Frisches Grünfutter auf dem Futtertisch sieht auf den ersten Blick gut und „lecker“ aus. Durch die Schmackhaftigkeit und die hohen Inhaltsstoffe von frischem Gras erhoffen sich Milcherzeuger hierbei in erster Linie, die Futteraufnahme zu steigern sowie die Kosten für Kraftfutter und den Silierprozess zu senken. Beides kann die Fütterung von Frischgras durchaus mit sich bringen. Vor allem bei den aktuell extrem hohen Kraftfutterkosten kann sich das Verfahren einmal mehr rechnen.
Wichtig zu wissen ist aber auch, dass dieses Fütterungsverfahren sehr arbeitsintensiv ist und ein optimales Grünland- und Fütterungsmanagement verlangt. Zudem ist es je nach Standort, Grünlandflächen und Mechanisierung nicht für jeden Milchkuhbetrieb empfehlenswert.
Fünf Punkte, wann und wie sich die Frischgras-Fütterung am besten umsetzen lässt:
1. Betriebliche Voraussetzungen
In erster Linie werden eine insgesamt ausreichende Grünlandausstattung (für Frischgras- und Grassilage-Produktion) sowie möglichst viele Hof-nahe Grünlandflächen benötigt, um die Frischgras-Fütterung optimal umzusetzen. Außerdem sind der Standort und die Witterung im Hinblick auf die Befahrbarkeit der Grünlandflächen entscheidend.
Beispielhafte Kalkulation* zur Frischgras-Fütterung:
Annahme:
| 100 Kühe
| 5 kg TM Frischgras pro Kuh und Tag (19 % TS)
| 8 Tonnen TM Frischgras pro Hektar als mittlerer Ertrag pro Jahr
Kalkulation:
| 500 kg TM Frischgras pro Tag benötigt
| ca. 0,25 Hektar Grünland pro Tag benötigt
| ca. 8,5 Hektar (Frühjahr) bzw. ca. 13 Hektar (Herbst) insgesamt benötigt
*Die Kalkulation dient lediglich als Beispiel. Der Betriebsstandort, die Witterung sowie die Pflege und Nutzung des Grünlands haben großen Einfluss auf den Ertrag, die benötige Fläche und die Futtermenge. Daher können die Werte je nach Betrieb deutlich schwanken und sollten individuell kalkuliert werden.
Ein weiterer essenzieller Aspekt ist die Mechanisierung. In der Regel wird Frischgras mit einem Frontmähwerk in Kombination mit einem Ladewagen eingefahren. Bezüglich der Herde gibt es keine speziellen Voraussetzungen, jedoch wird es in sehr hochleistenden Betrieben durchaus schwieriger, die Futterumstellungen und Schwankungen ohne negative Effekte umzusetzen.
2. Grünland optimal managen
Um jeden Tag eine möglichst gute und homogene Grasqualität sowie einheitliche Mengen einzufahren, ist die stetige Kontrolle der Grünlandbestände essenziell! Dazu gehören die visuelle Einschätzung des Futterwertes, die Abschätzung des Ertrags sowie rechtzeitige Düngungs- und Pflegemaßnahmen. Die Devise: Jeden Tag neu entscheiden, welches und wie viel Gras geerntet wird.
Die Frischgras-Fütterung erfordert eine tägliche Kontrolle, gutes Grünland-Management und viel Fingerspitzengefühl.
Dominik Bützler
Hinzukommen Faktoren wie die Befahrbarkeit der Flächen und die Futteraufnahme der Kühe, die ebenfalls schwanken. Beispielsweise fressen Kühe bei regennassem Futter durchaus bis zu 2 kg TM pro Kuh und Tag weniger. Dieses Fingerspitzengefühl sowie die Arbeitszeit (sieben Tage die Woche, auch während Erntearbeiten) machen das Fütterungssystem speziell und anspruchsvoll. Das gilt vor allem, je höher die Milchleistung der Herde ist.
