Kompakt
- Mit Photovoltaik und großzügigem Batteriespeicher ist im Milchkuhbetrieb eine Energieautarkie von bis zu 70 % möglich.
- Sinnvoll ist es, die Hauptverbraucher mit einfachen Zählern auszustatten.
- Steuerbare Verbraucher lassen sich per Zeitschaltuhr an die Eigenstromproduktion anpassen.
- Umfassende Energiemanagement-Systeme rechnen sich für normale Kuhbetriebe noch nicht.
Energieautark zu sein, hört sich gut an, ist aber für Milchkuhbetriebe ein langer, aufwendiger Weg. Das zeigen Pilotbetriebe, von denen es bisher bundesweit wohl gerade mal eine Handvoll gibt. In erster Linie geht es darum, die produzierte Menge an Eigenstrom über Photovoltaik, Biogas oder auch – je nach Standort – Windenergie in Zeiten des höchsten Verbrauches einzusetzen. Für ein solches Energiemanagement müssen die einzelnen Verbraucher, wie z. B. Spaltenroboter oder Güllepumpe, so gesteuert werden, dass sie vor allem dann laufen, wenn Eigenstrom erzeugt wird. Dazu ist neben einer zeitlichen Steuerung der einzelnen Verbraucher auch eine Speichermöglichkeit nötig, um zeitlich flexibel zu sein.
Welcher Autarkiegrad ist möglich?
Laut Experten ist z. B. mit der Kombination von Photovoltaik plus Batteriespeicher eine Energieautarkie von 65 bis 70 % möglich. Weitere 15 bis 20 % sind etwa über Wind erreichbar. Bei Biogas geht man von bis zu 95 % aus. Im Moment sind kleine Windkraftanlagen noch zu teuer, 1-kW-Micro-Windanlagen könnten aber attraktiv sein.
Ein eigenes Energiemanagement?
Wer eine weitgehende Energieautarkie anstrebt, sollte zuerst im Gesamtbetrieb schauen, wie hoch der Stromverbrauch ist und wie viel Strom selbst produziert wird? Welche Verbraucher sind vorhanden, wie sieht das tägliche Lastprofil aus und wo sind die Lastspitzen? Es geht erstmal darum, alle Energieströme systematisch zu erfassen. Dazu kann man einzelne Zähler und Datenlogger an den Verbrauchern installieren. Eine Software zur Visualisierung der Ströme kann hilfreich sein (siehe Übersicht 2).
Milcherzeuger, die schon über ein intelligentes Messsystem, das heißt, über digitale Zähler und eine Kommunikationseinheit – ein sogenanntes Smart-Meter-Gateway – verfügen, können hierüber ihr Lastprofil abrufen. Wer mit einem Verbrauch von über 100.000 kWh im Leistungstarif (Orientierung an der Lastspitze) ist, kann in der Regel bei seinem Netzbetreiber ein Lastprofil anfordern.
Im zweiten Schritt ist zu überlegen: Welche Verbraucher kann man steuern und in Zeiten der höchsten solaren Einstrahlung legen? Für die einfache Steuerung reicht eine Zeitschaltuhr. Kommerziell erhältlich gibt es auch kleinere Steuerungssysteme, wie z. B. Fullenergy von Lemmer Fullwood. Hier wird, dezentral gesteuert, Eigenstrom der PV-Anlage genutzt, um Eiswasser für die Milchkühlung zu produzieren oder um Wasser für die Reinigung von Melkroboter und Milchtank zu erhitzen. Außerdem können damit weitere Verbraucher geregelt und versorgt werden. Somit lassen sich Lasten verschieben und teure Spitzenlasten, z. B. beim Melken, vermeiden (siehe Übersicht 1). Eine Beratung durch einen unabhängigen Energieberater lohnt sich.
Was können umfassende Energiemanagement-Programme?
Ein umfassendes, kommerziell erhältliches Energiemanagement-System (EMS) erfasst und visualisiert systematisch sämtliche Energieströme im Milchkuhbetrieb. Wann wird wie viel Strom produziert und wann und wo verbraucht? Dadurch erhält man eine sehr gute Übersicht über die Last- und Leistungsprofile. EMS können individuell Berichte und Protokolle erstellen und melden, zum Beispiel, wenn der Stromverbrauch steigt oder ein Verbraucher beschädigt ist.
Ihre Hauptaufgabe ist die gesamtbetriebliche Steuerung aller Verbraucher, die ins System integriert sind. Dazu greift es auf intelligente Zähler zurück, die lückenlos von jedem Verbraucher den genauen Energiebedarf im Jahresverlauf messen können. Hilfreich dabei ist ein intelligentes Stromnetz (SmartGrid) und eine Speichermöglichkeit.
