Eigentlich ist ein Radlader ein lautes Gerät: Es brummt, es rattert, irgendetwas vibriert oder klappert aneinander. Nicht so auf dem Betrieb von Franz Demmel: Nur ein leises Rauschen und das Kratzen der Greifschaufel über den Boden ist zu hören, wenn er den Futtermischwagen belädt. Denn auf dem Huabahof der Familie Demmel fahren schon einige Maschinen voll elektrisch. Neben E-Autos gibt es einen elektrischen Radlader, Hoftrac und selbstfahrenden Futtermischwagen. Im Stall melken zwei AMS. Auch...
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Eigentlich ist ein Radlader ein lautes Gerät: Es brummt, es rattert, irgendetwas vibriert oder klappert aneinander. Nicht so auf dem Betrieb von Franz Demmel: Nur ein leises Rauschen und das Kratzen der Greifschaufel über den Boden ist zu hören, wenn er den Futtermischwagen belädt. Denn auf dem Huabahof der Familie Demmel fahren schon einige Maschinen voll elektrisch. Neben E-Autos gibt es einen elektrischen Radlader, Hoftrac und selbstfahrenden Futtermischwagen. Im Stall melken zwei AMS. Auch Futterranschieber, Lüftung, Beleuchtung und ein Milchtaxi nutzen elektrische Energie.
Den Strom produziert eine Photovoltaik-Anlage (PV) auf dem Dach des 2019 neu gebauten Kuhstalls (386 kWp). Dazu hat Franz Demmel in einen Elektrospeicher von 137 kWh investiert, um gerade nicht benötigten Strom zwischenzuspeichern. Weitere Energie liefern seit 2005 noch mehrere Photovoltaik-Anlagen und eine Hackschnitzel-Heizung.
Denn natürlich muss auch Familie Demmel mit einem Grundsatz-Problem der erneuerbaren Energien umgehen: der ungleichmäßigen Verfügbarkeit.
Eigenes Energie-Management-System entwickelt
Auf dem Huabahof löst man dieses Problem, indem ein Energie-Management-System, das Demmel gemeinsam mit der TU München und der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf entwickelt hat, das Be- und Entladen der Geräte und Speicher steuert.
Der schwarze Schaltschrank im Hinterraum der Besuchertribüne enthält das „Gehirn“ des selbst entwickelten Energie-Management-Systems.
(Bildquelle: Stöcker-Gamigliano, Landwirtschaftsverlag GmbH)
In dem großen schwarzen Schrank hinter der Besuchertribüne blinkt es hektisch. Ein großer Bildschirm zeigt an, was der Algorithmus im Hintergrund entscheidet. Ziel ist, alle ungefähr 30 Verbraucher möglichst mit Eigenstrom zu betreiben. Die Akkus sollen passend z. B. zu den Fütterungszeiten aufgeladen sein und überschüssiger Strom als Nachtspeicher und Backup in die Batterie fließen. Was dann noch übrig bleibt, geht ins Netz.
Dass eine solche Eigen-Entwicklung möglich ist, hat mit den „vielen Leben“ des Franz Demmel zu tun: Während seiner Zeit als Eishockey-Profi studierte er technischen Umweltschutz und Bauingenieurwesen, baute sich ein Planungsbüro auf, lernte später zusätzlich Landwirt und übernahm dann noch den Milchkuhbetrieb seiner Eltern. Heute kümmern sich vornehmlich Gerlinde Demmel und Hofnachfolger Xaver um die Kühe, auch Tochter Katharina, selbst Architektin, packt im Stall mit an.
Neben Franz Demmel kümmern sich hauptsächlich seine Frau Gerlinde und Hofnachfolger Xaver um die Kühe. Auch Tochter Katharina, nicht auf dem Bild, packt im Stall mit an.
(Bildquelle: Milchwerke Berchtesgadener Land Chiemgau eG)
Und die Wirtschaftlichkeit?
Aber: ein neuer Stall, ein Elektrospeicher mit eigenem Häuschen, automatisches Melken, teure neue (e)Technik – wie rechnet sich das? „Wir lagen schon zehn Jahre auf der Lauer und haben nicht alles auf einen Schlag gekauft“, erklärt Franz Demmel.
Wenn ihm eines durch seine verschiedenen Berufserfahrungen in Fleisch und Blut übergegangen ist, dann das Betrachten einer Situation aus ganz verschiedenen Blickwinkeln. So war für ihn schon früh klar, dass ‚Produzieren ohne Rücksicht auf Verluste‘ nicht die Lösung sein kann. Und ein wichtiger Aspekt bei umweltverträglicher Milcherzeugung sei eben auch das Thema Energie bzw. der CO2-Fußabdruck. Bei PV war der Einstieg machbar.
Wir lauerten zum Teil jahrelang auf gute Preise für die Technik.
Franz Demmel
„Immer, wenn ein Gerät kaputt gegangen ist, haben wir ein elektrisches Pendant gekauft. Damit waren wir oft früh dran und bekamen Einführungspreise. Auch die Photovoltaik-Anlage konnten wir 2018/19 in einer absoluten Tiefpreis-Phase einkaufen“, berichtet Demmel. Der laufende Betrieb gestaltet sich so überaus günstig: Die Produktion kostet 8 Cent/kWh, die Speicherung 25 Cent, die Management-Software optimiert die Verteilung. Dazu kommt das angenehme Arbeiten: Die Geräte sind ruhiger, es fallen keine Abgase an.
