Die Aufzucht und die Vermarktung von Färsen sind rechnerisch schon immer eine „knappe Kiste“ gewesen. Viele Milcherzeuger haben sich in den letzten Jahren aufgrund von hohen Kosten und knappen Kapazitäten von der eigenen...
Die Aufzucht und die Vermarktung von Färsen sind rechnerisch schon immer eine „knappe Kiste“ gewesen. Viele Milcherzeuger haben sich in den letzten Jahren aufgrund von hohen Kosten und knappen Kapazitäten von der eigenen Aufzucht getrennt oder diese deutlich reduziert. Derzeit treiben auch die steigenden Preise für Futter und Energie die Aufzuchtkosten weiter in die Höhe. Demgegenüber stehen heute hohe Verkaufspreise von über 2.000 € für abgekalbte Färsen sowie hohe Erlöse für Schlachtkühe. Je nach betrieblicher Situation kann es deshalb sinnvoll sein, die Remontierungsstrategie im eigenen Betrieb noch einmal zu hinterfragen. Dabei sollten Sie Folgendes beachten:
1. Die Marge ist klein
Zukaufsfärsen sind zwar teuer, aber auch Schlachtkühe bringen derzeit gute Erlöse, weshalb die Marge verhältnismäßig klein ist. Heute kann eine Schlachtkuh für 1.500 € verkauft und eine gute Holsteinfärse für 2.000 € zugekauft werden (500 € Differenz). Bei Fleckvieh ist die Spanne etwas größer. Noch vor zwei Jahren brachte eine Schlachtkuh knapp 850 € und eine Färse kostete 1.750 € (900 € Differenz). Die Remontierung ist aktuell also verhältnismäßig günstig, weshalb auch höhere Preise für Färsen „vertretbar“ sind.
2. Eigene Zahlen kennen
Die letzten Jahre zeigen, dass der Milchpreis einen deutlich größeren Einfluss auf die Färsenpreise hat als die Produktionskosten. Für den Einzelbetrieb sind die Produktionskosten aber der entscheidende Faktor. Viele Milcherzeuger ziehen ihre Färsen gerne selbst auf. Für die Frage nach der passenden Nachzuchtintensität (Anzahl Jungrinder im Verhältnis zu Kühen) ist es wichtig, betriebsindividuelle Zahlen zu kennen und regelmäßig zu analysieren.
Der Milchpreis hat einen deutlichen größeren Einfluss auf die Färsenpreise als die Produktionskosten.
Simon Ickerott, Landwirtschaftskammer NRW
Die Aufzucht einer Färse kostet je nach Region rund 2.000 €, die sich wie folgt aufteilen: 1.500 € Direktkosten für Futter, Besamung, Tierarzt, Energie; 400 € Arbeitserledigungskosten für Löhne, Lohnansatz, Technik; 120 € Gebäudekosten (DLG-Vollkostenrechnung, Auswertungen Westmünsterland). Achtung: Je nach Aufzuchtform (z. B. ausgelagert) verschieben sich die Kostenblöcke. Großen Einfluss auf die Direktkosten hat vor allem die Tränkephase (inkl. Verlustrisiko), die bei nahezu jeder Aufzucht-Variante im Milchkuhbetrieb erfolgt. Die größte Ersparnis insbesondere im Bereich der Arbeitswirtschaft entsteht, wenn Kälber verkauft und Färsen zugekauft werden.
3. Kapazitäten sinnvoll nutzen
Neben den Kosten sollten sich Milchkuhhalter unbedingt an den vorhandenen Aufzuchtkapazitäten orientieren. Sind sie hinsichtlich Fläche, Futter, Stallplatz und Arbeitszeit begrenzt, sollte man entsprechend weniger Tiere aufziehen. Denn bei der eigenen Aufzucht gilt: „Das, was möglich ist, besonders gut machen.“ Nur eine Färse, die optimal aufgezogen wird, „melkt“ die Kosten später wieder rein. Werden mehr Tiere zur Remontierung benötigt, als es die eigenen Kapazitäten hergeben oder ist generell keine optimale Aufzucht möglich, kann der Zukauf eine sinnvolle Alternative darstellen.
4. Strikte Zuchtstrategie wählen
Einfluss auf Kosten und Kapazitäten haben zudem die Aufzuchtdauer und die Remontierung. Beispiel: Ein Betrieb mit 100 Kühen benötigt bei 28 % Remontierung inklusive Kuhverlusten 28 Jungrinder im Jahr. Gelingt es, die Aufzuchtdauer von 28 auf 26 Monate zu verkürzen, müssen etwa 10 % weniger Tiere gehalten bzw. könnten zwei bis drei Jungkühe verkauft werden. Derselbe Effekt gilt für einen reduzierten Remontierungsanteil (Übersicht 1, Seite 37). Um die vorhandenen Aufzuchtkapazitäten bestmöglich zu nutzen, sollten Milcherzeuger die Besamungen und ZU-Entscheidungen genau kalkulieren (Selektion, gesext, Beef on Dairy). Hier ist eine strikte Zuchtstrategie hilfreich.
