Welches Spielzeug ist für Kälber zu empfehlen, welches nicht? Wolfgang Müller von den Bayerischen Staatsgütern in Grub-Poing hat konkrete Tipps für Sie parat.
Nicht nur Kühe, auch Kälber senden fortlaufend Signale über ihr Wohlbefinden aus. Was hilft dies aber, wenn der Landwirt seine „Antennen“ nicht ausfährt und die so entscheidenden Signale auf der Strecke bleiben? Es gibt auch für Kälber viele digitale Helfer,...
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Nicht nur Kühe, auch Kälber senden fortlaufend Signale über ihr Wohlbefinden aus. Was hilft dies aber, wenn der Landwirt seine „Antennen“ nicht ausfährt und die so entscheidenden Signale auf der Strecke bleiben? Es gibt auch für Kälber viele digitale Helfer, die eine Kontrolle der Tiergesundheit und des Wohlfühlens erheblich erleichtern, aber ein gezieltes und bewusstes Beobachten mit der grandios ausgestatteten menschlichen Sensorik ist durch nichts zu ersetzen.
Eines der in der Praxis am häufigsten zu beobachtende Kälbersignal ist eindeutig das gegenseitige An- und Besaugen. Hierbei handelt es sich um eine durch mehrere Faktoren bedingte Verhaltensentgleisung.
Drei gravierende Mitursachen seien an dieser Stelle genannt:
ein ungestillter Sauginstinkt,
eine Reizverarmung und Monotonie im Stall sowie
Stresssituationen.
Die ansaugenden Kälber nehmen vermehrt Haare und Urin auf, was zu Verdauungsstörungen und Einbußen beim Wachstum führt. Die angesaugten Opfer weisen Verletzungen und in der Folge häufig Infektionen auf.
Ungestillter Sauginstinkt
Lässt man der Natur freien Lauf, so beobachtet man bei Kälbern sechs bis acht Saugperioden an der Kuh mit einer Gesamttrinkdauer von insgesamt ca. 60 Minuten am Tag. Ca. 6.000 Saugakte macht das Kalb hierbei zur Aufnahme der täglichen Milchmenge. Gängige Tränkeverfahren, wie z.B. eine täglich zweimalige rationierte Eimertränke, reduzieren den Sauginstinkt auf einen Bruchteil dieser Zeit.
Welch ein Armutszeugnis! Die seit einigen Jahren praktizierte ad-libitum Tränke ist auf diesem Weg nicht nur ein wunderbarer Beitrag zur so entscheidenden metabolischen Programmierung der Kälber, sondern auch eine zielführende Maßnahme zur Annäherung an eine artgerechte oder zumindest tiergerechte Tränke.
Kann das Kalb seinen Sauginstinkt nicht befriedigen – wenn zudem die Sauger der Tränkeeimer zu große Löcher und damit wenig Saugwiderstand aufweisen – ist es nur normal, dass es versucht, ihn an anderer Stelle massiv ausleben. Im Staatsgut Grub wird bereits seit längerem die ad-libitum Tränke, zuerst mit Tränkeeimern in der Einzelhaltung und anschließend in der Gruppenhaltung am Tränkeautomaten erfolgreich praktiziert.
Die Tränkeautomaten sind mit einer Vorderfuß-Tierwaage und einer beweglichen Hygienebox ausgestattet, die das natürliche Saugen am Euter bestens imitiert und ein gezieltes Ausleben des Sauginstinktes garantiert. Eine vollautomatische Saugschlauch- und Nuckelreinigung sorgt für optimale Hygiene. Mehrmals täglich muss das komplette System bis in die Nuckelspitze gespült werden. Der Nuckel wird zusätzlich nach jedem Kalb von außen gereinigt.
Reizverarmung und Monotonie
Kälber sind äußerst neugierige Lebewesen. Sie erkunden ihre Umwelt ab den ersten Lebenstagen sehr intensiv. Zeit genug haben sie, zumal das Wiederkauen im Vergleich zu erwachsenen Tieren noch nicht so tagefüllend ist und auch die Futteraufnahme in einer kürzeren Zeit über die Bühne geht.
Wer nicht ausgelastet ist, kommt auf dumme Ideen.“
Wolfgang Müller, Bayerische Staatsgüter
Das soziale Spiel von zwei oder mehreren Kälbern verlangt eindeutig nach ausreichend Platz, Gruppenhaltung, Beschäftigungsmaterial und Bürsten. Viele Kälberställe wurden in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten aus arbeitswirtschaftlichen Gründen leergeräumt, was man als Reizverarmung bezeichnet. Wohin also mit der Zeit? „Wer nicht ausgelastet ist, kommt auf dumme Ideen“.
Welches Material kommt gut an? Von welchem ist abzuraten?