Eine langfristige wirtschaftliche Prognose ist schwierig, weil z.B. Strompreis und Einspeisevergütungen stark schwanken können. „Wir haben auf 10 Jahre für 30, 35 oder 40 Cent Strompreis gerechnet und kommen mindestens auf eine Schwarze Null.“
Eigentlich im Vollerwerb
Dennoch: Ohne die Querfinanzierung aus dem Ingenieurbüro wären die teuren Investitionen nicht drin. „Im Moment arbeiten vier Erwachsene 70 Stunden pro Woche. Wenn es um Work-Life-Balance geht, müssten wir die Kühe abschaffen“, sagt Franz Demmel und zuckt mit den Schultern.
Warum sie das nicht tun? Er strafft sich: „Den eigenen Fußabdruck zu optimieren, ist gesamtgesellschaftlich wichtig und hilft allen. Ich setze auf die Vernunft der Menschen, dass das, was wir tun, wieder einen Wert bekommt und bezahlt wird. Dafür müssen wir die Landwirtschaft aber entsprechend aufstellen!“ Das koste. Aber: „Zum Zeitpunkt der Investition war mir eine Portion Idealismus immer wichtiger als der letzte Cent Rentabilität.“
Das Managen der Energie ist der Teil, der das Ganze wirtschaftlich macht.
Franz Demmel
Derzeit erreicht der Betrieb eine Eigenstromnutzung von 80 bis 95 %. Um komplett energieautark zu werden, bräuchte es noch mehr speicherbare Energie wie Biogas oder Wasserstoff. Eine eigene Gülleanlage rechnet sich nicht, aber eine gemeinsame Biogas-Anlage mit weiteren Landwirten wäre für ihn denkbar.
Wasserstoff im Futterbau
Viel mehr Spaß macht es dem umtriebigen Milcherzeuger gerade allerdings, auf seinem neuesten Projekt „herumzudenken“: Um auch noch den Futterbau dieselfrei zu gestalten und die für einen Schnitt benötigten 1.000 l Treibstoff zu ersetzen, müsste man die Sonnenenergie von ungefähr fünf Sonnentagen speichern. Mit Batteriespeichern ist das nicht zu machen.
Der Batterie-Speicher ist ein wichtiger Puffer bei der Nutzung der eigenen Solar-Energie. Gleichzeitig ist die Kapazität begrenzt.
(Bildquelle: Stöcker-Gamigliano, Landwirtschaftsverlag GmbH)
Franz Demmel steht vor seinem Speicher-Häuschen und umfährt mit den Händen in der Luft einen Quader, der ungefähr dem Volumen eines kleinen Benzinkanisters entspricht. „Das ist die Menge Energie in Diesel, die hier hinter mir gespeichert ist.“ Eine Lösung wäre, den Sonnenstrom zu nutzen, um vor Ort Wasserstoff herzustellen und die Trecker damit zu tanken. „Die Technik gibt es schon, man muss sie auf der Ebene der Landwirtschaft noch finanzierbar machen“, erklärt der Ingenieur, „ich hätte gerne meinen Hof hier als erste funktionsfähige geschlossene Einheit, ein Forschungsprojekt ist beantragt.“
Viele Landwirte versorgen eine Region
Langfristig sieht er Energieautarkie aber in einem größeren Rahmen: „Die Energieversorgung findet nur bedingt auf einzelbetrieblicher Ebene statt. Ein Landwirt mit seinen großen Überschüssen kann und darf sich nicht einfach abschotten. Damit viele einzelne Bauern aber in Zukunft Teil einer dezentralen Energieversorgung werden können, müssten Politik und Netzbetreiber mehr Willen zeigen und ihre Systeme für diese ‚kleinen‘ Energiemengen öffnen.“
Dazu müssten auch Arbeitsmaschinen ‚bi-direktional‘ werden, also Strom nicht zu laden, sondern auch wieder ins Netz abgeben können, wenn irgendwo anders Energie gebraucht wird. „Meine E-Autos können das längst, warum nicht der Radlader?“
Überall auf dem Hof finden sich Ladestationen für die e-Geräte. Bisher gelingt es erst durch eine „Krücke“, die Maschinen auch als Stromspeicher zu verwenden.
(Bildquelle: Stöcker-Gamigliano, Landwirtschaftsverlag GmbH)
Im Energie-Management haben sie trotz fehlender Schnittstellen „Krücken“ (Aktoren) vor die Ladestationen gebaut, sodass sie trotzdem gesteuert werden könnten. Franz Demmel ist überzeugt: „Was wir haben, könnte man sofort auf anderen Betrieben umsetzen. Es braucht passende Rahmenbedingungen wie Förderung etc. Allein die Welt retten können wir nicht. Aber Wege aufzuzeigen und zu fragen ‚Kommst du mit, Gesellschaft?‘ gefällt mir viel besser, als den Kopf in den Sand zu stecken!“
GESTERN – HEUTE – MORGEN
2004 übernehmen Franz und Gerlinde Demmel den Huabahof. Schon Franz Demmels Vater war eine umweltverträgliche Arbeitsweise wichtig. Da war es folgerichtig, dass das Paar auf Bio umstellte. Doch auch die Energieversorgung wollten die beiden optimieren. Heute bewirtschaften sie einen Milchkuhbetrieb, auf dem sie eine Eigenstromnutzung von 80 bis 95 % erreichen. Den Strom aus ihrer PV-Anlage verbrauchen sie für E-Geräte oder laden ihn in ihren Speicher. Künftig soll auch noch der Futterbau klimaneutral werden – mit einer eigenen Wasserstoff-Anlage für die Trecker und einer netzdienlichen (zeitgesteuerten) Einspeisung ins deutsche Stromnetz.
Franz Demmel will seine Milchkuhhaltung „zukunftstauglich“ aufstellen.
(Bildquelle: Stöcker-Gamigliano, Landwirtschaftsverlag GmbH)