Fusion RUW & RBW

Die neue Nr. 2 in der deutschen Rinderzucht?

Paukenschlag in der Zuchtbranche: Die beiden Zuchtverbände RUW und RBW wollen sich zusammenschließen. Was sagen die Mitglieder dazu? 

Mit dem Zusammenschluss zweier gleichstarker Partner besteht die Chance, den künftigen Strukturwandel besser zu meistern. So heißt es im Wortlaut in einer Pressemitteilung der Rinder-Union West eG (RUW) und der Rinderunion Baden-Württemberg e.V. (RBW) zur geplanten Fusion, über die vergangene Woche die insgesamt über 25.000 Mitglieder in vier Bundesländern informiert wurden. Schon am 1. Januar 2023 soll die neue Organisation stehen und mit Leben gefüllt werden. 
Damit würde ein Zuchtunternehmen mit mehr als 500.000 Herdbuchkühen, 600.000 Erstbesamungen und rund 300 Mitarbeitern entstehen – und damit nach der Masterrind im niedersächsischen Verden das zweitgrößte in der Zucht- und Besamungsbranche bundesweit. Zum Vergleich: Die Masterrind, die im Wesentlichen die Zuchtgebiete Niedersachsen und Sachsen umfasst, verfügt über mehr als 600.000 Herdbuchkühe. Die Rinderallianz, die die Zuchtgebiete Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt betreut, zählt knapp 200.000 Herdbuchkühe. 
Jetzt werden die kleinen Organisationen drumherum nervös werden.“
ein Brancheninsider
In der deutschen Züchterszene hat die Ankündigung der Fusion mächtig für Aufregung gesorgt. Während einige Rinderzüchter die Fusion durch die bereits enge Zusammenarbeit der beiden Verbände in der PhönixGroup als nächsten logischen Schritt bezeichnen, sind andere – vor allem auch vom vorgelegten Tempo – überrascht oder gar vor den Kopf gestoßen. 

Die beiden deutschen Zuchtverbände RUW und RBW wollen sich zusammenschließen. (Bildquelle: Elite, Orb)

RUW als Treiber der Fusionsgespräche 

Treiber der Fusionsgespräche sei die RUW, die bei der RBW bereits im Frühsommer 2021 angeklopft hatte. Der süddeutsche Verband hatte zu diesem Zeitpunkt laut RBW-Vorsitzendem, Josef Volkwein, bereits erfolglos Gespräche für eine engere Zusammenarbeit mit bayerischen Zuchtverbänden – insbesondere im Braunvieh-Lager – hinter sich. „Von der räumlichen Entfernung her haben wir bisher nicht zuerst an die RUW als möglichen Partner gedacht, sondern hatten eher die bayerischen Organisationen auf dem Schirm. Doch von dort haben wir mehrere Abfuhren erhalten.“
Brancheninsider vergleichen das geplante Vorhaben der beiden Verbände mit der Entstehung der Masterrind, die sich in der Vergangenheit bereits durch zwei Fusionsschritte deutlich vergrößert hat. „Das war bisher für die Milchkuhbetriebe nur von Vorteil“, sagt ein Kenner der Szene, der nicht namentlich genannt werden will. Die Fusion dürfte seiner Meinung nach aber auch im Rest der deutschen Zuchtbranche nicht ohne Folgen bleiben: „Jetzt werden insbesondere die kleinen Organisationen, die bisher auf ihre Eigenständigkeit bestanden haben, drumherum nervös.“ Zu rechnen sei außerdem mit einer deutlichen Verschiebung der Vermarktungswege, so werden künftig vermutlich mehr baden-württembergische Kälber in NRW gemästet als bisher und bayerische Kälber müssen sich neue Mäster suchen. 

Was haben die Mitglieder davon? 