Die meisten EMS können die einzelnen Verbraucher bzw. Zähler und Datenlogger in einem landwirtschaftlichen Betrieb integrieren, das heißt hier sind die notwendigen Schnittstellen vorhanden. Probleme gibt es dagegen zum Teil bei der Integration von Wechselrichtern und Batteriespeichern. Für die Investition in ein EMS (Hard- und Software) muss man aktuell mit Kosten von 6.000 bis 25.000 € rechnen. Die Preisspannen sind enorm. Außerdem kommen oft noch Kosten für die Speicherung und Bereitstellung der Daten hinzu. Das können 600 € im Jahr und mehr sein. Diese Ausgaben müsste man durch eine höhere Eigenstromnutzung wieder erwirtschaften. Das ist nach Untersuchungen der LfL Bayern für Milchkuhbetriebe bis ca. 160 Kühe ohne weitere Betriebszweige nicht der Fall. Allenfalls für Betriebe, die sich zusammentun, große Speicher und eine lukrative Direktvermarktung haben, könnte sich ein professionelles EMS rechnen.
Welche Verbraucher lassen sich gut steuern?
Der Betrieb der Entmistungstechnik, wie Güllepumpen oder Spaltenschieber, lässt sich bis zu einem gewissen Grad zeitlich verschieben. Spaltenroboter haben oft sogar eine eigene Batterie, so dass man sie zeitlich flexibel laden kann. Damit kann man noch optimierter Laden. Gut steuern lassen sich auch Mahl- und Mischanlagen. Wenn Futterlager vorhanden sind, kann man z. B. nur alle zwei bis drei Tage in der Mittagszeit, wenn die Sonne scheint, schroten und mischen lassen. Weitere Möglichkeiten sind die Milchkühlung per Eiswasserspeicher oder die Erhitzung von Brauch- und Reinigungswasser. Automatisierte Systeme, wie z. B. Futterroboter oder Melkroboter, lassen sich nicht gut zeitlich steuern, liefern aber ein ausgeglichenes Lastprofil. Im Melkstand melkt man zu bestimmten Zeiten und nicht, wenn die Sonne scheint. Zeitlich flexibel laden lassen sich dagegen elektrische Futtermischwagen, elektrische Hoflader oder E-Autos. Die Crux dabei: Verbraucher, die sich zeitlich steuern lassen, haben meist einen geringen Stromverbrauch. Und daher stellt sich auch die Frage nach der Wirtschaftlichkeit ihrer Steuerung.
Wie groß sollte der Speicher sein?
Sinnvoll ist eine Kombination aus Batteriespeicher und mobilen Speichern, wie z. B. E-Hoftracs oder elektrischer Futtermischwagen. Aus regulatorischen Gründen ist es in Deutschland derzeit nicht möglich, mobile Speicher bidirektional zu laden – also Strom auch wieder zu entnehmen – das wird aber wohl kommen. Experten sehen darin noch großes Potenzial, um den Eigenstrom noch besser ausschöpfen zu können. Wünschenswert ist aus Sicht der Praxis außerdem, dass nicht jede E-Maschine auf dem Hof über ein eigenes Ladesystem mit eigener Software verfügt. Gearbeitet werden müsse außerdem noch daran, dass die Batteriespeicher auch tatsächlich Schwarzstart-fähig seien und nicht nur damit geworben werde.
Die nötige Speicherkapazität im Betrieb ist anhand des Lastprofils und der Lastspitzen abzuschätzen. Ein Beispiel: Ein Milchviehbetrieb mit 25.000 kWh Stromverbrauch hat in der Regel eine ca. 25 kW-Peak-PV-Anlage für die Eigenstromnutzung auf dem Dach. Dann ist ein Speicher mit ca. 25 kWh-Kapazität (+ max. 20 bis 25 %) ratsam.
Aktuell liegt das Bundesprogramm der BLE zur Steigerung der Energieeffizienz in der Landwirtschaft auf Eis. Damit ließ sich ursprünglich nicht nur energiesparende Technik, sondern auch die Anschaffung von Batteriespeichern oder von Messtechnik fördern. Fachleute gehen davon aus, dass das Programm in Kürze wieder freigeschaltet wird.
Rechnet sich mehr Eigenstrom?
Nach dem EEG 2023 beginnt die Vergütungsstaffel für die Einspeisung von Überschussstrom bei Anlagen unter 10 kWh-Peak bei ca. 8 ct/kWh, mit Volleinspeisung bei ca. 13 ct. Diese Sätze sind attraktiv, daher sollte man freie Dachflächen unbedingt für PV-Anlagen nutzen. Zumal die Modulpreise aktuell niedrig sind und die Amortisationszeiten für Dachanlagen je nach Größe bei unter zehn Jahren liegen. Möglich ist es, auf dem gleichen Dach zwei technisch getrennte Anlagen zu installieren. Dabei dient eine der Eigenstromproduktion mit Überschusseinspeisung und die zweite Anlage der Volleinspeisung. In Milchkuhbetrieben ist eine Ost-West-ausgerichtete Anlage von Vorteil, um zu den Melkzeiten die Einstrahlung am Morgen und am Abend mitzunehmen. Bei einer Ausrichtung nach Süden ist zwar der Energieertrag höher, aber man kann davon vielleicht weniger Eigenstrom nutzen.
Franz Demmel nutzt die selbst erzeugte Energie fast vollständig auf dem eigenen Milchkuhbetrieb. Ein Kombinationstalent!
Die Produktion von Milch verbraucht Ressourcen. Wie realistisch sind Einsparmöglichkeiten bei Wasser, Kraftstoff und Strom?