Kälber gesund aufziehen

Automatische Tränke ab Tag Drei

Oliver Bolwerk und Dominik Schwedler ziehen ihre Kälber in einem modernen Stall mit automatischer Tränke auf. Tiergesundheit und Arbeitswirtschaft überzeugen!

Serie „Kälber gesund aufziehen“, Teil 1 Betrieb Bolwerk – Zusammenfassung

Oliver Bolwerk (Emmerich am Rhein, NRW, 170 Kühe) hat 2019 einen neuen Kälberaufzuchtstall nach eigenen Ideen gebaut und auf automatische Tränketechnik umgestellt. Der Milcherzeuger und sein, für die Kälberaufzucht verantwortlicher, Betriebspartner Dominik Schwedler sind hinsichtlich Arbeitswirtschaftlichkeit und Tiergesundheit überzeugt von ihrem Haltungskonzept: Der Stall und die intensive Milchtränke funktionieren so gut, dass Kälbergrippe und Durchfall kein Thema mehr sind und sie auf Schutzimpfungen verzichten können.

Milchtränke – intensiv und automatisch!

Mit einem Ruck stößt das wenige Tage alte Holstein-Kalb während des Milchtrinkens mit dem Maul gegen den Nuckel, sodass der Roboterarm, an dem der Nuckel befestigt ist, beinahe einen halben Meter zurück schwingt. „Die Kälber nehmen das CalfRail gut an“, kommentiert Betriebsinhaber Oliver Bolwerk den „Euterstoß“ des Kalbes, „sie können hier ein sehr natürliches Trinkverhalten ausüben.“
Seit 2019 ist die automatische Einzeltiertränke von Förster-Technik bereits in Betrieb. Gleichzeitig mit der Umstellung auf das automatische Tränkeverfahren hat Oliver Bolwerk auch die Intensität der Milchtränke erhöht.
„Wir sind sehr zufrieden mit den Ergebnissen: die Kälber sind sehr gesund, entwickeln sich bestens und die Tiere aus den ersten Durchgängen überzeugen in der mittlerweile zweiten bis dritten Laktation mit besserer Gesundheit und Milchleistung“, berichtet er, sein Angestellter Dominik Schwedler nickt ihm zu.

Die Kälber können an dem beweglichen Roboterarm des CalfRail ein sehr natürliches Trinkverhalten inklusive „Euterstoß“ ausüben. (Bildquelle: Schwedler)

Die beiden Männer teilen sich die betriebsleitenden Aufgaben und Entscheidungen für den Futterbaubetrieb mit 170 Milchkühen und Nachzucht in Emmerich am Niederrhein, NRW. Dominik Schwedler ist dabei für die Kälberaufzucht verantwortlich. Wir haben sie besucht und uns ihre Kälberaufzucht angeschaut.

