Im Jahr 2050 werden zehn Milliarden Menschen die Welt bevölkern. Diese ernähren zu können wird eine enorme Herausforderung, da die Ressourcen (Nutzfläche) auf unserem Planeten sind begrenzt. Wo soll die Nahrung für alle herkommen? Und wie kann zugleich der Klimaerwärmung gegengesteuert werden?
Zukunftsforscher gehen davon aus, dass selbst wenn Fleisch in größerem Umfang künstlich hergestellt und Insekten als Proteinquelle genutzt werden könnten, ohne eine intensive...
Im Jahr 2050 werden zehn Milliarden Menschen die Welt bevölkern. Diese ernähren zu können wird eine enorme Herausforderung, da die Ressourcen (Nutzfläche) auf unserem Planeten sind begrenzt. Wo soll die Nahrung für alle herkommen? Und wie kann zugleich der Klimaerwärmung gegengesteuert werden?
Zukunftsforscher gehen davon aus, dass selbst wenn Fleisch in größerem Umfang künstlich hergestellt und Insekten als Proteinquelle genutzt werden könnten, ohne eine intensive Fleisch- und Milchproduktion die Menschheit schon in einigen Jahren nicht mehr satt werden dürfte. Da alternative Proteine voraussichtlich nur 20 bis 25 % des globalen Bedarfs decken werden können, wird auch weiterhin tierisches Eiweiß, das neben essenzielle Aminosäuren, Vitamine und Mikronährstoffe liefert, benötigt.
Allerdings darf die Nachfrage nach Lebensmitteln nicht zu einer weiteren Ausbeutung der ohnehin knappen Ressourcen führen bzw. klimaschädlich ausfallen. Tierisches Eiweiß muss klimafreundlich(er), nachhaltig(er) erzeugt und produktiv(er) in der Nahrungskette verwendet werden. Dies ist eine Herausforderung, mit der sich auch die Milchbranche auseinandersetzen muss. Konkrete Themenfelder, die es in den kommenden Jahren zu bearbeiten gilt, um die Produktivität der Milchbranche weiter zu erhöhen und die Dekarbonisierung voranzutreiben sind nach Auffassung renommierter Experten …
- die Optimierung der Gesundheit der Kuhbestände und somit eine Erhöhung der Lebensleistung der Kühe
- die Optimierung des Futterbaus (Minimierung von Verlusten insbesondere der Silagebereitung, organische Düngung)
- die Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen (THG)
Mit Heilpflanzen gegen Entzündungen
Die Erhöhung der Lebensleistung der Milchkühe ist ein Hebel zur Senkung der gesamtbetrieblichen Treibhausgasemissionen (THGE). Denn je länger die Kühe einer Herde gemolken werden, desto weniger Rinder müssen für die Nachzucht bereitgestellt werden, desto weniger Futter wird benötigt, desto weniger THGE entstehen letztlich.
Turner Swartz von der Universität South Dakota wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass noch zu viele Kühe aufgrund subklinischer und klinischer Erkrankungen vorzeitig die Ställe verlassen, oft bereits während ihrer ersten Laktation. Hinzu kommt, dass durch Produktionserkrankungen im Herdendurchschnitt pro Kuh täglich zwei bis drei Liter Milch verloren gehen, denn oftmals sind zwischen 20 und 40 % der Kühe erkrankt.
Sein Tipp: den Teufelskreis von Stoffwechselstörungen und Infektionen, die sich gegenseitig bedingen, durchbrechen. Laut dem Fütterungsexperten kann hier die Fütterung phytogener Futtermittelzusatzstoffe etwas nachhelfen. Diese Zusatzstoffe werden u.a. aus Heilpflanzen gewonnen, die in der traditionellen chinesischen Medizin eingesetzt werden. So gelang z.B. kürzlich der Nachweis, dass mit Hilfe von Baikal-Helmkraut (Scutellaria baicalensis) die Eutergesundheit deutlich verbessern (geringerer Zellgehalt und Mastitisinzidenz) und die Milchleistung steigern (+ 13%) lässt. Ebenfalls positiv auf die Eutergesundheit ausgewirkt hat sich die Gabe von Aloe arborescens. Zudem verringerte Aloe die Stoffwechselbelastung (geringere NEFA- und BHB-Konzentration). Negative Auswirkungen von Hitzestress (geringere Atemfrequenz und Körpertemperatur) haben sich in Versuchen durch die Fütterung von aus der chinesischen Hasenohrwurzel (Radix Bupleuri) gewonnenen Extrakten mindern lassen.
