindizes geben üblicherweise kurzfristige Erwartungen der Marktteilnehmer für die Eckprodukte wieder. Beachtet man Kontraktlaufzeiten, Produktbreite und Umgang mit der Preisvolatilität dann sind aus Indizes von oberhalb 50 Ct leider noch keine Milchpreise über 50 Ct/kg Standardmilch abzuleiten. Bisher gehen wir für 2022 von höheren Milchpreisen als im Jahr 2021 aus. Für das Jahr 2021 schätzen wir den deutschen Milchpreis auf 36 Ct/kg oder +10 % zum Vorjahr. Für das Jahr 2022 gehen die derzeitigen Schätzungen von einem weiteren Plus in ähnlicher Größenordnung aus. Zwar wissen wir aus der Vergangenheit, dass sich sehr hohe Milchpreisniveaus leider nie lange gehalten haben. Gleichzeitig haben sich jedoch strukturelle Faktoren geändert, da sich die Produktions- und Logistikkosten in der gesamten Wertschöpfungskette Milch erhöht haben.
Bisher gehen wir für 2022 von höheren Milchpreisen als im Jahr 2021 aus.
Prof. Dr. Holger Thiele
Elite: Vor dem Hintergrund der aktuellen internationalen und nationalen Marktlage: Wie werden sich Ihrer Meinung nach die Milchpreise auf Erzeugerebene Anfang des neuen Jahres 2022 verhalten? Welche Rolle spielt dabei das aktuell sehr geringe Milchaufkommen?
Thiele: Das geringere Milchaufkommen bei uns aber auch in anderen wichtigen EU-Milchlieferländern wie Frankreich, den Niederlanden und Belgien führte dazu, dass die Nachfrage u.a. auch für die Lagerhaltung einen Nachholbedarf hat. Damit ist eine gute Ausgangslage für anhaltend hohe Preise für das erste Halbjahr 2022 gegeben. Zum Ausgleich der erhöhten Kosten in den Milcherzeugerbetrieben und Molkereien werden diese auch benötigt. Durch die Reaktion der Erzeuger auf die verbesserten Erlöse wird das Milchaufkommen wieder deutlicher steigen. Für Anfang 2022 erwarten wir Milchpreise auf Erzeugerebene über alle Molkereien im Mittel von oberhalb 41 Ct/kg Milch (4% Fett, 3,4% Eiweiß, ab Hof ohne Mehrwertsteuer). Die interregionalen und intrasektoralen Preisunterschiede werden zunehmen. Zudem steigt derzeit die Unsicherheit in den Prognosen durch die möglichen Einschnitte für die Wertschöpfungskette Milch von coronavirusbedingten Quarantänemaßnahmen und Logistikproblemen.
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