Stroh als Beschäftigungsmaterial: Im Versuchs- und Bildungszentrum Staatsgut Grub sind die über zwei Wochen alten Kälber in großzügig eingestreuten Tiefstreuställen untergebracht, die aus hygienischen Gründen im Rein-Raus-Verfahren bewirtschaftet werden. Stroh dient der Beschäftigung und kann wie alle organischen Beschäftigungsmaterialien nicht nur ins Maul genommen, sondern auch gefressen werden. Die Qualität muss aber hochwertig und frei von schädlichen Substanzen sein. Der „Weichbodengänger“ und „Weichbodenlieger“ Rind liebt also Stroh in jeder Hinsicht!
Kälber lieben Stroh zur Beschäftigung und zum Fressen.
(Bildquelle: Müller )
Höhenverstellbare Heuspielbälle: Zur sinnvollen Beschäftigung der „Kleinkinder“ sind im Gruber Stall höhenverstellbare Heuspielbälle installiert. Sie können der wachsenden Mistmatratze angepasst werden. Mit viel Geduld zupfen die Kälber einzelne Halme aus den Öffnungen und spielen auch mal gerne Kopfball. Meist muss der Ball, der ca. 3 kg Heu fasst, täglich neu befüllt werden. Kälber empfinden das Heu aus dem Ball als fressbare Belohnung.
Der Heuball stellt für die Kälber eine „fressbare Belohnung“ dar. Er muss meist täglich neu befüllt werden.
(Bildquelle: Müller )
Heu am Futtertisch vorgelegt kann da von der Attraktivität nicht mithalten. Im Handel befindliche Heunetze hingegen bergen stets die große Gefahr, dass sich die Kälber mit den Ohren in den groben Maschen verfangen und schließlich die Ohrmarken ausreißen. Eine unproblematische Handhabung der Heunetze ist nur dann gegeben, wenn die Kälber immer überkopf arbeiten müssen. Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass Beschäftigungsmöglichkeiten in Verbindung mit Futter höchste Akzeptanz finden.
In Heunetzen bleiben die Tiere gern mit den Ohren hängen. Oft reißen sie dabei die Ohrmarken aus. Von dieser Lösung ist daher abzuraten.
(Bildquelle: Müller)
Spieligel und Propeller: Ebenfalls höhenverstellbar an Seilen montiert sind im Gruber Kälberstall die Spieligel und die Spielpropeller, beide aus Vollgummi. Die Form der Gerätschaften, die im weitesten Sinne Zitzen ähneln soll, animiert zum Lecken und Nuckeln und die Beweglichkeit aller Beschäftigungsmöglichkeiten regt die Neugier und Aktivität der Kälber sehr stark an. Ein regelmäßiges Waschen der beweglichen Beschäftigungsmöglichkeiten ist unerlässlich. Verschmutzte Beschäftigungsmöglichkeiten werden schnell unattraktiv. Man denke an den 15-mal besseren Geruchssinn der Kälber im Vergleich zu uns Menschen.
Solche Propeller, die höhenverstellbar sind, animieren die Tiere zum Saugen und Lecken. Vorausgesetzt, sie werden regelmäßig gereinigt.
(Bildquelle: Müller)
Elektrische Bürsten: Ergänzt wird das Angebot durch elektrische Bürsten zur Fellpflege. Das Bedürfnis sich zu scheuern, ist bei Rindern allgemein sehr groß.
Mini-Schwingbürsten und Zweibürstensysteme: Zu Demozwecken stehen den Gruber Kälbern Mini-Schwingbürsten und auch Zweibürstensysteme mit einer senkrechten und einer waagrechten Bürste zur Verfügung. Der eindeutige Favorit hierbei sind die hängenden, frei schwingenden Bürsten, die nicht nur zur Körperpflege, sondern auch zum Spielen verwendet werden. Selbst eine einfache Schwingbürste an einem Stahlseil genießt schon bei kleinen Kälbern größte Akzeptanz. Untersuchungen zeigen, dass sich Kälber mit einer vorhandenen Bürste knapp eine halbe Stunde am Tag beschäftigen.
Frei schwingende Bürsten kommen bei Kälbern besser an als feststehende Bürsten.
(Bildquelle: Müller )
Kratzmatten mit Gumminoppen-Profil: An den Absperrtoren sind Kratzmatten mit Gumminoppen-Profil angebracht. Kälber sorgen durch eine gezielte Körperpflege für ihr eigenes Wohlbefinden. Die Körperpflege dient der Reinigung von Verschmutzungen und dem Schutz vor Ektoparasiten und lästigen Fliegen. Rinder kratzen sich gerne mit ihren Hörnern oder auch den Klauen der Hinterbeine. Sie reiben sich regelmäßig aneinander und an verschiedenen Gegenständen der Stalleinrichtung.