Was bedeutet die Fusion nun konkret für die Mitgliedsbetriebe, wo sind die Synergieeffekte und gibt es in absehbarer Zeit weitere Zusammenschlüsse innerhalb der PhönixGroup? 
Die drei verantwortlichen Geschäftsführer der beiden Verbände – Dr. Alfred Weidele von der RBW sowie Dr. Jürgen Hartmann und Dr. Michael Steinmann von der RUW – erwarten durch die Fusion Synergieeffekte in allen Bereichen. Das erklären sie gegenüber der Elite Redaktion.
Ihrer Ansicht nach könnten künftig die Zuchtprogramme der verschiedenen Rassen auf breitere Füße gestellt, die Standorte für Spermaproduktion und Bullenhaltung effektiver und damit kostensparender genutzt sowie neue Absatzmöglichkeiten in der Tiervermarktung geschaffen werden. Vor allem auch kleine Rassen wie Brown Swiss sollen offenbar von der Fusion profitieren. Die Mitarbeiter im Außendienst sollen trotz oder gerade aufgrund des großen Gebietes weiterhin als wichtiges Bindemitglied zu den Mitgliedern dienen. 
Die ausführliche Stellungnahme der drei Geschäftsführer von RBW und RUW auf unsere Fragen finden Sie unter folgendem Link:

Die geplante Fusion von RBW und RUW wirft etliche Fragen auf.  Die drei Geschäftsführer nehmen im Elite-Interview Stellung. 

Der neue, moderne Bullenstall der RUW in Borken. Ihm Rahmen einer Fusion könnten die Spermaproduktion sowie die Bullenhaltung konzentrierter und effektiver gestaltet werden.  (Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck)

Was sagen die Mitglieder?  

Das Meinungsbild einiger von der Elite-Redaktion befragter Milcherzeuger und Verbandsmitglieder ist gemischt. Viele sehen die Fusion im Hinblick auf den weiter voranschreitenden Strukturwandel auf langfristige Sicht durchaus als sinnvoll und plausibel an. „Die Fusion ist eine logische Konsequenz auf sinkende Kuhzahlen und steigende Kosten. Wichtig und positiv in diesem Schritt ist, dass beide Unternehmen auf Augenhöhe stehen“, erklärt Milcherzeuger und RUW-Mitglied Dirk Schulze zur Heide, NRW. „Synergieeffekte bestehen unter anderem in einer gemeinsamen Geschäftsführung, dem eigenen Sexing-Labor und einer konzentrierten Bullenhaltung. Aufgrund der Größe und der Entfernung wird die Identifikation aller Beteiligten als ein Unternehmen aber sicherlich eine Herausforderung darstellen.“
Auch im Süden wird der Schritt von vielen Praktikern begrüßt. „Ich sehe nur Vorteile in dieser Fusion. Wir werden weniger und müssen die Kräfte bündeln. Mit dem neuen Partner können wir unsere Bullen besser auslasten und schaffen neue exklusive Vermarktungswege für Fleckvieh und Braunvieh in den Norden“, sagt zum Beispiel Holstein-Züchter Uwe Bauer aus Salem-Buggenseggel. Auch reine „Gebrauchsmelker“ erhoffen sich vom neuen Verband ein noch größeres Spermaangebot und wettbewerbsfähige Preise. Ein gemeinsamer Antritt beim Export, bei Schauen und in der Forschung verspreche weitere Vorteile, zumal mit Dr. Alfred Weidele ein fähiger Mann an der Unternehmensspitze sei. 
„Mit der neuen Organisation sind wir für den Weltmarkt gerüstet“, sagt ein befragter Milchkuhhalter, der nicht namentlich genannt werden möchte. Peter Meutes, Milcherzeuger und RUW-Mitglied aus der Eifel, sieht zudem einen möglichen Vorteil darin, dass sich kleinere Nachbarorganisationen, die an dem gemeinsamen Zuchtgebiet entlang liegen, zukünftig dem großen Verband anschließen könnten.

Viele Fragen offen 

Allerdings: Für die Mitgliedsbetriebe sind auch noch viele Fragen offen, allen voran Fragen zu den konkreten Vorteilen für die Mitglieder, über die sie informiert werden wollen, bevor tatsächlich fusioniert wird. „So ein Schritt sollte klare (Kosten-)Vorteile liefern, die sehe ich aber noch nicht“, sagt beispielsweise Johannes Henkelmann, Milcherzeuger NRW. „Der Außendienst zum Beispiel wird durch das weitläufige Gebiet sicher nicht günstiger. Zudem stufe ich genannte Synergieeffekte wie die Vermarktung von Mastkälbern oder das erweiterte Rasseportfolio als eher fraglich ein, weil im RUW-Gebiet dafür die Kontakte und die Nachfrage fehlen.“
Vermarktungsstandorte sollten bestehen bleiben, damit die Wege nicht zu weit werden“. 
Markus Tissen, Milcherzeuger in NRW
Auch für Peter Meutes sind konkrete Vorteile noch wenig absehbar: „Es ist sicher richtig, frühzeitig etwas zu unternehmen, zumal die Kuhzahlen und die Besamungen stetig sinken. Ich sehe mit der Fusion bisher aber wenig Stellschrauben, um Kosten zu sparen. Das sehr große, langgezogene Gebiet macht beispielsweise eine Zusammenlegung der Vermarktungsstandorte nahezu unmöglich. Auch der Standort in Fließem (Eifel), der durch eine Fusion sehr zentral liegen würde, wird kaum davon profitieren. Milcherzeuger und Züchter Markus Tissen, NRW, unterstreicht die Bedeutung der vorhandenen Standorte: „Für uns Mitglieder und vor allem für Verkäufer von Zuchttieren finde ich es sehr wichtig, dass die Vermarktungsstandorte bestehen bleiben, damit die Wege nicht zu weit werden.“