Übersicht 1: Benötigte Nachzucht – Diese Kalkulation zur Aufzuchtdauer und Remontierungsrate bezieht sich auf eine 100-Kopf große Kuhherde.
5. Jungkühe lange nutzen
Mit steigenden Kosten wird es immer wichtiger, dass sich die Remontierung, sowohl Aufzucht als auch Zukauf, rentiert („Return on Invest“). Das heißt, dass eine Jungkuh mindestens solange im Bestand bleiben sollte, bis sie die Kosten wieder eingebracht hat. Hilfreiche Kennzahlen sind hier der Deckungsbeitrag je kg Milch sowie die Aufzuchtkosten pro kg Milch bzw. pro Tier, die je nach Betrieb deutlich schwanken können (Übersicht 2).
Die wichtigsten Ziele sollten sein, die eigene Aufzucht zu optimieren und die Abgänge in der ersten Laktation zu reduzieren.
Martin Gorski, Alta Value Services
Besonders teuer sind deshalb immer ungeplante, frühzeitige Abgänge von Jungkühen. Nicht zu unterschätzen ist dabei vor allem deren deutlicher Leistungszuwachs zur zweiten Laktation. Zahlen aus 2021 zeigen, dass sowohl bei Fleckvieh als auch bei Holsteins gerade in der ersten und zweiten Laktation die Abgänge mit jeweils 15 bis 20 % besonders hoch sind (ohne Zuchtverkäufe).
Übersicht 2: Vergleich Färsenaufzucht – Ein Betrieb mit weniger Milch und höheren Kosten (A) muss die Färse länger halten, bis sie sich rentiert.
6. Milch im Fokus
Färsen bewusst für den Verkauf aufzuziehen, rechnet sich in der Regel nur, wenn Jungvieh-Kapazitäten (Stallplatz, Futter, Arbeitszeit) nicht für die Milchproduktion nutzbar sind und/oder die Tierqualität überdurchschnittliche Erlöse erbringen kann. Denn: Die Milch ist immer der effizienteste Betriebszweig und sollte im Fokus stehen. Um diesen Trend umzukehren, müssten sich die Färsenpreise deutlich stärker nach oben und gegenläufig zu den Milchpreisen entwickeln. Doch danach sieht es aktuell nicht aus, erreichen doch gerade die derzeitigen Erlöse erstmalig den Punkt, ab dem sich der Verkauf rechnet.
Bleiben abgekalbte Färsen gefragt und teuer?
Am Färsenmarkt trifft derzeit eine rege Nachfrage, sowohl im Inland als auch im Ausland, auf ein sehr knappes Angebot. Durchschnittspreise von über 2.000 € sind auf Zuchtviehauktionen deshalb momentan keine Seltenheit. Das sind die Gründe:
| aktuell hohes Milchpreisniveau
| schnellere Remontierung von Problem- und Altkühen durch historisch hohe Schlachtviehpreise
| reduziertes Angebot an Jungvieh durch mehr Fleischrassebesamungen
| Auslagerung bzw. Aufgabe der eigenen Aufzucht
| Tierverkäufe aufgrund von Futterknappheit in vorherigen Jahren.
Einheimische Kunden sind auf den Märkten aktuell stark vertreten. Die Abnahmequote aus dem Ausland liegt derzeit vielerorts nur noch bei 20 bis 40 %, alle anderen Färsen verbleiben in Deutschland. Zu den Hauptabnehmern aus dem Ausland zählen auf den Auktionen in Nord- und Westdeutschland vor allem die Niederlande, Belgien und Luxemburg. Die Nachfrage aus Italien und Polen ist aufgrund schwächerer Milchpreise derzeit eher rückläufig.
Die Prognosen sind laut der deutschen Zuchtverbände schwierig. Sicher sei jedoch, dass sich das Angebot an Färsen nicht ad hoc nennenswert steigern lässt, sodass das Aufkommen von Verkaufstieren noch länger begrenzt bleiben dürfte. Inwieweit der Exportrückgang nach Osteuropa (Ukraine-Krieg) die Anzahl verfügbarer Zuchtrinder und später abgekalbter Zuchtfärsen ansteigen lässt, muss abgewartet werden. Insgesamt gehen Vermarktungsexperten zunächst von einer stabilen Nachfrage und stabilen bis steigenden Preisen mindestens bis zum Sommer aus. Ein weiterer sprunghafter Anstieg der Erlöse wie zuletzt sei aufgrund der gleichzeitig rasant gestiegenen Kosten aber eher nicht zu erwarten.
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