In Süddeutschland laufen derzeit mehrere Initiativen und Programme, um Bullenkälber aus der Milchviehhaltung künftig in der Region mästen zu können. Ziel ist gleichzeitig eine höhere Wertschöpfung für die Tiere.
Wie lassen sich regionale Vermarktungsstrukturen für Kälber aufbauen, um lange Transporte zu vermeiden? Und wie wird die regionale Fleischqualität besser honoriert? Mit dieser Frage beschäftigen sich derzeit Milcherzeuger, Bullenmäster, Viehhändler und Schlachtunternehmen bundesweit. Bisher gibt es vor allem in der Biofleischerzeugung einzelne Ansätze in dieser Richtung, jetzt gibt es erste Erfolge mit konventionellen Programmen für größere Tierzahlen.
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Wie lassen sich regionale Vermarktungsstrukturen für Kälber aufbauen, um lange Transporte zu vermeiden? Und wie wird die regionale Fleischqualität besser honoriert? Mit dieser Frage beschäftigen sich derzeit Milcherzeuger, Bullenmäster, Viehhändler und Schlachtunternehmen bundesweit. Bisher gibt es vor allem in der Biofleischerzeugung einzelne Ansätze in dieser Richtung, jetzt gibt es erste Erfolge mit konventionellen Programmen für größere Tierzahlen.
Über 100 € mehr pro Bulle
So honoriert beispielsweise das neue Vermarktungsprogramm „Müllers Land Rind“ für Jungbullen der Müller-Gruppe im süddeutschen Birkenfeld neben der Einhaltung der Kriterien der ITW-Haltungsform 2 sowie QS auch die Regionalität. Die Schlachttiere müssen eine zwölfmonatige Mast in Bayern oder Baden-Württemberg aufweisen. Die Schlachtung erfolgt im jeweils nächstgelegenen Schlachthof der Müller-Gruppe. „Wer ab Kalb selbst mästet, sollte schon früh die Voraussetzungen schaffen, um die Zuschläge zu erhalten“, riet Dr. Holger Mathiak von der KälberKontor Süd GmbH bei einer online-Tagung des LAZBW Aulendorf zum Thema: „Regionale Vermarktungsmöglichkeiten von Bullenkälbern aus Milchviehbetrieben“.
Holger Mathiak
Geschäftsführer KälberKontorSüd
Die Bullenkälber gelangen mit vier bis sechs Wochen ins Programm und sollten gut bemuskelt sein. Neben Fleckvieh und Fleischrassen werden auch Fleckvieh-Kreuzungen mit Fleischrassen akzeptiert. Die Fütterung der Tiere mit gentechnisch unveränderten Futtermitteln (VLOG-Zertifizierung) wird den Betrieben optional eingeräumt.
Laut Dr. Holger Mathiak von der KälberKontorSüd GmbH sind derzeit Zuschläge zwischen 0,23 ct und 0,28 ct pro kg Schlachtgewicht zu erzielen. „Bei einem Schlachtgewicht des Bullen von 430 kg sind das 98,90 bis 128,80 €“, rechnet Dr. Mathiak vor. Als Grundlage diene jeweils die wöchentliche Notierung. Tiere unter 18 Monaten bekommen zudem einen Bonus von 0,13 €/kg. Mit zunehmendem Alter entsprechend weniger. Gefragt sind U2/3 und R2/3 Schlachtkörper.
100 bis 120 Bullen pro Woche
Das Programm läuft seit Sommer 2021 im LEH und habe sich laut Dr. Mathiak bereits etabliert. „Die Nachfrage ist gut. Wir schlachten sehr verlässlich an zwei Schlachttagen die Woche über 100 Bullen.“ Allerdings steigere der LEH bereits den Druck, bald Tiere mit Haltungsform 3 zu liefern.
