Scandinavian Dairy Tour

Bis ins kleinste Detail durchdacht!

Ein Milchkuhbetrieb, der nur von Mitarbeitern gemanagt wird: Kann das funktionieren? Ja, lautet die klare Antwort auf dem schwedischen Betrieb Vadsbo Mjölk.

Was als Zusammenarbeit zwischen vier Landwirten vor 25 Jahren begann, hat sich inzwischen zu einem Großunternehmen entwickelt: 1.300 Kühe, 2.500 ha Nutzfläche und eine 18 GW Biogasanlage. „Zusammen ein Unternehmen zu führen macht mehr Freude und reduziert das Risiko“, erklärt Martin Svahn, Präsident des Verwaltungsrates und Eigentümer.

Johan Ocklind, Eigentümer, war bis zum 01. Mai auch Geschäftsführer. Inzwischen ist Helena Börjesson neue Geschäftsführerin. (Bildquelle: Landwirtschaftsverlag GmbH)

Doch die Größe ist nicht das einzige Interessante an dem Joint Venture Vadsbo Mjölk. Von den inzwischen sieben Eigentümern arbeitet nur noch einer halbtags im Unternehmen mit. Dieses wird ausschließlich von einem Geschäftsführer und den Angestellten gemanagt. Worauf kommt es an, damit auch ein reiner Fremd-Ak-Betrieb erfolgreich Milch produzieren kann?

Die Kühe werden in einem Melkrkarussell dreimal täglich gemolken. (Bildquelle: Ostermann-Palz)

Strukturen und einfache Arbeitsabläufe

Langsam rollt der Hoflader in den schmalen Kälberstall, in dem auf der linken und rechten Seite jeweils 16 Kälberboxen stehen. Vorne am Schaufelarm befindet sich eine große, weiße Kiste, in der noch auf etwas wackeligen Beinen ein rotes Kalb steht. Die Mitarbeiterin senkt den Schaufelarm ab, steigt vom Lader, öffnet die Klappe der Kiste und schiebt das kleine Kalb in Richtung einer freien Box.
„Auf einem Betrieb, auf dem nur Angestellte arbeiten, sind feste Strukturen und eine genaue Arbeitsplanung sehr wichtig“, erklärt Johan Ocklind (bisheriger Geschäftsführer). Mit Hilfe des sogenannten Lean-Managements werden deshalb auf dem Betrieb Arbeitsabläufe festgesetzt und optimiert. Lean ist eine Managementphilosophie, bei der man ständig danach strebt, mit weniger Ressourcen mehr Wert zu schaffen.
Dazu werden alle Bereiche der Milchproduktion kontinuierlich unter die Lupe genommen. Von zentraler Bedeutung ist, dass die Mitarbeiter immer in den Prozess einbezogen werden. Denn am Ende sind sie es, die die Arbeitsabläufe umsetzen müssen.

Alle Kälber, die innerhalb einer Woche geboren werden, stallen sie gemeinsam in einem Abteil in Einzelboxen auf. (Bildquelle: Ostermann-Palz)

Auf dem Milchkuhbetrieb Vadsbo Mjölk treffen sich deshalb wöchentlich alle Mitarbeiter am Whiteboard. Hier setzen sie gemeinsam Ziele fest, planen Arbeitsabläufe und besprechen Probleme.
Auf einem Betrieb, auf dem nur Angestellte arbeiten, sind feste Strukturen und eine genaue Arbeitsplanung sehr wichtig
Johan Ocklind

Eine getaktete Kälberaufzucht

Ein Ergebnis der ständigen Optimierung der Arbeitsabläufe ist u.a. am Kälbermanagement zu sehen. Das erklärte Ziel sind sieben bis 10 Besamungen täglich und daraus resultierend drei bis vier Kalbungen pro Tag (110 Kälber pro Monat), um eine kontinuierliche Auslastung der Ställe zu erreichen und Überbelegungen zu verhindern.
Alle Kälber, die innerhalb einer Woche geboren werden, stallen sie gemeinsam in einem Abteil in Einzelboxen auf. Ab der dritten Woche kommen sie dann in Gruppenbuchten zu jeweils neun Kälbern. „Die Einzelboxen werden akkurat gereinigt und können dann mindestens eine Woche leer stehen, was sich als wirklich positiv für die Kälbergesundheit erwiesen hat“, erklärt Johan Ocklind. Die Tränkephase der Kälber dauert zehn Wochen, ab der 18. Woche gehen die Jungtiere zum Aufzüchter. Mit 23 Lebensmonaten kommen sie dann wieder tragend zurück, um im Durchschnitt ein Erstkalbealter von 24 Monaten zu erreichen.

Die Kälber werden in gruppen zu neun Tieren aufgestallt. (Bildquelle: Ostermann-Palz)

Grasernte in zwei Schichten

Ein grüner Schlepper mit zwei aneinandergehängten, roten Häckselwagen fährt zügig die Hofeinfahrt entlang und bremst geräuschvoll. Nachdem der hintere Häckselwagen abgehängt ist, wird der erste Wagen rückwärts in das Silo gedrückt und abgeladen.

