Herausfordernde Zeiten, vielfältige Themen
Kriegsführung in der Ukraine, Klimawandel und Corona: die Milchbranche sieht sich mit multiplen Krisen konfrontiert. Mit diesen Worten leitet die parlamentarische Staatsekretärin im Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung, Dr. Ophelia Nick, ihre Grußbotschaft bei der Jahrestagung des Milchindustrie-Verbandes (MIV) in Berlin ein. Für alle müssen Antworten gefunden werden. „Die Politik möchte gemeinsam an Lösungen arbeiten, um eine...
Herausfordernde Zeiten, vielfältige Themen
Kriegsführung in der Ukraine, Klimawandel und Corona: die Milchbranche sieht sich mit multiplen Krisen konfrontiert. Mit diesen Worten leitet die parlamentarische Staatsekretärin im Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung, Dr. Ophelia Nick, ihre Grußbotschaft bei der Jahrestagung des Milchindustrie-Verbandes (MIV) in Berlin ein. Für alle müssen Antworten gefunden werden. „Die Politik möchte gemeinsam an Lösungen arbeiten, um eine Krisenstabilität zu erreichen.“
Dazu zähle es, sich mit der kommenden Wasserknappheit auseinander zu setzen und Lösungen zu finden, wie nachhaltig Wasser gehalten und genutzt werden kann. Etwa durch Weidehaltung und Kreislaufwirtschaften. Auch bei dem Thema Tierwohl sieht sie auf den Höfen noch Handlungsbedarf. Dafür müsse die Politik Rahmenbedingungen durch zum Beispiel Tierwohlsiegel und Herkunftskennzeichnungen schaffen.
Der Ruf der Milchbranche ist immer noch gut. Wir müssen aber an dem guten Image arbeiten!
Ophelia Nick
Wichtig sei es, jetzt die Weichen richtig für die Zukunft zu stellen und gemeinsam den Weg zu gehen. „Ich weiß, dass es gerade schwierig ist, aber Nachhaltigkeit lohnt sich langfristig und ist eine Risikoabsicherung für die Zukunft.“
Verpflichtende Herkunftskennzeichnung in der Kritik
Bei dem Thema Herkunftskennzeichnung ging während der Ansprache ein Raunen durch das Auditorium. Direkt zum Ende der Rede konfrontierte eine Zuschauerin die Staatssekretärin. Eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung würde die Lieferkette schwächen und sei nicht wirtschaftlich. „Wir können nicht nur das machen, was der Verbraucher will“, so aus dem Publikum. Viele Unternehmen würden international handeln, ob das die Staatsekretärin im Blick hätte? „Zu dem Thema sind wir im Dialog und hören Stimmen aus der Branche, um eine europäische Lösung zu finden und nicht nur national zu handeln“, erklärte Nick.
Herkunftskennzeichnung bei Milch
Beim Thema verpflichtende Herkunftskennzeichnung bei Milch gehen die Meinungen von Molkereien, Verbände und Politik auseinander. Das BMEL präferiert eine europäische Lösung.
Ukraine: Milchproduktion um 50 % eingebrochen
Nach der Eingangsrede schilderte Dr. Olga Trofimtseva, Sonderbeauftragte des Außenministeriums der Ukraine, die Folgen des Ukraine Kriegs für die Milchwirtschaft. Denn auch wenn die Ukraine nicht ein „Bauhaus der Milchwirtschaft“ sei, sondern die Kornkammer der Welt, sind die Folgen weitreichend, erklärte Trofimtseva. Schließlich lieferte die Ukraine viel Futter an die EU. Der Krieg verstärke außerdem die vorherigen Krisen und sei ein Multiplikations-Faktor, welcher das Gleichgewicht auf dem Markt durcheinander bringe. Das führe zu einer höheren Volatilität.
Anzahl Milchkühe hat sich seit dem Krieg um mindestens 10 % verringert“
Dr. Olga Tromitseva
Der Milchkuhbestand in der Ukraine hat sich seit dem 24. Februar 2022 um mindestens 10 % verringert, die erzeugte Milchmenge ist um mindestens 15 % zurückgegangen – in den Regionen nahe der Kampfgebiete sogar um 50 %. Die Milchproduktion im Land ist aber aufgrund fixierter Gaspreise und günstiger Futtermittel derzeit profitabel.
Milcherzeugung in der Ukraine
Die Folgen des Ukraine-Kriegs treffen Milcherzeuger weltweit. Wir haben mit einem ukrainischen Milcherzeuger über die aktuelle Lage vor Ort gesprochen.
Milch macht Glücklich
Wie entscheiden sich Konsumenten für ihre Lebensmittel? Diese Frage beantwortete Prof. Dr. Soyoung Q Park in ihrer Präsentation zum Thema „Nervennahrung“. Dafür startete die Professorin für Desicion Neuroscience and Nutrition am Deutschen Institut für Ernährungsforschung DIfE Potsdam ihren Vortrag mit einem Gedankenexperiment.
„Stellen Sie sich vor, sie möchten ein Eis kaufen und stehen vor den Sorten im Eisladen. Wie entscheiden sie sich für ihre Eiskugeln?“ Die Antwort beruht auf unseren Erfahrungswerten und Vorstellungen der einzelnen Sorten und daraus abgeleiteten Vorhersagen. Wir wissen nicht genau wie das Eis in diesem Laden schmeckt, leiten aber aus Erfahrungen ab, wie es schmecken könnte und treffen daraufhin eine Entscheidung.
Unsere Entscheidungen beruhen auf Vorstellungen. Wer eine Entscheidung beeinflussen möchte, muss eine passende Vorstellung liefern.
Prof. Dr. Soyoung Q Park
Unsere Vorstellungskraft beeinflusst sogar unsere Hormonspiegel oder den Blutzuckergehalt. Das geht aus ihren Forschungen hervor, bei denen Probanden das gleiche Getränk mit unterschiedlichen Etiketten gegeben wurde. Außerdem stellte sie fest, dass der Proteingehalt von Lebensmitteln eine Rolle in Entscheidungen spielt. Je mehr Protein ein Lebensmittel enthält, desto mehr Dopamin wird ausgeschüttet und man wird toleranter bzw. generöser bei Entscheidungen nach dem Verzehr.
Initiative Milch: Allein zwischen veganen Alternativen
Zum Abschluss der Jahrestagung stellte Kerstin Wriedt, Geschäftsführerin der Initiative Milch 2.0, die Entwicklung des Projektes vor. Das Ziel ist es mehr Wertschätzung und Vertrauen bei den Verbrauchern für das Lebensmittel Milch und die Milcherzeuger zu gewinnen. „Im sachlichen und faktenbasierten Dialog sei es gelungen positive Artikel zum Thema Milch in die großen Print-Medien zu spülen“, resümiert Wriedt. Mit Podcast-Formaten, TikTok und Instagram Auftritten sei außerdem die Reichweite bei jüngeren Generationen erhöht worden. Dort stöße das Projekt größtenteils auf positive Rückmeldungen.
Vertreten war die „Initiative Milch“ zuletzt bei der Berlin Food Week. Dort war der Stand einer von wenigen, der nicht ausschließlich vegane Lebensmittel vorstellte. „Trotzdem haben die Berliner an den Tagen, die wir da waren fast 210 Liter Ayran getrunken“, erzählt Wriedt. Im nächsten Jahr soll das Projekt internationaler werden und Europaweit Ländern und Informationen verknüpfen.