Attraktiv ist das Programm vor allem für Milchviehbetriebe im Süden, die ihre Bullenkälber selbst ausmästen. Denn die Kälber in der Kette seien selbst nicht mit einem Mehrwert versehen, allerdings unterliegen sie auch keinen gesonderten Haltungsauflagen. „Ziel des Programmes ist in erster Linie, dass wir die Kälber in der Region halten.“ Eine Auswertung ergab, dass allein aus Baden-Württemberg zwei Drittel der jährlich in Milchviehbetrieben erzeugten Kälber zur Mast in andere Bundesländer (Niedersachsen, NRW) oder ins Ausland gehen. „Eins steht fest: Wenn wir hier regionale Maststrukturen aufbauen wollen, müssen die Erlöse gerecht verteilt sein“, fordert der Experte. Die größte Herausforderung für die teilnehmenden Betriebe seien bisher die bürokratischen Hürden, die nötige Dokumentation und dass ein gesondertes Audit erforderlich sei.
Wenn wir hier regionale Maststrukturen aufbauen wollen, müssen die Erlöse gerecht verteilt sein.“
Dr. Holger Mathiak
EdekaSüdwest plant Hofglück-Programm für Rinder
Auf Kälber bzw. Mastrinder aus regionalen Milchviehbetrieben will auch Edeka Südwest ihr bereits bei Schweinefleisch bekannte „Hofglück“-Premiumprogramm ausdehnen. Derzeit würden laut dem Unternehmen die Möglichkeiten dazu sondiert, detaillierte Informationen seien aktuell noch nicht möglich. Man stehe diesbezüglich mit den Projektpartnern sowie interessierten Milchviehbetrieben im Austausch.
Die Ansprüche an die Mast von Färsen und Ochsen werden vermutlich wie bei Schweinefleisch recht hoch sein. Gefordert sein wird demnach ebenso wie bei Schweinen die Haltungsform 4 und dass die Tiere im Einzugsgebiet von Edeka Südwest geboren, aufgezogen, gemästet und geschlachtet (gagg) werden müssen. Die Produkte von Hofglück sind bisher mit dem Premium-Tierschutzlabel des Deutschen Tierschutzbundes gekennzeichnet. Nach ersten Verlautbarungen aus der Branche sollen die Fleckvieh-Kälber für das Hofglück-Programm 12 bis 14 Wochen alt sein und bis zur 12. Woche mit Vollmilch oder MAT getränkt worden sein. Bei der Ankunft beim Mäster sollen sie nicht älter als sieben Monate sein dürfen, wobei dieser nicht weiter als vier Stunden und max. 200 km entfernt sein darf. Auch die Erzeugerpreise sind derzeit noch offen.
Gesucht sind Vermarktungskonzepte sowohl für konventionelle Kälber als auch Biokälber, die regionale Herkunft mit Tierwohl, Fleischqualität und Wirtschaftlichkeit verbinden.
(Bildquelle: Lehnert, Silvia)
Neues EIP-Projekt sucht Betriebe
Die gesamte Wertschöpfungskette in ein regionales Vermarktungskonzept für nicht abgesetzte Milchviehkälber einbinden und mit Regionalität und Tierwohl höhere Erlöse generieren, will auch das neue „EIP-Projekt: Milchviehkälber“. „Unser Ziel sind Abnahmeverträge in den Haltungsstufen 3 & 4 mit Liefermenge, Festpreis und/oder Aufschlag für in Baden-Württemberg aufgezogene und gemästete Rinder mit Kälbern aus der Milchviehhaltung“, erklärt Anja Heitmann, die das Projekt für die AgriConcept Beratungsgesellschaft bmH betreut. Man wolle einen Dialog zwischen den Milchviehhaltern, den Mastbetrieben, den Vermarktern, den Schlachtbetrieben und dem LEH anregen und langfristig eine ständige Kommunikationsschiene aufbauen. Im Boot sind bereits namhafte Partner wie Denkavit, Ulmer Fleisch, Vion, Edeka Südwestfleisch, Mega oder die Schwarzwaldmilch und Zimmermann Stalltechnik. Aktuell werden teilnehmende Betriebe gesucht.