Die Bio-Milchbranche hat im vergangenen Jahr eine bisher ungekannte Entwicklung erlebt. Denn nach dem Corona-Absatzboom hat sich das Kaufverhalten der Konsumenten ins Gegenteil gekehrt. So wurde 10% weniger Bio-Milch in Deutschland verkauft, was dazu führte, dass ein Teil sogar konventionell vermarktet werden musste. Grund dürfte u.a. der vom Handel erhöhte Preis für Bio-Trinkmilch um 50 Cent sein, der deutlich höher ausfiel als bei konventioneller Milch.
Preisdifferenz wieder größer
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Die Bio-Milchbranche hat im vergangenen Jahr eine bisher ungekannte Entwicklung erlebt. Denn nach dem Corona-Absatzboom hat sich das Kaufverhalten der Konsumenten ins Gegenteil gekehrt. So wurde 10% weniger Bio-Milch in Deutschland verkauft, was dazu führte, dass ein Teil sogar konventionell vermarktet werden musste. Grund dürfte u.a. der vom Handel erhöhte Preis für Bio-Trinkmilch um 50 Cent sein, der deutlich höher ausfiel als bei konventioneller Milch.
Preisdifferenz wieder größer
So lag auch der Bio-Milchpreise, der bis dahin weitgehend von den Preisen konventionell erzeugter Milch abgekoppelt war, im vergangenen Kalenderjahr nur noch um 5 ct/kg Milch höher (58 vs. 53,2 ct/kg Milch).
Die Auszahlungspreisdifferenz zwischen konventionell und ökologisch produzierter Milch hat sich zwar in den vergangenen Monaten wieder erhöht (Übersicht, 12,3 ct/kg Milch in Deutschland im März), aber auch die Bio-Milchpreise werden in den kommenden Monaten wieder zurückgehen und bereits für April unter 60 ct/kg liegen, prognostiziert Dr. Hans-Jürgen Seufferlein, Verband der Milcherzeuger in Bayern.
Wie sehen die Prognosen kurzfristig aus?
Bio-Konsummilch und Bio-Butter verzeichnen im Moment noch Nachfragerückgänge, während die Absätze und Herstellungsmengen beim Bio-Käse inzwischen wieder leicht gesteigert werden konnten. „Mehr Handelsunternehmen fragen Verbandsware nach und erweitern ihr Sortiment. Wir hoffen, dass dadurch der Markt weitere Impulse bekommt“, so Rüdiger Brügmann, Koordination Bio-Milch Bioland. Die Absatzmöglichkeiten der einzelnen Molkereien seien jedoch derzeit sehr unterschiedlich.
Auch Dr. Hans-Jürgen Seufferlein beschreibt die Absatzmöglichkeiten „bestenfalls vorsichtig optimistisch“. Das vergangene Jahr mit der inflationsbedingten Kaufzurückhaltung und der höchst ungeschickten Preispolitik des Handels hätten viele Akteure noch nicht vergessen.
Wie entwickeln sich die Märkte? Erobern pflanzlichen Alternativen das Kühlregal? All das wurde diese Woche in München auf dem Molkereikongress diskutiert.
Die Auswirkungen des desolaten Absatzes werden durch die weiter steigende Anlieferung von Bio-Milch noch verstärkt. Denn bereits im vergangenen Jahr zog die Bio-Milchanlieferung um 4,1% im Vergleich zum Vorjahr an. Dieser Trend dürfte sich auch in diesem Jahr fortsetzen.
Langfristig wieder mehr möglich
Trotzdem der Absatz von Bio-Milch-Produkten sehr verhalten ist, sehen Marktexperten langfristig Chancen für die Bio-Milch.
So schätzen sie den Rückgang bei Bio-Milch-Produkten deshalb eher als „Delle“ ein. „Für eine Zunahme des Verbrauchs sorgen schon die ausgebauten Kooperationen der Bio-Verbände mit dem Handel. Auch Initiativen zum Ausbau von Bio in Gemeinschaftsverpflegungen werden zu einem höheren Absatz beitragen,“ erklärt Dr. Hans-Jürgen Seufferlein.
