Was Dorothee und Christian Schlüter, Milcherzeuger aus Preußisch Ströhen (NRW), in den vergangenen sieben Jahren auf die Beine gestellt haben, zeugt von unerschütterlichem Optimismus und Unternehmergeist. Denn sie starteten neu auf dem elterlichen Betrieb der Milcherzeugerin mit Kühen. „Nebenbei“ bekamen sie in dieser Zeit auch vier Kinder. Was trieb die beiden an, solch ein Risiko einzugehen?
Nach dem Quotenende durchstarten?
„Bis 2008 haben meine Eltern noch in einer GbR 80 Kühe gemolken. Allerdings standen damals schon keine Kühe bei unserem GbR-Partner“, erzählt Dorothee Schlüter rückblickend. Da Dorothee aber eine berufliche Alternative gefunden hatte, wurde entschieden, den Betrieb mit den 1.300 Mastschweinen und dem Ackerbau weiterzuführen.
„Ich habe aber immer ein bisschen damit gehadert, dass ich diejenige war, die letztendlich die Kühe vom Hof gegeben hat.“ Schon als sie Christian im Jahr 2009 kennenlernte, habe sie mit ihm diskutiert, ob es nach dem Quotenende nicht möglich wäre, einen Stall zu bauen und wieder Kühe auf den Hof zu holen.
Nie Gedanken über das „Ob“
Zunächst stand das aber nicht ernsthaft zur Debatte, denn Christian Schlüter führte zu dem Zeitpunkt bereits erfolgreich einen Milchkuhbetrieb mit 180 Kühen am anderen Ende von NRW, im 180 km entfernten Südlohn.
Warum also sollte man woanders neu starten, wenn bereits eine große Herde erfolgreich läuft?
„Der alte Standort in Südlohn ist ausgereizt. Wir können da natürlich noch weiter erfolgreich Milch produzieren und tun das auch. Etwas weiterzuentwickeln oder gar neu anzufangen ist dort aber kaum möglich“, begründet Christian Schlüter ihre Überlegungen. Außerdem sei die Flächenausstattung auf ihrem jetzigen Betrieb deutlich besser. „Als Redakteurin beim Elite Magazin, bei dem ich damals arbeitete, habe ich viele tolle Betriebe gesehen. Das hat die Idee weiter angefacht, noch mal zu starten“, erklärt die Milcherzeugerin.
Uns war es wichtig, klare Strukturen zu schaffen
Christian Schlüter
Ausschlaggebend waren aber zwei Dinge. Ohne Dorothees Eltern hätte es nicht geklappt. Sie haben beide von Anfang an nicht nur ihr Vertrauen bei der Investition ausgesprochen, sondern sie unermüdlich bei sämtlichen gesamtbetrieblichen Arbeitsabläufen unterstützt.
Zum anderen konnte sich Christians Schwester vorstellen, an seiner Stelle die 180 Kühe in Südlohn zu managen. Damit fiel der Startschuss an Dorothees Standort zu bauen.
Nicht reibungslos
Ganz so schnell, wie die beiden gehofft hatten, ging es aber nicht. Denn die Baugenehmigung zog sich über fast 1,5 Jahre hin. Immer wieder kamen neue Anforderungen der Behörde. „Ich habe manchmal gezweifelt, ob wir die Genehmigung bekommen“, sagt Dorothee Schlüter ehrlich. „Aber Christian hat seinen Optimismus nicht verloren.“
Sich entmutigen zu lassen, dass kam für den Betriebsleiter damals zu keiner Zeit infrage. „Ich bin von Anfang an nicht davon ausgegangen, dass alles sofort funktioniert. So gehe ich an neue Aufgaben nicht heran. Deshalb hat es mich nicht aus der Bahn geworfen, als die Baugenehmigung so zäh lief“, erklärt Christian Schlüter. Im Jahr 2016 konnten Schlüters dann endlich die neue Siloanlage bauen, in den ersten Stallabschnitt zogen sie Weihnachten 2017 ein und ein Jahr später wurde eine weitere Liegehalle des mehrhäusigen Stalls fertig.
Keine Experimente
Gedanken, ob sie es schaffen könnten das Ganze in die Tat umzusetzen, hätten sie beide nie gehabt. „Wir haben uns Gedanken gemacht wie, aber nicht ob wir es hinbekommen“, betont die Betriebsleiterin.
Dass eine solche Investition trotzdem mit großen Risiken verbunden ist, „das war uns natürlich klar“. Deswegen war es den Betriebsleitern wichtig, beim Stallbau und der Technik auf Bekanntes zu setzen.
„So war es uns zum Beispiel bei der Melktechnik wichtig, keine Experimente zu machen. Melkroboter fielen für uns raus. Wir sind keine Techniker. Wichtig für uns war es, klare Strukturen bei der Herdenführung und Fütterung zu schaffen“, erklärt Christian Schlüter. Sie entschlossen sich somit in einen 24er-Swingover-Melkstand zu investieren, denn Dorothee hatte hiermit bereits auf einem neuseeländischen Milchkuhbetrieb gemolken.
Schwer für einige Kühe
Zuerst starteten Schlüters mit 48 Kühen aus der Herde von Christians Schwester aus Südlohn. Anschließend kauften sie eine komplette Herde, Färsen von drei Betrieben und zwei durchselektierte Herden und einige Zeit später weitere 60 Kühe aus Südlohn hinzu.