3. Bergung und Lagerung
Bei der Ernte von Frischgras gilt in erster Linie: Nicht auf Vorrat bergen! Eingefahrenes Frischgras sollte umgehend verfüttert werden (Risiko Nacherwärmung). Deshalb ist es wichtig, Arbeitszeit und Fütterungszeit aneinander anzupassen. Bei separater Fütterung wird das Grünfutter unmittelbar nach der Bergung über den Lagewagen am Futtertisch ausgetragen. Wird das Frischgras in die TMR gegeben, sollte es möglichst schnell vom Feld in den Mischwagen und anschließend auf den Futtertisch gelangen.
Hinsichtlich Verschmutzung und Grasnarbe wird eine Schnittlänge von 6 bis 8 cm empfohlen (nicht zu tief!). Zudem sollte das Gras im Idealfall trocken geborgen werden. Gras, was zu alt geworden ist, wird „wegkonserviert“. Das heißt: Bevor weniger gute Frischgras-Qualität verfüttert wird, sollte man Restflächen stehen lassen und für die Silierung nutzen und auf einer anderen Fläche neu anfangen.
4. Fütterungsmanagement mit Frischgras
Zeitraum:
Um wenig und vor allem schonende Futterumstellungen zu gewährleisten, sollten Milcherzeuger immer einen möglichst langen Zeitraum anpeilen, während dem sie Frischgras füttern (mindestens zwei Monate). Um das zu erreichen und weil Gras schnell zu alt wird, sollte man im Frühjahr möglichst früh mit der Frischgras-Ernte beginnen (in der Regel ab April). Je nach Witterung wird oft eine Sommerpause eingelegt (Trockenheit, Aufwuchs, Nacherwärmung) und von September bis Oktober dann noch einmal auf Frischgras umgestellt. Insgesamt verändert sich das Gras ständig und ist im Frühjahr ganz anders einzustufen als im Herbst. Das muss im Fütterungsmanagement entsprechend berücksichtigt werden.
Kühe haben es gerne langweilig, deshalb frühzeitig mit Frischgras beginnen und einen möglichst langen Zeitraum anpeilen!
Dominik Bützler
Mengen:
Wird Frischgras zusätzlich zur TMR gefüttert, können die Mengen je nach System zwischen 2 bis 8 kg Trockenmasse (TM)* Frischgras pro Kuh und Tag variieren. Als grober Richtwert gilt: Etwa ein Viertel von dem, was die Kuh am Tag frisst, kann als Frischgras-Menge kalkuliert werden. Man rechnet bei Frischgras mit einem mittleren TS-Gehalt von ca. 19 %. Je nach Standort, Zeitpunkt und Witterung kann dieser zwischen 14 und 22 % TS schwanken. 5 kg TM pro Kuh und Tag bedeuten demnach etwa 26 kg Frischmasse (FM) pro Kuh und Tag.
Ration:
Die Rationsgestaltung während der Frischgras-Fütterung sollte so gestaltet werden, dass eine wiederkäuergerechte Pansentätigkeit sichergestellt ist. Gegebenenfalls kann Heulage ergänzt werden, um ausreichend Struktur zu erhalten (junges Frischgras ist strukturarm). Zudem muss die Energie- und Proteinversorgung je nach Grasqualität (im Frühjahr mehr Energie, im Herbst mehr Eiweiß) mit Grundfutter und Kraftfutter ausgeglichen werden. Für die passende Rationsgestaltung sind vor allem die Kontrolle der Futteraufnahme, die ständige Beobachtung der Milchinhaltsstoffe und der Verdauung sowie im Idealfall regelmäßige Frischgras-Proben hilfreich.
Umstellung:
Die Umstellung von einer reinen TMR-Fütterung auf Frischgras und wieder zurück sollte langsam über drei bis vier Wochen erfolgen, um die Adaption der Pansenmikroben zu gewährleisten. Das „Raus“ ist oft schwieriger und sollte rechtzeitig geplant werden, da die Ration hierbei abgewertet wird.
