Langsam setzt sich die Kuh mit dem weißen Kopf und der roten Halsbandnummer 8080 in Bewegung. Läuft, ohne sich von anderen Kühen ablenken zu lassen, durch den Wartebereich und betritt die Melkbox. Orla, so ihr Name, ist der Prototyp der Hülsenberger Milchkuhherde. Sie ist gesund, leistungsstark und hat es somit schon mit der fünften Laktation geschafft, die 100.000 kg Marke zu knacken!
Aber Orla ist nicht die einzige Kuh der 220-köpfigen Herde mit beeindruckenden Zahlen. Insgesamt erreichen die abgegangenen Kühe im abgeschlossenen LKV-Jahr 55.868 kg ECM bzw. eine Lebenstagsleistung von 22,5 kg ECM. Auch die Tiergesundheit passt. Das zeigt z. B. die Zellzahl im MLP-Jahresdurchschnitt von nur 124.000 pro ml Milch oder die Remontierungsrate von lediglich 15 %.
All diese Kennzahlen sind umso beachtlicher, da auf Gut Hülsenberg regelmäßig neue Fütterungskonzepte, aber vor allem neue Produkte getestet werden, die von Siliermitteln, Mineralfutter bis hin zu Kälbertränke reichen. Wie schafft man es unter diesen Bedingungen die Milchkuhherde konstant auf einem solch hohen Niveau zu halten?
Was sagen die Kühe?
Auf den ersten „Besucherblick“ fällt auf, dass Gut Hülsenberg anders ist als andere Milchkuhbetriebe. Denn hier ist fast alles in doppelter und dabei nahezu identischer Ausführung vorhanden, z. B. die Silo- oder die Biogasanlagen. Auch der Transitbereich umfasst zwei parallele Testgruppen.
Betritt man den Futtertisch des Milchkuhstalls, sieht jedoch alles vertraut aus wie in anderen Ställen auch: Der Laufstall besteht aus einem Zweireiher mit insgesamt vier Melkrobotern. Die Kühe sind in eine Färsengruppe und zwei Gruppen mit ca. 50 Kühen aufgeteilt. Im vierten Roboter werden eine weitere Gruppe mit 30 Kühen und zwei Fütterungsgruppen mit je acht bis zehn Frischmelkern aus dem Stroh-Transitstall gemolken. Hier scheint also nichts außergewöhnlich zu sein, woher kommen dann die guten Zahlen?
„Wir müssen ganz nah dran sein an der Herde und der Ration“, das ist für Geschäftsführer Götz Resenhoeft einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren. Nicht nur für die Tests, sondern auch für die optimale Versorgung der Kühe, werden tagtäglich große Datenmengen erfasst und ausgewertet. Das ermöglicht außerdem ein schnelles Handeln, z. B. wenn die Kühe mit Leistungsdepressionen auf Futterumstellungen reagieren.
„Zuerst einmal schauen wir, was die Kuh uns sagt, so können wir schnell erkennen, ob ein neues Produkt funktioniert“, erklärt Dr. Ewald Kramer (ISF Schaumann Forschung, Siliermittel). Er ist u. a. für die Entwicklung der Herde zuständig, wie z. B. Rationszusammenstellung oder Anpaarung, außerdem sorgt er für die korrekte Umsetzung der Fütterungstests. Dafür wird täglich neben der Wiederkauaktivität auch die TM-Aufnahme der Kuhgruppen kontrolliert. Daneben nutzen die Hülsenberger beispielsweise die in der Melkbox integrierte Waage, um die Gewichtsentwicklung der Kühe vor allem zu Laktationsbeginn im Auge zu behalten.
Kontinuierliche Rationskontrolle
Neben den tierbezogenen Daten, wird im Wesentlichen die Qualität des Grundfutters und die Fütterung an sich überwacht. Denn nur wenn die Ration eine konstant hohe Qualität aufweist, lassen sich die Einflüsse der zu untersuchenden Futtermittelkonzepte auch klar erkennen.
So werden täglich Mischgenauigkeit und Restfutter erfasst: „Wir streben eine Restfuttermenge von 3 bis 5 % an“, erklärt Ewald Kramer. Daneben bestimmen die Mitarbeiter wöchentlich den TM-Gehalt der Futtermittel, außerdem wird eine Analyse der Grundfuttermittel im ansässigen Labor der ISF Schaumann Forschung vorgenommen.
„Für uns sind nicht nur die Inhaltsstoffe wichtig, wir streben auch eine top Gärqualität und einen einwandfreien mikrobiologischen Status der Silagen an“, ist Ewald Kramer überzeugt. Durch die wöchentlichen Analysen kann er die Ration zeitnah anpassen. „Extreme Veränderungen nehmen wir nicht vor. Für uns ist eine konstante Rationszusammensetzung am Futtertisch entscheidend, um die Kühe am Laufen zu halten.“
Ein großzügig kalkulierter Futterrest kann die Futteraufnahme von Kühen positiv beeinflussen. Viel Rest bedeutet aber auch mehr Kosten und Arbeitsaufwand!