Wir haben einfach Glück mit unseren Mitarbeitern
Dorothee Schlüter
Ganz ohne Folgen blieb die Herdenzusammenführung nicht. So litt zu Anfang die Eutergesundheit. Mortellaro trat auf. Doch klare Abläufe beim Melken und ein Klauenbad brachten hier Abhilfe. Auch bei der Fütterung knirschte es und es brauchte einige Zeit, bis die gewünschten Strukturen und Abläufe passten. Durch eine gute Beratung und u. a. durch den Einsatz von sauren Salzen wurde es Schritt für Schritt besser. „Nach einem Jahr kam dann der Wendepunkt“, so Dorothee Schlüter. „Die Kühen sahen wirklich gut aus, waren gesünder und die Leistung stieg.“
Viel Platz
Dass das Konzept der beiden Milcherzeuger erfolgreich ist, zeigen nicht zuletzt die Leistungskennzahlen der Kühe, die inzwischen bei dreimaligem Melken 13.200 kg Milch (3,80 % Fett, 3,46 % Eiweiß) erreichen. Für Christian Schlüter ist dafür aber vor allem der Kuhkomfort ausschlaggebend. „Jeder Kuh steht ein Fress- und ein Liegeplatz zur Verfügung, darauf achte ich“, so Christian Schlüter mit Nachdruck. Außerdem haben sie eine Färsengruppe eingerichtet und stallen die Kühe über die gesamte Laktation möglichst wenig um.
Mitarbeiter: Kein Problem
Aus der Melkstandgrube ist herzhaftes Lachen zu hören. Christian Schlüter steht im Melkstand und bespricht die nächste Melkschicht. „Über Mitarbeiter haben wir uns vor dem Stallbau keine großen Gedanken gemacht. Die Mitarbeiter sind uns irgendwie immer zugeflogen“, sagt Dorothee Schlüter und schmunzelt.
Schon vor dem Neubau stand der erste Mitarbeiter vor der Tür und fragte nach Arbeit. Und so habe sich das nach und nach einfach ergeben. Inzwischen arbeiten zwei Mitarbeiter Vollzeit und erledigen vor allem die Arbeiten rund um das Füttern, die Kälber und helfen beim Melken mit.
Ein weiterer Mitarbeiter, der vorher als Besamungstechniker gearbeitet hat, übernimmt auf dem Betrieb inzwischen stundenweise die Arbeiten im Bereich Fruchtbarkeit und Klauenpflege.
Vier Midijobber
Im Melkstand hat das Ehepaar zudem vier rumänische Mitarbeiter als Midijobber eingestellt. Die Melker kennen sich und machen untereinander aus, wer wann arbeitet. „Das nimmt uns viel Arbeit ab, denn das aufwendige Erstellen von Arbeitsplänen entfällt für uns.“
In der Ferienzeit sind die Melker allerdings alle zusammen in Rumänien. Das bedeutet für Schlüters ein paar harte Wochen. „Es ist nun mal ein Geben und Nehmen“, betont der Milcherzeuger und zuckt mit den Schultern.
Aber machen sich Schlüters keine Sorgen, dass die Mitarbeiter morgen schon woanders arbeiten könnten und sie von jetzt auf gleich wieder selbst 280 Kühe melken müssen?
Alicia und Jens haben vor zwei Jahren beschlossen, Eier, Milch und Fleisch von ihren Tieren in einem eigenen Hofladen zu verkaufen. Hat sich der Mut ausgezahlt?
„Unsere Mitarbeiter haben vor dem Brexit in Großbritannien gearbeitet und sind danach direkt mit der ganzen Familie hierhin gezogen. Wir hoffen deshalb, dass es sie von hier nicht wieder so schnell wegzieht“, sagt Christian Schlüter. Dass es in den vergangenen Jahren kaum Mitarbeiter-Fluktuation auf dem Hof Schlüter gibt, liegt aber vielleicht auch daran, dass sie sich hier um ihre Mitarbeiter kümmern.
So wohnt ein Mitarbeiter in einem nahegelegenen Haus von Schlüters. Auch bei der Wohnungssuche haben sie die Melker unterstützt.
Stillstand kommt nicht infrage
Der Betrieb und die Herde laufen wie am Schnürchen. Was sind da die nächsten Ziele? Dorothee Schlüter denkt kurz nach: „Jetzt ist es erst einmal schön, so wie es ist. Im Moment läuft es rund. Ich denke man muss auch mal innehalten und dankbar sein!“
Dennoch, ganz ohne Ziele, zumindest kleine, können die beiden Milcherzeuger nicht. So denken sie zum Beispiel über mehr Energieeffizienz bis hin zum autarken Milchkuhbetrieb nach.
Außerdem sind bei ihnen Gedanken um das betriebliche Handeln gegenüber den Verbrauchen aber auch gegenüber dem Klima immer präsent. „Für Christian kommt Stillstand nicht infrage“, sagt Dorothee Schlüter und lacht herzhaft.
Daniel Binzer ist früh in den Familienbetrieb eingestiegen und hat mit seinen Eltern einen neuen Kuhstall gebaut. Seine Zukunft sieht der 24-Jährige positiv.