Viele Betriebe haben in den vergangenen Jahren in Ventilatoren investiert. Doch reicht die Anzahl der Lüfter und ihr Standort aus, um alle Kühe zu kühlen?
In unseren Breitengraden können im Sommer in Ställen mit ausschließlich natürlicher Belüftung durch Hitzestress bis zu 4 kg Milchleistung verloren werden. Kühe in gut klimatisierten Ställen halten ihre Leistung. Wie lässt sich herausfinden, ob die Belüftung im Kuhstall und Vorwartehof ausreichend ist? Tipps dazu gibt es von Experten Johannes Zahner (LfL).
Johannes Zahner
LfL Bayern
Unterschied: Kühlen und Lüften
Je höher die Temperatur, desto mehr Wärme gibt die Kuh über die...
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In unseren Breitengraden können im Sommer in Ställen mit ausschließlich natürlicher Belüftung durch Hitzestress bis zu 4 kg Milchleistung verloren werden. Kühe in gut klimatisierten Ställen halten ihre Leistung. Wie lässt sich herausfinden, ob die Belüftung im Kuhstall und Vorwartehof ausreichend ist? Tipps dazu gibt es von Experten Johannes Zahner (LfL).
Johannes Zahner
LfL Bayern
Unterschied: Kühlen und Lüften
Je höher die Temperatur, desto mehr Wärme gibt die Kuh über die Wasserverdunstung (Atemluft, Schwitzen) ab, im Sommer bis zu 35 l täglich. Bei Ventilatoren muss zwischen Lüften und Kühlen unterschieden werden.
Beim Lüften bringen die Ventilatoren Frischluft von außen in den Stall. Die warme, feuchte, schadgasangereicherte Luft wird dadurch aus dem Stall abgeführt. Die Luftmenge muss ausreichend kalkuliert und die Frischluft im Stallgebäude gleichmäßig verteilt sein.
Beim Kühlen verbessert der Ventilator die Wärmeabgabe der Tiere. Die Windgeschwindigkeit bricht das Luftpolster um die Kuh auf, die warme Luft wird von der Kuh wegtransportiert. Gleichzeitig erhöht sich dadurch die Verdunstungsrate. Das wird fachsprachlich „Wind-Chill-Effekt“ genannt, denn die Luftbewegung auf den Kühen unterstützt deren Wärmeabgabe. Je höher die Luftgeschwindigkeit ist, desto niedriger die gefühlte Temperatur.
Um die Lufttemperatur von z.B. 27 °C auf gefühlte 20 °C abzusenken, muss eine Luftgeschwindigkeit von 2 m/s am Tier ankommen. Luftgeschwindigkeiten von bis zu 5 m/s stellen dabei für Kühe kein Gesundheitsrisiko dar. Die Luftgeschwindigkeit sollte sinnvollerweise da gemessen werden, wo sie ankommen soll, nämlich im Tierbereich. Daher sollte in der Liegebox auf circa 1 m Höhe gemessen werden.
Wie Kühlungswirkung messen?
Ein Ventilator ist schnell in den Stall gehängt, aber unter den gegebenen Stallbedingungen optimal mögliche Kühleffekte für die Kühe zu schaffen, ist eine andere Sache. Deshalb empfiehlt sich grundsätzlich immer, einen Spezialisten hinzuzuziehen, z.B. von den Landwirtschaftskammern, Beratungsringen oder der Landeskontrollverbände.
Am besten können Defizite mit einer Nebelmaschine diagnostiziert werden. Die Windgeschwindigkeit im Tierbereich kann zum Beispiel mit einem Hitzdrahtanemometer gemessen werden, das kostet circa 100€. Auch sollte nur Fachpersonal die Lüfter im Kuhstall einbauen. Ventilatoren sollten möglichst automatisch (temperatur-)gesteuert werden, denn beim manuellen Einschalten werden die Ventilatoren häufig zu spät gestartet.
Mit einem Hitzdrahtanemometer kann die Windgeschwindigkeit gemessen werden, zum Beispiel im Stall.
(Bildquelle: Zahner)
Neigungswinkel entscheidend
Neben den Kühlungseigenschaften des Ventilators ist der Neigungswinkel des Luftstroms entscheidend, damit dieser mindestens bis zur Bauchseite der Kuh herunterreicht. In der Praxis sind die Neigungswinkel meistens zu gering, sodass viel Luft über dem Tierbereich hinwegweht. Die Ventilatoren sollten abhängig von ihrem Leistungsspektrum entlang der Liegeboxenreihen in einem Abstand von ca. 10 bis 15m eingebaut werden. Wichtig: Horizontal-Ventilatoren mit einem Winkel von 15 bis 25° nach vorne neigen, um die nötige Luftgeschwindigkeit im Tierbereich zu erhalten.
