Betriebsleitung

Herden digital managen – wie und mit welchem Programm?

Wachsende Herdengrößen, Technisierung und Datenflut: Herdenmanagement-Softwares erleichtern die Arbeit. Wann lohnt es in eine unabhängige Software zu investieren?

Die Zukunft ist digital – aber ist das auch im Kuhstall so? Auf dem Markt gibt es zumindest eine Vielzahl an digitalen Anwendungen, die den Milcherzeuger im Betriebsalltag unterstützen sollen. Gemeinsam mit anderer Stalltechnik wie Melkroboter, Aktivitätssensoren, Tränkeautomaten und Co. ziehen immer mehr Programme, Softwares und Apps auf die Milchkuhbetriebe.

Mehr Technik, mehr Datenwirrwarr

Fast jeder Hersteller von Stalltechnik liefert mittlerweile eine digitale Oberfläche zum Managen der Tiere und Technik (z.B. Lely Horizon, DeLaval DelproTM Farmmanager, GEA DairyNet). Ursprünglich dienten die Software-Systeme oft nur zur Prozesssteuerung der Melktechnik, doch mit der Zeit wurden sie um Elemente des Bestandsmanagements ergänzt und können mittlerweile schon ordentlich was.
Hinzu kommen Programme von den regionalen Landeskontrollverbänden, wo u.a. Ergebnisse der Milchkontrollen zusammengefasst werden (z.B. Fokus 2.0 vom LKV Nordrhein-Westfalen; NETRIND in Niedersachsen).
Die Softwarelösungen bieten den Landwirten die Möglichkeit zumindest einen Teilbereich ihre Herde digital im Blick zu behalten.

Auf dem Handy lassen sich im Stallalltag schnell die Daten für Einzeltiere abrufen. (Bildquelle: Landwirtschaftsverlag GmbH)

Warum es sich lohnt in „freie“ Software zu investieren

Wann und für wen lohnt es sich also in ein unabhängiges Herdenmanagement-Programm (HERDEplus, Uniform Agri oder DairyComp) zu investieren? Gerade, wenn z.B. schon eine Software von einem Melktechnikhersteller auf dem Betrieb genutzt wird?
Was sind Fehler und falsche Erwartungen bei der Wahl? Und wo sind in der täglichen Anwendung die Stolpersteine? Wir haben mit den Anbietern der drei bekanntesten technik-unabhängigen Herdenmanagement-Programme und Beratern gesprochen – auch darüber, wie die Zukunft aussehen kann.

Zusatznutzen im Fokus

Je nach Anspruch und persönlichen Vorlieben sollte man sich vor der Wahl folgende Fragen stellen:
  • Möchte ich nicht nur Daten erfassen und Informationen abrufen können, sondern mit meinen Daten arbeiten, umfangreiche Analysen durchführen und Handlungsempfehlungen bekommen? (z.B. Anzeigen von Tieren mit Ketose-Risiko)
  • Habe ich viel Stalltechnik und benötige Technikkopplungen (z.B. zu Sensortechnik), möchte ich technik-unabhängig arbeiten und auf Doppeleingaben verzichten?
Wenn beide Fragen mit „ja“ beantwortet werden, dann ist die Überlegung in einen der drei großen Player – HERDEplus (dsp-Agrosoft), Uniform agri oder DairyComp – zu investieren durchaus sinnvoll. Insbesondere die Zeitersparnis durch verfügbare Schnittstellen, geringere Fehleranfälligkeit, da Daten weniger oft händisch eingetragen werden müssen und die Übersichtlichkeit der gesammelten Daten sind entscheidende Nutzenfaktoren, berichten alle drei Anbieter.

Die Programme im Vergleich:

Nur was für Technik-Freaks?

Durch die Vielzahl an Funktionen innerhalb der Programme stellt sich die Frage: Wie nutzerfreundlich sind sie? Ist die Software zu kompliziert? ? Alle drei Hersteller geben an, dass die Programme auch für Menschen geeignet sind, die bisher kaum Technik-Erfahrungen haben. Durch die intensive Einarbeitung und Betreuung könne jeder die Programme bedienen.
Uniform agri überzeugt vor allem durch bedienerfreundliche Symbole und Farben. Das übersichtliche Dashboard gibt einen schnellen Überblick. Je nach Bedarf kann das Programm durch zusätzliche Module mehr oder weniger komplex aufgebaut werden. Individuelle Auswertungen sind allerdings nicht selber programmierbar.
HERDEplus ermöglicht ebenfalls einen schnellen Überblick über die wichtigsten Themen und Tiere und bietet darüber hinaus weitergehende Möglichkeiten für individuelle Auswertungen. Durch verschiedenen Module kann auch bei HERDEplus die Komplexität an den Bedarf auf dem Betrieb angepasst werden.
DairyComp ist nur als Vollversion verfügbar – das bedeutet alle Tools und Möglichkeiten sind inklusive. Das Programm bietet neben Standardauswertungen auch eine eigene Menüanpassung mit individuellen Befehlen und Auswertungen und somit eine auf den Betrieb abgestimmte Datenausgabe mit viel Flexibilität und unendliche Auswertungsmöglichkeiten bis ins kleinste Detail.