Ration der Laktierenden

· Feldgrassilage: 12 kg TM
· Stroh: 1 kg            
· Sodagrain: 5,5 kg
· Getreide (Weizen, Gerste): 6,0 kg
· Trockenschnitzel: 1,9 kg
· Geschütztes Rapsschrot: 3,0 kg
· Aminosäuren
· Mineralstoffe
Zum ersten Schnitt werden auf dem Betrieb Vadsbo Mjölk 800 ha Grünland geschnitten. Auch hierbei ist alles durchgetaktet und strukturiert. „Der erste Schnitt dauert bei uns fünf bis sechs Tage. Um eine optimale Grassilage zu bekommen, silieren wir rund um die Uhr“, betont Johan Ocklind. Dazu haben sie mit den Mitarbeitern zwei Schichten gebildet, die sich nach einem halben Tag abwechseln.
Um hoch qualitative Silagen erzeugen zu können, haben die Eigentümer in neue Siloanlagen investiert, bei denen auch eine dritte Seitenwand mit mobilen Schottwänden geschlossen werden kann. „Dadurch kann man mit Radladern einen hohen Druck beim Festfahren auf die Silage ausüben, um eine hohe Lagerdichte zu bekommen.“

Die Hinterwand der Siloanlagen kann auch geschlossen werden. (Bildquelle: Ostermann-Palz)

Die Zukunft ist noch ungewiss

Die Kälberaufzucht oder die Grundfutterernte sind nur zwei Beispiele dafür, wie viele Gedanken sich die Verantwortlichen auf dem schwedischen Milchkuhbetrieb über effiziente Arbeitsabläufe machen. Und das trägt Früchte. Nicht nur, dass die Milchleistung bei 11.402 kg Energie-korrigierte-Milch (ECM) mit einem Eiweißgehalt von 3,75 % liegt, auch die betriebswirtschaftlichen Zahlen passen. So lag der Unternehmergewinn inklusive Subventionen in 2022 bei 13,5 ct/kg ECM.
Die Rentabilität passt also. Mit welchen Zielen und Herausforderungen beschäftigen sich die Verantwortlichen dann in den nächsten Jahren? Ein wichtiges Thema wird die Fütterung bleiben: „Derzeit testen wir ein System, dass die tatsächliche Futteraufnahme der einzelnen Kühe am Futtertisch mithilfe eines KI-Systems und Kamera ermittelt. Mithilfe der Daten wollen wir die Fütterung noch intensivieren.“
In der Diskussion ist auch, wie das Melksystem der Zukunft aussehen wird. „Unser Melkkarussell ist jetzt 14 Jahre alt, eine Investition wird in den nächsten Jahren nötig. Doch ob wir wieder in einen konventionellen Melkstand oder in automatisches Melken investieren steht noch nicht fest“, erklärt der Eigentümer. Melkroboter würden auch deshalb attraktiver, weil es immer schwieriger werde, Melker zu finden.

Betriebsspiegel

· Sieben Eigentümer (Anteile 5 bis 26%)
· 1.300 Kühe
· 40% Swedish Red, 60% Holsteins
· Leistung: 11.402 kg ECM
· Melkkarussell 
· Mitarbeiter gesamt: 40 
· 2.500 ha Nutzfläche
· davon 2.300 ha Ackerland mit Fruchtwechsel (1.500 ha ökologisch bewirtschaftet, 750 ha konventionell)
Und am Ende werde auch der Generationenwechsel ein weitere Herausforderung, so Martin Svahn. „Denn die nächste Generation Eigentümer sind keine Landwirte mehr. Es bleibt also spannend!“
Hinweis: Diese Reportage ist im Rahmen des Kongresses der European Dairy Farmers in Skövde (Schweden) im Juni 2023 entstanden.

Info Milchproduktion Schweden:

- Hohe Biosicherheit ist in Schweden gesetzlich vorgeschrieben. Schweden ist frei von TB, ParaTB, IBR und BVD-frei.
- Geringer Antibiotika-Verbrauch. Selektives Trockenstellen ist hier sehr verbreitet.
- Tierwohl wird groß geschrieben. Jeder Kuh müssen mindestens 8,5 m2 zur Verfügung stehen. Weidepflicht besteht auch für konventionelle Milchkuhbetriebe. Alle Tiere, die älter als sechs Monate sind unterliegen dem „Weidegebot“. Sie müssen an mindestens 120 Tagen im Jahr freien Zugang zur Weide haben.
- GMO-frei ist für alle Betriebe Pflicht, schon seit einigen Jahren.
- Die Betriebe wachsen, aber auch hier ist die größte Herausforderung die fehlenden Arbeitskräfte. Es steht viel Fläche zur Verfügung, die weit unter dem mitteleuropäischen Preisniveau liegt.
- Die Nebenerlöse aus den Tierverkäufen, aber auch die Anteile an öffentlichen Prämienzahlungen und Direktzahlungen sind höher als in Deutschland.
- Milchaufkommen in Schweden: 2.764 Mio. kg 2.733 Milchkubetriebe mit einer durchschnittlichen Leistung von 10.917 kg ECM pro Kuh; durchschnittliche Herdengröße 107 Kühe

(Bildquelle: elite)

Scandinavian Dairy Tour

Alles mal ganz anders!

von Birte Ostermann-Palz

Warum auf dem schwedischen Bio-Betrieb Lövåsa Gård hohe Leistungen erzielt werden? Weil hier die Kühe und die Menschen im Mittelpunkt stehen.

Eine hohe AMS-Auslastung mit gezielter Gruppenaufteilung, neue Technik und ein sorgfältiges Herdenmanagement – Familie Stokholm Pedersen ist hochmotiviert.


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