Neben verschiedenen Bürsten aller Art sorgen die einfach zu installierenden Kratzmatten für sichtbares Wohlbefinden. Die Gumminoppen reinigen beim intensiven Scheuern das Fell und lösen auch hartnäckige Verkrustungen von der Körperoberfläche der Tiere. Sie massieren intensiv die Muskulatur und wirken damit durchblutungsfördernd. Hautirritationen sind kein Thema. Entspannung pur!
Diese im Absperrgitter montierten Kratzmatten aus Gummi mit Noppenprofil dienen den Kälbern zum intensiven Scheuern.
(Bildquelle: Müller )
Die Matte kann ohne großen Aufwand flächig an der Wand, zylindrisch oder quadratisch, vertikal oder horizontal montiert werden und ist deshalb universell einsetzbar. Je nach Montage deckt die Kratzmatte auch gefährliche, scharfe Kanten ab und beugt auf diesem Weg unschöne Verletzungen vor. Im Unterschied zur elektrischen Bürste benötigt die durchdachte Matte keinen Strom und keine Wartung und ist leicht mit Wasser zu reinigen.
Genüsslich bearbeiten die Gruber Kälber tagtäglich ihren Kopf und den Schulterbereich an dieser sehr einfachen, kostengünstigen und enorm das Tierwohl steigernden Maßnahme. Die Bürsten und Kratzmatten werden vor jeder Neubelegung des Stallabteiles mit dem Hochdruckreiniger gesäubert.
Minerallecksteine: Rund um die Uhr bedienbare Minerallecksteine ergänzen das Angebot an Beschäftigungsmöglichkeiten im Gruber Kälberstall. Zu große Lecksteine sind allerdings ungünstig, weil der tägliche Verbrauch durch die Kälber relativ gering ist und der Stein schnell den Stallgeruch annimmt. Eine hohe Motivation von Kälbern, Lecksteine zu nutzen und sich damit zu beschäftigen, bedeutet nicht gleichzeitig, dass diese als Beschäftigungsmaterial zu betrachten sind. Mineral- und Salzlecksteine dürfen also nicht als alleiniges Beschäftigungsmaterial betrachtet werden, sollten aber stets zur Verfügung stehen.
Naturfaserseile: Eine einfache Möglichkeit stellen zu guter Letzt auch Naturfaserseile aus Baumwolle, Hanf, Jute oder auch Sisal dar. Sie lassen sich unproblematisch an der Decke oder der Haltungseinrichtung befestigen. Die Kälber beschäftigen sich gern damit, da das Beschäftigungsangebot wiederum beweglich ist und sie genüsslich daran lecken, nuckeln oder darauf herumkauen können.
Naturfaserseile zum Spielen können aus Baumwolle, Hanf, Jute oder Sisal sein.
(Bildquelle: Müller )
Mehr Stress, mehr Besaugen
Das Saugen am Euter bewirkt beim Kalb Entspannung. Die Herzfrequenz sinkt ab und Glückshormone werden freigesetzt. Nach dem Saugen machen die Kälber einen sichtbar zufriedenen und ausgeglichenen Eindruck. Die Konzentrationen von Stresshormonen im Blut von Kälbern, die soeben ihren Sauginstinkt ausgelebt haben, sind eindeutig niedriger. Fühlt sich das Kalb also gestresst, so saugt es. Je höher der Stresspegel im Stall ist, desto größer ist das Saugbedürfnis.
Stress im Stall kann durch Fütterung, Haltung und Management entstehen. Ein häufiges Umstallen und eine damit unvermeidlich verbundene Änderung des sozialen Gefüges innerhalb des Herdenverbandes führt zu Stress. Konstante Kälbergruppen über die gesamte Aufzucht bis hin zum Absetzen sind den Stallverantwortlichen im Staatsgut Grub deshalb ein dringendes Anliegen. Ein großes Augenmerk wird auch auf homogene Gruppen mit Blick auf das Alter und das Gewicht der Kälber gelegt. Eine zu hohe Besatzdichte erzeugt genauso Stress, wie ein schlechtes mit erheblich Schadgasen belastetes Stallklima, Lärm und Hitze.
Fazit: Das gegenseitige An- und Besaugen ist ein eindeutiges Faktorenproblem. Das unschöne Einziehen von Anti-Besaugringen muss das letzte Mittel der Wahl sein. Viele kleine Maßnahmen im Rahmen einer optimierten Kälberaufzucht bremsen das Problem erheblich aus.
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Eine Praxisstudie zeigt die hygienisch kritischen Bereiche beim Kälbertränken auf. Mit Tipps zum richtigen Reinigen von Eimern, Milchtaxi und Tränkeautomat.