In den Medien wird immer wieder über die „Nahrungskonkurrenz“ zwischen Menschen und Nutztieren berichtet. Deshalb sind wir der Frage nachgegangen, wie diese Konkurrenz zwischen Milchkühen und menschlicher Ernährung tatsächlich aussieht.
Wiederkäuer können aufgrund ihrer Mikroorganismen im Pansen beachtliche Mengen an zellulosereichem Material verdauen. Das ist dem Menschen nicht möglich. Kühe stellen deshalb nur eine geringe Konkurrenz um die Nahrung des Menschen dar. Dieses bedeutet aber nicht, dass Kuhmilch zu 100 % aus für den Menschen nicht verdaubarem Futter erzeugt wird. Hier kommt es sehr auf die Art der Fütterung der Milchkühe an und diese steht in engem Zusammenhang zu deren Milchleistung.
Einige Milcherzeuger möchten unabhängiger von ihren Zukaufsfuttermitteln werden. Wir haben nach verschiedenen Strategien dafür gefragt.
Beispielrationen für Milchkühe
Eine Kuh mit einer Tagesmilchleistung von 20 kg beispielsweise könnte ausschließlich mit einer sehr guten Grassilage (6,3 MJ NEL/kg TM) versorgt werden. Diese Ration bestünde dann zu 100 % aus Futter, das der Mensch nicht essen würde bzw. nicht verdauen könnte.
Eine Kuh mit einer Milchleistung von 31 kg (4 % Fett, 3,4 % Eiweiß) am Tag müsste jedoch mehr Futter und auch Kraftfutter fressen. Wie groß hier die mögliche Nahrungskonkurrenz wäre, dazu wurde im Folgenden eine Bespielration (Schleswig-Holstein, maisbetont) erstellt, siehe Übersicht 1.
Für die Beispielrechnung wird unterstellt, dass eine Milchkuh durchschnittlich 31 kg je Tag an Milch gibt, 60 Tage trockensteht, davon 46 Tage in der Früh-Trockenstehphase und 14 Tage in der Vorbereitergruppe.
Die Futterration für die Früh-Trockenstehphase besteht hauptsächlich aus Grassilage, etwas Stroh und einem Trockenstehermineral. Die Ration für die Vorbereiter ist in Anlehnung an die Ration für die laktierenden Kühe zusammengestellt (Übersicht 2).
Sieben Tonnen Futter-Trockenmasse
Daraus ergibt sich eine Futtermenge von 7,03 Tonnen, die die Kuh im Jahr an Trockenmasse frisst. Diese besteht zu 70,1 % aus Grundfutter Gras-, Maissilage und Stroh, 29,0 % aus Kraftfutter und 0,9 % aus Mineralfutter (Übersicht 3).
Werden nun die von der Kuh aufgenommenen Mengen aller Futtermittel mit deren Eiweißgehalten (XP-Gehalt) multipliziert, ergeben sich als Jahresverbrauch 1,04 Tonnen Eiweiß je Kuh.
Futtermittel: Nicht alle sind für den menschlichen Verzehr geeignet
Ausgehend von den erstellten Rationen wurden die verwendeten Futtermittel nach ihren Einsatzmöglichkeiten für die menschliche Ernährung beurteilt:
- Bei der Maissilage kann unterstellt werden, dass die Maiskörner vom Menschen verdaut werden können, die Lieschblätter und die Spindeln sowie die gesamte Restpflanze aber nicht. Überschlägig sind damit mindestens 50 % der Maispflanze vom Menschen nicht verzehrbar.
- Die Grassilage und das Getreidestroh stellen keine für den Menschen nutzbaren Nahrungsmittel dar.
- Die Komponenten Roggen und Körnermais bestehen zum größten Teil aus Stärke, die zu 100 % mittels körpereigener Enzyme vom Menschen verdaut werden können.
- Trockenschnitzel sind ein Nebenprodukt aus der zuckerverarbeitenden Industrie. Nach der Zuckergewinnung bleiben nur die faserhaltigen Bestandteile (Zellwandbestandteile) der Zuckerrübe übrig. Diese Schnitzel werden für die menschliche Ernährung nicht genutzt.
- Raps wird nicht primär für die Verfütterung an Tiere angebaut. Als Nebenprodukt der Ölverarbeitung entsteht faserhaltiges Rapsextraktionsschrot, welches nicht der menschlichen Ernährung dient.