Welche Auswirkung hat die Anzahl Tage in der CloseUp-Gruppe auf die spätere Milchleistung? Mit DairyComp lässt sich das für den eigenen Betrieb auswerten. (Bildquelle: Farina Schildmann, Landwirtschaftsverlag GmbH)

Falsche Erwartung: Programme oft unterschätzt

Bei der Frage, ob Milcherzeuger falsche Erwartungen an die Programme stellen, stimmen HERDEplus und Uniform agri überein: Was alles möglich ist, wird häufig unterschätzt. Die Milcherzeuger erwarten oft weniger als was die Programme bereits alles können.
„Wenn die Milcherzeuger das erste Mal ihre eigenen Daten aufbereitet im Programm öffnen und auf dem Dashboard sehen, haben sie oft einen Aha-Moment“, sagt Christine Wagner von Uniform agri. Überrascht seien viele auch von den Möglichkeiten die Technik untereinander kommunizieren zu lassen. So können alle drei Programme beispielsweise automatisch Kühe mit erhöhter Aktivität vom Melkroboter/Melkstand selektieren lassen.
Die Software allein kann die Betriebsdaten nicht verbessern, aber betriebliche Potenziale aufzeigen.
Dr. Theresa Rumphorst, HERDEplus

Potenzial nicht voll ausgeschöpft

Viele Anwendungen der Programme gehen im Tagesgeschäft jedoch unter. So berichtet Theresa Rumphorst von den HERDEplus Nutzern: „Wirklich intensiv und regelmäßig genutzt werden nur etwa 20-30 % der angebotenen Optionen.“ Nach der ersten Einarbeitung fehle häufig die Zeit sich intensiver mit den verschiedenen Funktionen und Möglichkeiten zu beschäftigen.
Die Programme befinden sich außerdem in ständiger Weiterentwicklung. Für HERDEplus gibt es beispielsweise alle acht Wochen neue Updates. Im Fokus stehen im Alltag vor allem MLP- und Technik-Daten sowie die Arbeitslisten z.B. für Trächtigkeitsuntersuchungen. Die Milcherzeuger unterschätzen die Möglichkeiten und Chancen der Programme.

Hilfreich bei der Problemsuche

Oft rücken komplexere Analysen erst dann in den Fokus, wenn Probleme auf dem Betrieb auftreten z.B. die Konzeptionsraten nicht zufriedenstellend sind. Dann bieten sich mit wenigen Klicks viele Auswertungsmöglichkeiten wie:
  • vertikales Benchmark, um in den eigenen Daten nach saisonalen Ausreißern zu schauen (z.B. durch Hitzestress oder Zeiten mit hoher Arbeitsbelastung)
  • Filtern der Besamungsergebnisse nach Wochentagen und Besamern
  • Verknüpfungen von Gesundheitskennzahlen mit Besamungsergebnissen
Es kommen immer neue Ideen des Betriebes dazu.
Johanna Künzl, DairyComp
Die progressiven Nutzer von DairyComp wissen die Auswertungen zu schätzen, berichtet Johanna Künzl. Das Programm lebe nicht von einfachen Standardauswertungen. Die Betriebe hätten immer neue Ideen. Zum Beispiel lassen sich für die Bestandsplanung zukünftige Abkalbungen nach Rasse und Spermaart grafisch darstellen. Für den Vergleich von selektiven und antibiotischen Trockenstellen kann man sich die Zellzahlen der Kühe nach Art des Trockenstellens (antibiotisch o. ausschließlich Anwendung von Zitzenversiegler) vor und nach dem Trockenstand anschauen. Dank des Programms stoßen sie nicht an ihre Grenzen.

Die Zukunft: Künstliche Intelligenz im Kuhstall?

Künstliche Intelligenz (KI) kann selber Probleme und Muster in Daten finden und Ergebnisse ausgeben. Das könnte doch zukünftig Milcherzeuger darin unterstützen die Datenflut besser zu ordnen und Verknüpfungen herzustellen. Wie weit sind die Hersteller?
„KI ist bei uns noch nicht im Fokus, aber wir behalten die Entwicklung im Blick“, berichtet Verena Ley, Uniform Agri. Bisher werden lediglich programmierte Algorithmen genutzt, um z.B. Risikotiere herauszufischen.
Bei HERDEplus sind ebenfalls Algorithmen programmiert, bisher ist aber noch keine künstliche Intelligenz im Spiel. „Das sei aktuell eher bei den Sensoren-Herstellern ein Thema“, erklärt Theresa Rumphorst.
DairyComp möchte zu dem Einsatz vom künstlicher Intelligenz aus vertraulichen Gründen keine Angabe machen. Sie setzten ebenso auf Algorithmen und viele automatisierte Abläufe im Hintergrund. Bei DairyComp liegt die Zukunft in der Cloud. Das Ziel von DairyComp ist alle Daten auf einem Milchviehbetrieb  in der Cloud zu vereinen und Daten von Kopplungen in Echtzeit verfügbar zu machen.
Fazit:
Wer seine Daten einfach nur im Blick behalten möchte und wenig verschiedene Technik auf dem Betrieb einsetzt, der ist auch mit den technikgebundenen Herdenmanagement-Programmen oder den LKV-Apps zufrieden zu stellen.
Wer allerdings daran interessiert ist mit den eigenen Daten richtig zu arbeiten und Schnittstellen benötigt, da verschiedenste Technik auf dem Betrieb genutzt wird, für den lohnt sich die Investition in ein unabhängiges Programm.
Wer bisher noch gar nicht mit einer Software arbeitet, der sollte sich langsam von der Zettelwirtschaft verabschieden und investieren. Denn die Digitalisierung und Technisierung schreitet weiter voran – man sollte die Chance nicht verpassen.
Für alle die bereits eine Software nutzen, lohnt es sich Zeit für Analysen zu nehmen und die eigenen Zahlen z.B. gemeinsam mit Beratern unter die Lupe zu nehmen – oft schlummert da noch viel Potential.
In Zusammenarbeit mit Theresa Rumphorst, HERDEplus (dsp-Agrosoft); Verena Ley & Christine Wagner, Uniform agri; Johanna Künzl & Ulrike Wallwitz, DairyComp

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