Oliver Bolwerk

Betriebsleiter

Dominik Schwedler

Betriebsleiter, Schwerpunkt Kälberaufzucht

Dominik Schwedler hängt einen Nuckeleimer mit frischem Kolostrum an eine besondere Konstruktion am Stallgitter des Einzeliglus. Der Nuckel des Eimers ragt so nicht in den Auslauf hinein, sondern hängt gut dreißig Zentimeter davor. „Wir tränken die Kälber die ersten zwei Lebenstage mit Kolostrum ad libitum aus dem Nuckeleimer,“ erklärt der 24-Jährige. „Dass wir die Kälber von der ersten Mahlzeit an daran Anlernen, aus einem Nuckel zu trinken und ihren Kopf dabei durch das Stallgitter zu strecken, erleichtert es den Kälbern erheblich, sich an das CalfRail zu gewöhnen.“
Jedes Kolostrum wird getestet, auch am Folgetag.“
Dominik Schwedler
Das Kolostrum wir immer mit einem Brix-Refraktometer auf die Qualität überprüft, erst ab einem Brix-Wert von 20 % wird es vertränkt, bevorzugt muttergebunden. Eine Kolostrum-Bank wird ebenfalls geführt, aufgetaut wird seit Neustem schonend in der Spülmaschine (Eco-Waschgang bei 45 °C). „Wir kontrollieren den Brix-Wert gelegentlich auch nach dem Auftauen, um einen Überblick zu behalten, wie es um die Qualität bestellt bleibt“, berichtet Dominik Schwedler.
Zur Standard-Erstversorgung gehört neben einer frühen Kolostrumgabe auch das Desinfizieren des Nabels. Eine Eisen- und Selengabe erhalten nur Kälber, die schwächeln.
Bereits ab ihrem dritten Lebenstag werden die Kälber über den Automaten, der jedes Kalb einzeln anfährt, versorgt. Hier im Betrieb versorgt das CalfRail die Kälber in den ersten vierzehn Lebenstagen fünf Mal täglich, sodass die Kälber bis zu 8 Liter einer hochwertigen Milchaustauscher-Tränke (50 % Magermilchpulver-Anteil) trinken können.
Ab dem 14. Lebenstag kommen die Kälber dann in Kleingruppen von maximal 10 Kälbern pro Gruppe, sprich Tränkeautomat (Förster-Technik). Der hochwertige Milchaustauscher wird nicht umgestellt, sondern durchgetränkt. Getränkt wird 77 Tage lang, mit einen fast ad libitum-Anrecht: alle 2,5 Stunden kann ein Kalb 2,5 l MAT-Tränke am Automaten abrufen. Das System hat eine Tränkekurve von 12 Litern, ruft ein Kalb weniger als 12 l am Tag ab, wird eine Warnung gesendet. Ab dem 35. Lebenstag werden die Kälber dann von ad libitum auf eine Absetzkurve umgestellt und linear bis zum 77. Tag auf 0 Liter abgetränkt. Als Beifutter erhalten die Kälber eine selbst gemischte Trocken-TMR und Heu ad libitum.
Eine Waage zur standardisierten Überwachung der Zunahmen ist geplant, bislang erfolgt diese nur sporadisch, wenn Zeit ist und mittels Maßband. „Die Tageszunahmen liegen bei uns in der Tränkephase bei gut 1.000 Gramm“, berichtet Oliver Bolwerk.

Ab dem 14. Lebenstag werden die Kälber in Kleingruppen von maximal 10 Kälbern gehalten. Die Gruppenhaltung befindet sich räumlich getrennt von dem Einzelhaltungsbereich auf der anderen Stallseite (siehe offene Durchgangstür). (Bildquelle: Schiewer)

Kälber gesund aufziehen

Mehr als 1.000 g Tageszunahmen

von Birte Ostermann-Palz

Intensive Tränke, Hygiene und feste Arbeitsroutinen: Für Betriebsleiterin Laura Bühring sind das die Erfolgsfaktoren für gesunde Kälber und hohe Tageszunahmen.

Tierkontrolle: Mindestens zweimal am Tag – durch die Betriebsleiter!

Nachdem ein Feuer einen großen Teil des Betriebes, darunter auch die Kälberställe, mit einem schweren Schlag zerstörte, hat Oliver Bolwerk den neuen Kälberstall ganz bewusst zentral auf die Hofstelle errichtet. „Am Kälberstall kann man gar nicht oft genug vorbei kommen,“ sagt der Betriebsbesitzer, „Dominik, oder wenn er nicht da ist, ich, gucken mindestens zweimal am Tag durch den Stall und kontrollieren die Kälber und die Tränketechnik.“
Die täglichen Standardarbeiten, wie das großzügige Einstreuen oder das Warten der Automaten, erledigen auch die Auszubildenden im Betrieb. Die verantwortliche Tierkontrolle im Kälberstall ist allerdings, wie das zweimalige Melken der Kühe, „Chef-Sache“. Die beiden Männer legen sehr viel Wert auf eine intensive Versorgung der Kälber und Hygiene im Stall und bei der Milchtränke.
Wer Kälber versorgt, hat idealerweise einen Hygiene-Fimmel!“
Dominik Schwedler
Ihr „Hygiene-Fimmel“ zahlt sich aus: Kranke Kälber sind seltene Einzelfälle, die durch die gute Kontrolle früh erkannt und schnell behandelt sind. Auf Schutzimpfungen gegen Kälbergrippe und Durchfall können sie verzichten, ihre Kälberverluste in der Aufzucht (> 24 Lebensstunden) liegen unter einem Prozent.
„Das Desinfizieren der Nabel ist eine wichtige Prophylaxe, doch ganz wesentlich beugt auch das großzügige tägliche Einstreuen mit gutem Stroh Nabelentzündungen bei uns vor“, weiß Dominik Schwedler.
Ist ein Kalb in den ersten 14 Tagen erkrankt, wird es wieder über einen Nuckeleimer mit MAT und Elektrolyttränke versorgt. Von der automatischen Einzeltiertränke wird es dann nicht mehr angefahren: „Wir möchten eine Ansteckung anderer Kälber auf jeden Fall verhindern und ein erkranktes Tier noch besser im Blick behalten“, erklärt Schwedler.