Deshalb sei er zuversichtlich, dass künftig vielfach auf den Einsatz von Antibiotika und Hormonen verzichtet werden könne, erklärte Swartz. Zunächst müssten aber noch viele weitere Studien mit großen Tierbeständen durchgeführt werden, um die optimalen Anwendungsgebiete und Dosierungen zu definieren.
Zusatzstoffe, die nachweislich wirken
Tom Overton von der Cornell Universität forderte die Milcherzeuger auf, während der Transitperiode gezielt bestimmte Nährstoffe und Futtermittelzusatzstoffe zu ergänzen:
- Cholin (pansengeschützt) – hilft der Leber beim Fettexport und erhöht die Milchleistung
- Methionin (geschützte und analoge Formen) – erhöht die Milchleistung, verringert oxidativen Stress und verbessert die Immunität
- Chrompropionat – fördert den Energiestoffwechsel, die Immunfunktion durch einen Anstieg der Futteraufnahme und erhöht somit letztlich auch die Milchleistung. Zudem zytologische Endometritis,
- Hydroxy-Spurenelemente - diese helfen bei oxidativem Stress die Milchleistung und die Immunfunktion zu stabilisieren
- Monensin (400 mg/Tag vor der Geburt; 450 mg/Tag nach der Geburt) – verbessert die Propionatproduktion und fördert somit den Energiestoffwechsel bzw. wirkt der Entstehung einer Hyperketonämie entgegen
- Hefekulturen – verbessern die Pansenfunktion, fördern die Futteraufnahme und die Milchleistung.
Forschungsbedarf sieht Overton noch bei den nachfolgenden Lernfeldern:
- Mechanismen, die Futteraufnahme und den Proteinstoffwechsel in den ersten ein bis zwei Wochen nach dem Abkalben regulieren
- Beim Aminosäurebedarf der Kühe während der Transitphase aus (über Met und Lys hinaus)
- Welche Auswirkungen haben Entzündung? Lassen sich diese durch Fütterung und Management beeinflussen?
- Wie sehr sollte die DCAB vor der Kalbung zurückgenommen werden? Welcher Ca-Spiegel sollte vor der Abkalbung angestrebt werden?
- Spezifischen Rollen von Fettsäuren (insbesondere Omega-3-Fettsäuren) bei der Regulierung des Stoffwechsels
- Fütterungsspezifische Bedürfnisse junger Färsen vor ihrer ersten Kalbung im Vergleich zu den Kühen
Viele Silagen sind kontaminiert
Häufig unterschätzt in der Praxis werden Verluste bei Milchleistung, Probleme mit der Tiergesundheit, die durch die Fütterung verdorbene Silagepartien hervorgerufen werden. Nicht zu unterschätzen sind in diesem Zusammenhang die dadurch entstehenden Kosten. Betroffen sind in erster Linie Maissilagen, die je nach Witterung mehr oder weniger gerne „verpilzten“. Die Auswertungen von 474 Maissilageproben, von Beständen, die zwischen 2013 und 2021 geerntet in der EU hat wurde, haben ergeben, dass 72 % der Proben mit dem Toxin Zearalenon (ZEN) kontaminiert waren. Nur im Jahr 2015 ließ sich kein Zen nachweisen. Bei rund jeder dritten Probe (36 %) lag die ZEN-Konzentration über dem zulässigen max. Schwellenwert von 200 ppb.
Laut einer weiteren Studie finden sich auch in Grassilagen und Heu immer wieder Mykotoxine. Ein Viertel aller 289 Futterproben war mit ZEN und Fumonisin (FUM) kontaminiert, 15 % davon überschritten die max. zulässigen Grenzwerte. Oft werden Mykotoxine zudem auch durch das Kraftfutter in die Futtermischungen getragen. So ergab die Analyse von 569 TMR-Proben in 78 % der Fälle eine Kontamination mit Deoxynivalenol (DON), bei 60 % mit Zen und bei 57 % mit FUM. In 23 % der Proben wurde ein überhöhter Mykotoxin-Grenzwert ermittelt.
Bislang galt, dass Wiederkäuer häufig als resistent gegen Mykotoxine gelten, da diese im Pansen zerlegt werden. Neuere Forschungsergebnisse belegen jetzt aber, dass bestimmte Mykotoxine die Effizienz der Pansengärung beeinflussen. Die Verfütterung derart verpilzter Futterpartien bzw. Futtermischungen kann bei Rindern und Kühen zu nicht nur zu Leistungsdepressionen führen, sondern auch die Entstehung von Ovarial-Zysten (Stillbrunst) und Euterentzündungen. Zudem muss davon ausgegangen werden, dass die Mykotoxine den Darm (Durchfall) und die Leber schädigen bzw. in ihrer Funktionsweise einschränken. Sind ernst zu nehmen, denn laut neuen Forschungsergebnissen ist eine physiologische und immunologische Wirkung durchaus auch schon bei niedrigeren Werten zu beobachten (Unterhalb der offiziellen Schwellenwerte).