Der optimale Neigungswinkel sollte vor Ort unter Zuhilfenahme einer Rauchkanone ermittelt werden. Die Ventilatoren müssen auf die Liegeflächen gerichtet sein, nicht auf Laufgänge oder den Futtertisch, denn das erschwert die Entmistung (Abtrocknung) oder trocknet das Futter ab! Um die Futteraufnahme zu erhöhen, kann aber auch über Ventilatoren entlang des Fressgangs nachgedacht werden. Besteht die Möglichkeit, die erste Ventilatoren-Reihe in die Giebelwand einzubauen, kann zusätzlich von außen Frischluft in den Stall eingebracht werden.
Kuhduschen
Wasserverneblung kann den Kühe - richtig auf die örtlichen Gegebenheiten abgestimmt und eingestellt - zusätzliche Entlastung im Sommer verschaffen.
(Bildquelle: Stöcker-Gamigliano, Landwirtschaftsverlag GmbH)
Durch gezieltes Verdunsten von Wasser unmittelbar auf die Kuh kann diese direkt gekühlt werden. Der begrenzende Faktor ist bei Kuhduschen die Luftfeuchtigkeit im Stall. Denn eine Kuhdusche erhöht die Luftfeuchtigkeit weiter, was wiederum die Wärmeabgabe der Kühe einschränkt. Zudem kann ein Anstieg der Luftfeuchte auch ein Hygieneproblem nach sich ziehen. Deshalb muss auf einen ausreichenden Luftaustausch geachtet werden. Ab 70% Luftfeuchtigkeit ist die zusätzliche Abkühlung durch Wasserverdunstung nur sehr gering, weshalb eine Steuerung die Kuhduschen dann deaktivieren sollte.
Wichtig ist also dafür, dass sich der Aufwand und die Investition in eine Wasserverneblung lohnen, dass diese in Kombination mit ausreichend Ventilation und Luftaustausch (viel Zu- und Abluftfläche!) erfolgt, und diese in Intervallschaltung gut aufeinander sowie auf die Umgebungsluftfeuchte abgestimmt sind.
Das Anbringen einer einzelnen Kuhdusche im Auslauf kann bei nicht ausreichendem Luftaustausch im Stall deshalb die bessere Alternative sein. Sie ergibt aber nur Sinn, wenn der Laufhof beschattet ist. Ansonsten werden sich im Sommer dort keine Tiere aufhalten. Die Wirksamkeit von einzelnen Kuhduschen mit großen Tropfen ist eher gering, da nur ca. 30% der Kühe diese freiwillig nutzen.
Wenn es nicht reicht: Wände öffnen?
Ohne ausreichende Öffnungen zur Außenluft wird es schwer, den angestrebten Luftaustausch im Stall im Sommer zu erreichen – egal ob mit Ventilatoren oder einer Schlauchbelüftung! Deshalb Seitenwände und Decken sowie Tore im Sommer öffnen. In älteren Stallgebäuden können unter Berücksichtigung der Statik oftmals noch geschlossene Wände gegen Curtainsysteme ausgetauscht werden. Diese Eingriffe sollten gut durchdacht werden, damit die Tränken und Melktechnik im Winter betriebssicher sind.
Zusätzlich können Ventilatoren eingesetzt werden, die eine hohe Luftmenge umsetzen. Gegebenenfalls bestehende Ventilatoren können durch neue Modelle ausgetauscht werden. Und nicht vergessen: Bestehende Ventilatoren optimal ausrichten!
Was kostet die Ventilatoren-Kühlung?
Der Einsatz von Ventilatoren kostet ca. 25 bis 35€ je Kuhplatz und Jahr, dabei ist die große Variable der Strompreis. Die Zahlen zu laufenden Kosten sind schwer zu erheben, da die Laufzeit entscheidend ist. Zudem ist der Wartungsaufwand zu beachten.
Die Hitzestress-Situationen werden sich voraussichtlich auch in unseren gemäßigten Klimazonen in den nächsten Jahren weiter verschärfen. In Klimatechnik zu investieren und bauliche Gegenmaßnahmen zu ergreifen ist sinnvoll, um die Hitzebelastung der Tiere im Sommer zu lindern. Die Kühe werden es Ihnen danken.