Unterwegs

Der kalte Sprung in die Direktvermarktung

Alicia und Jens haben vor zwei Jahren beschlossen, Eier, Milch und Fleisch von ihren Tieren in einem eigenen Hofladen zu verkaufen. Hat sich der Mut ausgezahlt?

Eingeschweißte Würstchen, Hackfleisch, frische Milch. In bunten Paletten reihen sich weiße und braune Eier. „Besonders gerne werden die Burger-Patties gekauft“, sagt Jens Tofahrn, der gemeinsam mit seiner Freundin Alicia den Hofladen „Toffis Milchbar“ in der Nähe von Wipperfürth (NRW) betreibt. Das Fleisch von ihren Rindern haben sie erst seit Dezember im Sortiment.
„Ursprünglich wollten wir den Hofladen gar nicht so groß aufziehen“, erzählt sie mit Blick auf zwei neue Kühlautomaten, gefüllt mit ausgewählten, regionalen Produkten, die neben den Lebensmitteln vom eigenen Hof das Sortiment ergänzen. Hinter ihr steht eine Kühltruhe mit selbstgemachten Milcheis und Sorbet von einem benachbarten Milchkuhbetrieb.

Mit viel Liebe zum Detail: In „Toffis Milchbar“ kann rund um die Uhr eingekauft werden. (Bildquelle: Thiemann)

Von kleiner Idee zu großem Projekt

Dafür, dass das junge Paar eigentlich etwas Kleineres geplant hatte, haben sie einiges auf die Beine gestellt: Einen gepflasterten Parkplatz vor dem neuen Ladengebäude, Fahrradständer mit Lademöglichkeit für E-Bikes, Infotafeln an den Hühnermobilen. Auf der grünen Wiese vor dem Laden soll in Zukunft noch ein Klettergerüst für Kinder hinzukommen.
„Als wir uns entschieden haben, mit der Direktvermarktung zu beginnen, haben wir zuerst nach fertigen Gartenhütten gesucht“, erzählt Alicia. „Das war 2021 während der Corona-Zeit. Die Hütten waren so teuer, dass wir uns für die günstigere und nachhaltigere Variante entschieden haben, selbst einen Laden zu bauen.“

Bei dem Bau vom Hofladen haben sie so viel wie möglich selbst gemacht. (Bildquelle: Thiemann)

Zu der Zeit war das Paar gerade mal ein halbes Jahr zusammen. „Wir waren uns aber gleich sicher, dass das passt“, versichert Jens. Die Idee mit der Direktvermarktung schwirrte ihm schon länger im Kopf herum. „Ich wollte einfach Herr über meine eigenen Produkte sein“, sagt er.
Ich will Herr über meine eigenen Produkte sein!“
Jens Tofahrn
Am 10. April 2021 fand das Eröffnungsfest statt. „Es waren 1.000 Leute da. Mit so einem Ansturm hatten wir nicht gerechnet“, erinnert sich Alicia. Mit der Anzahl Kunden, die täglich im Hofladen einkaufen, ist das Paar bis heute sehr zufrieden. Nur der Verkauf der eigenen Milch könnte besser laufen. „Im Durchschnitt sind das etwa 40 Liter pro Tag. Das ist für den hohen Kostenaufwand den wir haben noch viel zu wenig“, sagt Jens Tofahrn. Denn für den Milchverkauf wurden beispielsweise extra zwei 200-Liter-Kühltanks und eine Spülstation angeschafft.

Neuer Betriebszweig für die gemeinsame Zukunft

Für den Hofladen ist vor allem Alicia zuständig. Sie befüllt die Regale, macht Bestellungen und die Buchhaltung. Vollzeit ist sie aber noch nicht dabei, da sie nebenbei noch ihr Studium in Lebensmittelchemie an der Universität in Bonn abschließt.

900 Hühner gibt es auf der Tofahrn GbR. (Bildquelle: Stracke)

Jens erledigt gemeinsam mit seinem Vater und einem festangestellten Mitarbeiter die Aufgaben im Kuhstall. „Ich habe schon im Kindergarten gesagt, dass ich Landwirt werden will“, sagt Jens. Mit 15 Jahren stand fest, dass er den Betrieb weiter führen möchte, woraufhin die Familie in die Zukunft investierte und einen neuen Kuhstall geplant hat.
2015 haben Torfahrns mit dem Bau begonnen und man sich für ein automatisches Melksystem entschieden. „Seitdem haben wir deutlich entspanntere Stallzeiten und sind viel flexibler“, sagt Jens. Ganz reibungslos verlief die Umstellung allerdings nicht. Zunächst brach die Leistung von zuvor 9.500 kg auf 8.500 kg ein. „Dabei hatten wir jetzt einen schöneren Stall mit mehr Platz und häufigeren Melkungen.“ Mittlerweile liegt ihr Durchschnitt bei 11.000 kg. Zuletzt wurde die Fütterung der Trockensteher angepasst - das brachte noch einmal einen ordentlichen Schub.

Die 150 melkenden Kühe werden seit 2016 automatisch von einem GEA Roboter in drei Melkboxen gemolken. Die Milchleistung liegt im Schnitt bei 11.000 kg. (Bildquelle: Stracke)

Eine Besonderheit auf dem Betrieb ist ein separater Zugang für Erstlaktierende vor den Melkrobotern. „So haben die jungen Kühe keinen Stress im Vorwartehof“, erzählt Jens. Ein großes Steckenpferd ist auch die Klauenpflege, die der junge Betriebsleiter selbst übernimmt.
„Es geht immer besser, aber jetzt läuft es bei uns schon sehr gut“, sagt Jens zufrieden. Für die Zukunft kann er sich vorstellen für die Trockensteher neu zu bauen. Die sind bisher noch im Altgebäude untergebracht.

Das Logo für den Hofladen hat eine befreundete Grafikerin entworden. (Bildquelle: Stracke)

Mehr Wertschätzung erfahren

Den kalten Sprung in die Direktvermarktung hat das Paar nicht bereut. „Es ist schön, den Kunden die Landwirtschaft näher zu bringen. Wir bekommen viel positives Feedback und die Leute sind begeistert“, sagt Alicia. Man selbst lerne dadurch die Arbeit mit den Kühen und Hühnern mehr zu schätzen. Das macht auch Jens am meisten Spaß bei der Arbeit: Das Leben der Tiere auf dem Hof mitzuerleben und zu sehen wie aus einer jungen Färse eine leistungsstarke Kuh wird.
Für die Zukunft können sie sich vorstellen, noch mehr aus der Milch zu machen - zum Beispiel eigenen Käse herzustellen. Und Alicia möchte das Marketing über Social Media noch ausbauen, um die Menschen in den sozialen Netzwerken in den Betriebsalltag mitzunehmen.

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