Maissilagen sind häufig kontaminiert
Kühe können das Klima abkühlen
Intensiv diskutiert wurde die Frage, inwieweit Rinder und Kühe zum Klimawandel beitragen. Frank Mitloehner von der kalifornischen Universität Davis, wies darauf hin, dass neue wissenschaftliche Berechnungen die bisherige Berechnungsmethode des globalen Erwärmungspotentials (GWP) von Methan zumindest in Frage stellen. Besser geeignet zur Berechnung des Einflusses von Methan im Verhältnis zu CO2 auf das Klima und somit zur Folgeabschätzung (Erderwärmung) geeignet sei das globale Temperaturänderungspotential (GTP). Laut der neuen Berechnungsmethode (GWP100)sind die klimatischen Auswirkungen der Viehhaltung nach weit geringer als bisher angenommen, da das bei Rindern entstehende Methan - im Vergleich zu Kohlendioxid (CO2)- eine deutlich geringere Wirkung als bisher angenommen auf die Klimaerwärmung hat. Demnach sei die Klimawirkung des Rindermethans bislang um das Zweifache überschätzt worden. Ohnehin sei von Experten schon länger darauf hingewiesen worden, dass Methan, das im Schnitt „nur“ zwölf Jahre in der Atmosphäre verbleibe, CO2 jedoch mindestens 1.000 Jahre. Wie Mitloehner weiter ausführte, kann schon eine 10 %ige Methan-Einsparung einen Kühleffekt auslösen. Bei einer 35 %igen Methan-Reduktion könnte dann sogar ein deutlicher globaler Kühleffekt eintreten. Konkret würde das bedeuten, dass die Milchbranche durch eine deutliche Reduktion des Methanausstoßes dazu beitragen kann, die Erde etwas abzukühlen. So werden Kühe zu Klimarettern!
Zusatzstoff reduziert Methan
Das ein solches Szenario (Reduktion des Methanausstoßes) vorstellbar ist, darauf haben mehrere der anwesenden Wissenschaftler hingewiesen. Sie berichteten, dass die Methanemissionen von Rindern und Kühen sich durch einen kürzlich zugelassenen Zusatzstoff reduzieren lassen (3-Nitrooxypropanol bzw. 3-NOP). Der Futtermittelzusatz (firmiert unter der Handelsbezeichnung Bovaer) ist mittlerweile in der EU und in der Schweiz zugelassen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bestätigte in einer wissenschaftlichen Studie die Wirksamkeit des neuen Futtermittelzusatzes bezüglich Methanemissionsreduktionen.
Je nach Dosis (empfohlen wird ¼ Teelöffel pro Kuh und Tag) kann dieser Zusatzstoff die Methanemissionen effektiv um 22 bis 35 % reduzieren. Wie? Im Pansen bauen Mikroorganismen faserhaltige Futtermittel ab, wobei sie Wasserstoffgas und CO2 freisetzen. Ein Enzym verbindet diese beiden Gase zu Methan, welches Kühe dann ausstoßen. Mit einem Viertel Teelöffel Bovaer täglich in der Ration soll jedes Jahr die Methanmenge von einer Tonne CO2-Äquivalent einsparen lassen.
Auswirkungen bei der Fütterung von Bovaer auf die Milchleistung wurden in wissenschaftlichen Studien bislang nicht beobachtet, hingegen haben in einigen Versuchen die Kühe weniger Trockenmasse aufgenommen, wodurch sich die Futtereffizienz um bis zu 4 % verbessert hat. Inzwischen wurde auch in weidebasierten Systemen bei Fütterung von 3-NOP gemessen. Aufgrund der beeindruckenden Ergebnisse legen erste in Frankreich und in den Niederlanden angesiedelte Molkereien zwischenzeitlich ihren Milchlieferanten die Fütterung des Futterzusatzstoffes ans Herz. Sie hoffen damit, ihren CO2-Fußabdruck senken zu können.
Boaver senkt den Methan-Ausstoß
Transparenz-Hinweis: Die Reisekosten und die Gebühren der Kongressteilnahme hat DSM-Firmenich übernommen.
Die Verdaulichkeit der Grundfuttermittel entscheidet maßgeblich über die Futteraufnahme und Milchleistung. Ein früher Erntezeitpunkt bei Mais und Gras ist wichtig.
Es gibt durchaus wirksame Maßnahmen in der Fütterung, um den Methanausstoß zu senken. Was sie im Einzelnen bringen können und was bei der Umsetzung abzuwägen ist.