Grundfutter muss top sein
Und hochwertige Silagen verfüttern sie auf Gut Hülsenberg. So wies z. B. der zweite Schnitt einen Energiegehalt von 6,48 MJ NEL und einen Eiweißgehalt von 21,46 g XP/kg TM auf. Mit diesen Qualitäten erreichen sie Grundfutterleistungen zwischen 6.000 und 7.000 kg. Trotz der stabilen Silagen werden das ganze Jahr über konservierende Säuresalze in der Ration eingesetzt, „wir wollen jegliches Risiko vermeiden“, so Ewald Kramer. Dadurch ist es auch möglich, die Trockensteherrationen nur dreimal wöchentlich anzumischen, ohne dass die Qualität leidet.
Ein reges Kommen und Gehen herrscht vor den Melkrobotern in den vier Gruppen. Dass die Fütterung funktioniert zeigt nicht nur die Leistung der Tiere, sondern überdies ihre deutliche Laufbereitschaft. Denn die einzelnen Roboter sind mit 2.000 bis 2.300 kg Milch pro Tag extrem gut ausgelastet. Auch der Anteil der Kühe, den die Mitarbeiter täglich holen müssen, liegt bei weniger als 5 %.
Ruhe und Konstanz
Lautes Rascheln von Einweg-Überziehschuhen ist auf dem Futtertisch zu hören. Die Färsen fressen und kauen weiter. Kein Kopf schnellt in die Richtung der Besucher. Auch die jungen Hülsenberg-Kühe bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Und das, obwohl Besuchergruppen und Fortbildungen von Außendienstmitarbeitern an der Tagesordnung sind.
Sicherlich haben sich die Kühe daran gewöhnt, aber auch der Umgang mit den Kühen trägt zur ruhigen Atmosphäre bei. Dazu gehört, die Kühe so wenig wie möglich Stress auszusetzen. Die Kühe bleiben deshalb, wenn möglich, in konstanten Gruppen. Frischmelker werden, sofern umsetzbar, nach der Kalbung wieder in dieselbe laktierende Gruppe gebracht. „Natürlich müssen für einige Fütterungstests Kühe umgestallt werden, damit sie je nach Laktationsnummer und -stand zueinander passen. Aber wir versuchen dies auf ein Minimum zu reduzieren.“
Sozialen Stress verhindern, das gelingt auch durch die separate Aufstallung der Färsen. „Zweifellos gibt es auch in der Färsengruppe Rangkämpfe, aber wir können hier besser auf die Bedürfnisse der jungen Kühe eingehen.“ So melkt z. B. der Roboter in der Färsengruppe mit Zitzengummis mit einem geringeren Durchmesser. Die Färsen danken es. Denn sie erreichen im Schnitt eine 305-Tage-Leistung von 10.982 kg bei einer sehr guten Persistenz.
Das Gespräch miteinander ist wichtig
Neben all den Punkten, da sind sich Götz Resenhoeft und Ewald Kramer sicher, ist für den Erfolg aber nicht zuletzt der Teamgeist und die Motivation der Mitarbeiter entscheidend. Denn hier arbeiten ausschließlich angestellte Mitarbeiter, denen dennoch der Betrieb am Herzen liegt.
Alle Arbeiten erledigen zwei Herdenmanager, ein Verantwortlicher für die Kälber sowie ein Azubi oder Praktikant. Die Fütterung übernimmt ein Mitarbeiter der Feldwirtschaft (siehe Foto). „Nur wenn wir eng zusammenarbeiten und wenn alle ein großes Interesse daran haben, dass es den Kühen gut geht, können wir auch sehr gute Ergebnisse erzielen“, ist Götz Resenhoeft überzeugt.
Die Kühe sagen uns die Wahrheit.“
Götz Resenhoeft zitiert H. Wilhelm Schaumann
Werden neue Produkte ausprobiert, sei es daher entscheidend sich nicht nur die Zahlen anzuschauen, sondern immer darüber Rücksprache zu halten, was den Herdenmanagern aufgefallen ist. Und voller Einsatz der Mitarbeiter ist auf Gut Hülsenberg gefragt, denn ebenso wie auf Familienbetrieben müssen die Kühe, aber auch die Roboter nachts überwacht und gegebenenfalls versorgt werden. So übernehmen die Mitarbeiter im Drei-Wochen-Rhythmus den letzten Abendrundgang und kümmern sich nachts um kalbende Kühe oder Störungen an den vier Melkrobotern.
Noch Luft nach oben
Trotzdem auf Gut Hülsenberg vieles gut läuft, sind die Verantwortlichen sicher, dass es auch bei ihnen Luft nach oben gibt. Sie sind überzeugt, dass sich die Lebenstagsleistung und die Futtereffizienz noch weiter verbessern lassen. „Auch wir, wie alle anderen landwirtschaftlichen Betriebe, werden uns in den nächsten Jahren weiter mit den gesellschaftlichen Herausforderungen beschäftigen müssen. So realisieren wir z. B. mit 669 g CO2e/kg ECM Milch bereits eine sehr gute Klimabilanz, dennoch bleibt es auch für uns eine Herausforderung, diese weiter zu reduzieren“, resümiert Götz Resenhoeft.
Betriebsblindheit vermeiden
Milcherzeuger müssen zwischen Stall, Büro und Familie unheimlich viel im Blick behalten. Wie es gelingt, kranke Kühe trotzdem früh zu finden!