„Die Wertvorstellungen der Verbraucher haben sich in den vergangenen Monaten ja nicht schlagartig verändert. Deshalb gehen wir mittelfristig wieder von weiter wachsenden Absatzmärkten aus“, ist Karin Artzt-Steinbrink, Geschäftsführerin der Upländer Bauernmolkerei, überzeugt.
Gleichwohl dürfte die Dynamik weniger ausgeprägt sein als in den vergangenen Jahren. „Auch Bio-Milch ist ein tierisches Erzeugnis und muss sich den ethischen Bedenken weiter Teile der sich vegan ernährenden Verbraucherschaft stellen, betont Dr. Hans-Jürgen Seufferlein.
Eine Chance für einen politisch geforderten Marktanteil von 30% sehen jedoch auch Marktexperten nicht.
Milchalternativen ernstzunehmende Konkurrenz?
Doch warum setzt sich der Absatzboom der vergangenen Jahre nicht weiter so stark fort? Ein Grund für den verhaltenen Milchkonsum im vergangenen Inflationsjahr könnte sein, dass auch „nachhaltig“ einkaufende Konsumenten (günstigere) Alternativen zu Bio-Produkten für sich entdeckt haben. Denn der Absatz für Weidemilch stieg beispielsweise im Vergleich zum Vorjahr an.
Initiativen zum Ausbau von Bio in Gemeinschaftsverpflegungen werden zu einem höheren Absatz beitragen
Dr. Hans-Jürgen Seufferlein
Deshalb sei es gut möglich, dass künftig Spezialmilchsorten dem Biomarkt weitere Anteile abnehmen werden, so Marktexperten.
Aber auch Milchalternativen dürften zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für Bio-Produkte werden. So schätzt das internationale Marktforschungsunternehmen Grand View Research, dass bis 2030 die Nachfrage auf dem europäischen Markt nach diesen (vermeintlich) „gesunden Lebensmitteln und Getränken“ erheblich wachsen werde. Allein im vergangenen Jahr stieg der Absatz von pflanzlichen Alternativen (weiße Linie), laut der GFK (Marktforschung), um 3,4%.
Diese Produkte werden gerade von den Verbrauchern nachgefragt, die auch schon bisher gewillt waren für nachhaltige Lebensmittel also u.a. Bio-Produkte mehr zu bezahlen. Hinzukam, dass in den vergangenen Monaten der Preisanstieg z.B. bei pflanzlichem Joghurt mit 2% deutlich geringer ausfiel, als bei konventionellem (+10%).
Molkereien bleiben vorsichtig
Mittlerweile reagieren auch die Molkereien im Biobereich auf die Absatzmöglichkeiten. Derzeit erfolgt so gut wie keine aktive Akquise neuer umstellungswilliger Milchkuhbetriebe.
„Das vergangene Jahr hat Milcherzeuger wie Molkereien gleichermaßen verunsichert. Mittelfristig suchen natürlich alle Molkereien Biomilch, vor allem solche mit starker Verbindung zum Handel,“ erklärt Dr. Hans-Jürgen Seufferlein.
„Mittelfristig werden wir wieder Betriebe suchen, allein um die Mengenrückgänge durch den Strukturwandel auszugleichen, aber auch weil wir von steigenden Märkten ausgehen“, betont Karin Artzt-Steinbrink.
Einig sind sich die Marktexperten in der Einschätzung, dass eine Steigerung der Nachfrage nach Biomilchprodukten noch möglich ist, allerdings ist dazu viel Marketing erforderlich, wie z.B. eine Informationskampagne der Regierung. Auch für Bio gilt: Ohne "angepasste" Produktpreise und Marketing geht es nicht.
Milcherzeuger Benedikt Renz möchte mit dem „Feed no food“-Ansatz die Akzeptanz der Milchkuhhaltung langfristig verbessern und setzt dafür voll auf Regionalität.