Milchmarkt

Zum Einfluss der Spotmilchpreise

Seit Monaten kennen die Preise für Milchrohstoffe nur eine Richtung: Steil aufwärts. Aber warum ziehen die Milcherzeugerpreise nicht entsprechend an?

Im Kurzinterview haben wir Ende Oktober 2021 mit dem Milchmarktexperten Prof. Dr. Holger Thiele über den Einfluss der Spotmilchpreise gesprochen. 

Holger Thiele

FH Kiel und ife Institut für Ernährungswirtschaft Kiel

Elite: Seit Monaten steigen die Preise für Rohmilch am Spotmarkt. Im Oktober zogen dann Spitzenpreise von 50,00 € pro 100 kg Milch die Aufmerksamkeit auf sich. Was sagen diese Entwicklungen über die Situation am Milchmarkt?
Thiele: Sie zeigen, dass Milch sehr knapp ist. Die Verfügbarkeit der Milch spiegelt sich über die kurzfristigen Verträge am Spotmarkt schneller in den Preisen wider als in den Milcherzeugerpreisen. Entsprechend haben Spotmarktpreise auch eine größere Volatilität. Sie können auch innerhalb von einem Monat auf 15 Cent pro Liter sinken, während im Vergleichszeitraum der niedrigste Auszahlungspreis von Molkereien bei rund 23 Cent zu beobachten gewesen ist.
Die Verfügbarkeit der Milch spiegelt sich über die kurzfristigen Verträge am Spotmarkt schneller in den Preisen wider als in den Milcherzeugerpreisen.“
Prof. Dr. Holger Thiele
Elite: Phasen geringer Spotmilchpreise wurden in der Vergangenheit durchaus als Argument für Abschläge in den Auszahlungspreisen kommuniziert. Warum folgen die Milcherzeugerpreise dem stark steigenden Trend jetzt nicht entsprechend?
Thiele: Spotmarktpreise schlagen sich erst zeitversetzt und je nach Molkerei mit mehr oder weniger geringen Anteilen an der Gesamtverwertung der Milch und damit in den Milcherzeugerpreisen nieder. Die Angabe des Milchindustrie-Verbands, dass rund 20 % der Milch am Spotmarkt gehandelt wird, ist aus Sicht des ife Instituts überhöht. Nimmt man dennoch diesen Wert an, dann müsste sich bei einem Spotmilchpreis von 50 Cent die Verwertung einer Molkerei und damit der Milchpreis, ausgehend vom Milchpreisniveau im August 2021, aktuell um ca. 2 bis 3 Cent auf rund 38 bis 39 Cent erhöhen. Allerdings sind Spotmilchpreise eben nur kurzfristig, nicht nachhaltig zu erlösende Preise! Und bei am Spotmarkt kaufenden Molkereien ergeben sich andere Situationen als bei verkaufenden. Müssen Molkereien dort kaufen, verteuert sich die Produktion und die Nettoverwertung kann sinken und damit sogar anteilsmäßig auch die Milcherzeugerpreise. Das hängt sehr vom Risikomanagement der Molkerei ab.
Müssen Molkereien am Spotmarkt kaufen, verteuert sich die Produktion und die Nettoverwertung kann sinken und damit sogar anteilsmäßig auch die Milcherzeugerpreise.“
Prof. Dr. Holger Thiele
Elite: Welche Molkereien handeln typischerweise Rohmilch über den Spotmarkt?
Thiele: Der Spotmarkthandelsanteil einer Molkerei hängt mit ihrem Produktportfolio zusammen. Im Norden gibt es einige Molkereien, die sich auf Spotmarktprodukte spezialisiert haben. Doch auch wenn sie Spotmarktprodukte verkaufen, heißt es nicht automatisch, dass auch kurzfristige Spotmarktpreise erzielt werden. Die Produktpreise am Spotmarkt hängen häufig an den Butter- oder Pulverpreisen an der Börse. 


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