Vorlage:
Die Vorlage ist separat sowie eingemischt in die Ration möglich. Für beide Varianten können dieselben Mengen an Frischgras kalkuliert und entsprechend in der Rationsgestaltung eingerechnet werden, allerdings ist die Fülle des Mischwagens zu beachten, da Frischgras viel Volumen einnimmt. Der Vorteil in der Fütterung über den Mischwagen besteht darin, dass die Futteraufnahme besser kontrolliert werden kann. Ein Nachteil ist das Nacherwärmungs-Risiko aufgrund der längeren Vorlage-Dauer. Im Sommer ist eine Stabilisierung der TMR empfehlenswert. Bei der separaten Fütterung des Grünfutters sollte ein Tier-/Fressplatz-Verhältnis von mindestens 1:1 gegeben sein, damit alle Kühe die Chance haben, das Gras zu fressen.
5. Auswirkungen auf Tiergesundheit und Milchleistung
Wie wirkt sich Frischgras-Fütterung auf Tiergesundheit und Milchleistung aus?
Wenn die Strukturversorgung sowie eine schonende Futterumstellung beachtet werden, kann sich die Frischgras-Fütterung hinsichtlich des hohen Futterwertes positiv auf Tiergesundheit und Milchleistung auswirken. Da die Futteraufnahme bei entsprechender Grasqualität um ca. 1 bis 1,5 kg pro Tag steigen kann, ist auch mit mehr Milch zu rechnen. Das ist aufgrund verschiedener Einflussfaktoren aber wenig vorhersehbar.
Entscheidend sind die Schwankungen in der Grasqualität, besonders im Hinblick auf die Tiergesundheit. Diese gilt es klug abzufedern, sowohl durch die Rationsgestaltung als auch durch das Grünlandmanagement. Zudem müssen die Futteraufnahme und die Verdauung der Kühe konsequent kontrolliert werden.
Achtung: Aufgrund der Schwankungen und der Kaliumgehalte sollten Trockensteher nicht bzw. nur in ganz geringen Mengen mit Frischgras gefüttert werden!
Frischgras hat nicht nur mehr Energie und Eiweiß, sondern auch mehr Vitamine als Konserven.
Dr. Hubert Schuster
Gelten Besonderheiten für Betriebe mit automatischem Melksystem?
Grundsätzlich nein. Die Frischgras-Fütterung ist bei passender Rationsgestaltung auch in Melkroboter-Betrieben möglich. Zu beachten ist hier allerdings, dass sich der Ansturm auf das Frischgras, wenn dieses einmal am Tag separat gefüttert wird, unter Umständen negativ auf das Laufverhalten am AMS auswirkt bzw. dieses zeitweise „durcheinanderbringen kann“.
Fazit: Vor- und Nachteile beachten
Insgesamt gibt es viele verschiedene Aspekte, die für und gegen die Fütterung von Frischgras sprechen und die betriebsindividuell durchdacht werden sollten. Der Austausch mit Berufskollegen sowie eine intensive Zusammenarbeit mit dem Fütterungsberater helfen, damit die Frischgras-Fütterung die gewünschten positiven Effekte erzielt.
Tipp: Wer die Frischgras-Fütterung ausprobieren möchte, kann sich die Maschinen möglicherweise für einen gewissen Zeitraum beim Lohnunternehmen ausleihen. Wichtig: Der Zeitraum nicht zu kurz wählen, damit einen schonende Futterumstellung gelingt!
Vorteile:
- sehr schmackhaftes Futter
- hohe Inhaltsstoffe (Energie, Eiweiß, Zucker)
- sehr gute Proteinqualität
- mehr Vitamine als Konserven
- kein Aufwand für die Konservierung (in der Regel kostengünstiger als Silage)
Nachteile
- arbeitsintensiv (sieben Tage die Woche mindestens eine bis anderthalb Stunden Arbeit)
- muss immer frisch geerntet werden (keine Haltbarkeit)
- Probleme bei Nässe (Befahrbarkeit, Verschmutzung)
- Schwankungen je nach Witterung und Aufwuchs
- sehr flächenintensiv (Flächennutzung?)
Quellen: Fütterungsberater Dominik Bützler (LandVET Q-Plus, Much) & Dr. Hubert Schuster (LfL Bayern)
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