Mitglieder sorgen sich um die Mitsprache

Sorgen machen sich insbesondere die Mitglieder aus dem RBW-Gebiet auch um die künftige Mitsprache bei Entscheidungen: Das Gebilde werde zu groß und zu unpersönlich, der Mitgliederservice werde darunter leiden, fürchten sie. „Die kleineren Rassen, wie etwa Braunvieh, bleiben auf der Strecke“, befürchten einige Züchter aus Oberschwaben und dem Allgäu. Auch an wesentliche Preisvorteile für die Praxis glauben kritische Beobachter bisher nicht. 
Die neue Organisation wird zu groß und zu unpersönlich. Die Mitsprache leidet.
ein Kritiker aus Oberschwaben 

Fazit: Noch viel Aufklärung nötig

Für die beiden Fusionspartner liegt also im nächsten halben Jahr noch viel Aufklärungsarbeit an. Denn schließlich entscheiden die beiden Vertreterversammlungen der Verbände, ob es zum Zusammenschluss kommt. Zur Erörterung offener Fragen sind laut RBW-Vorsitzendem, Josef Volkwein, vier weitere regionale Treffen geplant. Und auch speziell mit den Fleckvieh- und Braunvieh-Mitgliedern, die mitunter die größten Bedenken gegen die Fusion hegen – werde es noch intensive Versammlungen geben. In einer außerordentlichen Vertreterversammlung im Oktober soll es dann schließlich zur endgültigen Abstimmung kommen. 

Infokasten: Rinder-Union West eG (RUW) 

| 16.139 Mitglieder 
| ca. 6.500 aktive Milchkuhbetriebe 
| 306.570 Herdbuchtiere
| 338.046 Erstbesamungen
| ca. 1,0 Mio. verkaufte Spermaportionen
| 22.464 vermarktete Zuchttiere pro Jahr
| 22.966 vermarktete Nutztiere pro Jahr
| 224 Mitarbeiter 
| rund 60 Mio. € pro Jahr 
| Standorte: Zentrale Münster, Besamungsstation Borken, Auktionsstandort Hamm, Auktionsstandort Münster, Auktionsstandort & Regionalzentrum Krefeld (alle NRW), Auktionsstandort & Regionalzentrum Fließem (Rheinland-Pfalz). 
*Zahlen aus dem Geschäftsjahr 2020/2021

Die neue Bullenstation der RUW in Borken (Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck)

Infokasten: Rinderunion Baden-Württemberg e.V. (RBW)

| 7.211 Mitglieder 
| 3.030 aktive HB-Milchkuhbetriebe 
| 798 aktive HB-Fleischrinderbetriebe  
| 208.491 Herdbuchtiere
| 241.619 Erstbesamungen
| 1,1 Mio. verkaufte Spermaportionen
| 15.185 vermarktete Zuchttiere pro Jahr
| 59.175 vermarktete Nutztiere pro Jahr
| 112 Mitarbeiter 
| rund 40 Mio. € pro Jahr 
| Standorte: Zentrale in Herbertingen mit Bullenhaltung und Samenproduktion, Sexing-Labor in Bad Waldsee, OPU/ET-Station in Herbertingen, Aufzuchtstation in Horb, landesweit mehrere Quarantäneställe, Auktionsstandorte in Bad Waldsee, Donaueschingen, Herrenberg und Ilshofen. 
*Zahlen aus dem Geschäftsjahr 2020/2021

Der Hauptsitz der RBW in Herbertingen, Landkreis Sigmaringen.  (Bildquelle: Werkbild )

Quelle: RUW, RBW, eigene Recherchen
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