Verlustarm füttern bleibt ein Schlüsselfaktor, um hohen Kraftfutterkosten entgegenzuwirken. Wir zeigen anhand eines Milchkuhbetriebes, wie das gehen kann.
Eiweißlieferung für die Milchkuh
Ausgehend von diesen Einschätzungen wird für die folgende Berechnung unterstellt, dass die Eiweißmenge, welche die Kuh über die Komponenten Roggen und Körnermais aufnimmt, ebenfalls vom Menschen direkt nutzbar wäre.
Bei der Maissilage wird unterstellt, dass 50 % der damit gelieferten Eiweißmenge vom Menschen verzehrbar wäre, nämlich über die Maiskörner. Damit sind von den von der Kuh benötigten 1,04 Tonnen Eiweiß im Jahr insgesamt 898 kg, also 86 %, nicht vom Menschen nutzbar.
Erzeugte Menge an tierischem Eiweiß
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass 14 % der gefressenen, pflanzlichen Eiweißmenge, also 142 kg, direkt vom Menschen verzehr- und damit nutzbar wäre. Dieser pflanzlichen Eiweißmenge steht jedoch wiederum eine mehr als doppelt so hohe Menge an Milcheiweiß gegenüber, die die Kuh daraus erzeugen könnte.
Bei der bereits oben erwähnten Beispielkuh, die 305 Tage im Jahr täglich 31 kg Milch mit 3,4 % Milcheiweiß liefert, ergeben sich nämlich 321,5 kg hochwertiges, menschlich nutzbares Milcheiweiß pro Jahr. Das entspricht einem Verhältnis von 1:2,26 (Pflanzen-: Milcheiweiß).
Hohe Preise für Eiweißfuttermittel werfen die Frage auf, ob sich jetzt die heimischen Körnerleguminosen stärker durchsetzen.
Auch die Fleischmenge muss berücksichtigt werden
Ferner muss ebenfalls noch die von der Kuh bereitgestellte Fleischmenge berücksichtigt werden. Die folgende Beispielrechnung verdeutlicht dies.
- Für die Berechnung wird von einer dreijährige Nutzung der Milchkuh und einer Lebensleistung von 28.000 kg Milch ausgegangen. Außerdem wird unterstellt, dass die Kuh drei Kälber hat.
- Die Milchkuh wiegt am Laktationsende 700 kg.
- Bei einer unterstellten Ausschlachtung von 49 % ergeben sich 343 kg Schlachtgewicht. Würde dieses der Menge an Fleisch gleichgesetzt werden, ergeben sich 13 g Fleisch, die je Kilogramm verkaufter Milch von der Kuh – quasi als Koppelprodukt – zusätzlich erzeugt werden. Rindfleisch enthält bis zu 22 % Eiweiß, das, ebenso wie Kuhmilch, eine für den Menschen sehr hohe Qualität aufweist.
Fazit: Kühe produzieren aus faserhaltigen Komponenten hochwertiges Eiweiß
Die Berechnungen stellen lediglich Beispielrechnungen dar, da sie auf zahlreichen Annahmen basieren (Leistung, Futtergrundlage und Rationsgestaltung der Kühe). Auch war bei der Berechnung klar, dass Grassilage nicht ausschließlich vom Dauergrünland erzeugt wird, sondern auch vom Ackerland, so dass hier bei einer Nutzungsänderung ebenfalls Früchte angebaut werden könnten, die direkt der menschlichen Ernährung dienen können.
Aber: Dennoch bleiben bei zahlreichen angebauten Kulturen, wie z. B. Getreide oder Mais immer auch größere Mengen an faserhaltiger Pflanzensubstanz übrig, die eben nur Pflanzenfresser und insbesondere Wiederkäuer veredeln können, ganz zu schweigen von Grünlandflächen.
Auf Gut Hülsenberg werden Fütterungskonzepte getestet. Wie schafft man es unter Versuchsbedingungen eine alte, gesunde und leistungsstarke Herde zu halten?
Milchkühe erzeugen aus faserhaltigen Komponenten und deren Protein, welches eben nicht direkt vom Menschen nutzbar ist, Eiweiß höchster Qualität in Form von Milch und Fleisch, das der menschlichen Ernährung dient.
Bei praxisüblicher Fütterung von Milchkühen ergibt sich, dass diese aus einem Gramm menschlich verzehrbarem pflanzlichen Eiweiß mehr als doppelt so viel tierisches, für den Menschen hochwertiges Eiweiß erzeugen.