Praxistipp: So gelingt das Anlernen ans CalfRail problemlos!

Das Anlernen der Kälber an ein CalfRail kann man durch gewisse Vorkehrungen im Vorfeld erleichtern – ein Praxistipp vom Betrieb Bolwerk.

Eine selbstgebaute Halterung für den Nuckeleimer erleichtert das Anlernen der Kälber ans CalfRail. Sie wird einfach mit Steckschrauben fixiert. (Bildquelle: Schiewer, Landwirtschaftsverlag GmbH)

Da Oliver Bolwerk und Dominik Schwedler die Kälber an den ersten zwei Lebenstagen mit muttergebundenem Kolostrum versorgen, tränken sie dieses über Nuckeleimer. Um den Kälbern das Anlernen an das CalfRail ab dem dritten Lebenstag zu erleichtern, haben sie eine spezielle Halterungen für die Nuckeleimer entwickelt. Diese halten die Nuckel vor das Stallgitter, anders als bei den Standardhalterungen an Einzelboxen, welche die Nuckel in den Laufbereich herein halten. So lernen ihre Kälber von Beginn an, dass sie zum Trinken ihren Kopf und Hals ganz durch das Stallgitter strecken müssen. So, wie es zum Trinken am CalfRail ebenfalls erforderlich ist – dessen Arm samt Nuckel fährt vor den Kälberboxen her.
Wichtig es für ein gutes Trinkverhalten der Kälber zudem, dass das Kälberiglu weit genug von der Fahrbahn des CalfRails bzw. des Nuckels entfernt steht, sodass sich die Kälber eben wirklich weit genug aus dem Stallgitter vorstrecken müssen. „Die Kälber dürfen nicht mit den Augen zwischen dem Gitter stehen“, erklärt Oliver Bolwerk, „Wenn sie beim Trinken die typischen Stoßbewegungen machen, können sie ansonsten schmerzhaft anecken – was das Trinkverhalten natürlich negativ beeinflusst!“

Stallkonzept: Zentral, großzügig und luftig

Doch nicht nur das hohe Maß an Hygiene, sondern auch das gute Stallklima trägt zu der guten Tiergesundheit bei. Der Kälberstall ist das Ergebnis jahrelanger betriebsinterner Erfahrungen und dem „reflektierten Geist“ von Oliver Bolwerk. „Vor dem Brand lagen der Bereich der Einzelhaltung und der Gruppenhaltung weit auseinander. Beides war baulich nicht optimal aufgestellt“, erzählt Oliver Bolwerk. „In dem neuen Stall habe ich versucht alle alten Fehler auszuschließen und neue Fehler zu vermeiden.“
Ich bin froh, dass ich meinen eigenen Ideen für den Stall durchgesetzt habe.“
Oliver Bolwerk
Nachdem er seine Gedanken und Ideen nicht in einem Gespräch mit einem Offizialberater berücksichtigt finden konnte, beschloss er den Alleingang mit einem freien Architekten zu wagen. Mit Erfolg! Das Stallkonzept funktioniert, sowohl hinsichtlich der Arbeitswirtschaftlichkeit, als auch bezüglich einer sehr guten Tiergesundheit.
Zu den Details:
  • Der Stall ist in West-Ost-Achse angelegt und durch eine Betonwand längs in zwei Stallbereich aufgeteilt.
  • Auf der Südseite liegt der Bereich der Einzeltierhaltung bis zum 14. Lebenstag in überdachten Einzeliglus, mit einer Abflussrinne für Flüssigkeiten aus den Tierbereichen vor den Ausläufen, diese fängt so auch das Reinigungswasser vom Nuckel des CalfRails sowie heruntertropfende Milch auf.
  • Auf der Nordseite liegt der Bereich der Gruppenhaltung mit insgesamt vier Gruppen, die über zwei Tränkeautomaten versorgt werden.
  • Die Tränkeautomaten stehen in zwei kleinen Milchkammern mit Abflüssen, die in die den Stall in zwei Hälften trennenden Wand (Beton unten, oben Trapezblech) integriert sind.
  • In der Wand befinden sich zudem jeweils Türen zwischen dem Einzeltierhaltungsbereich und den vier Gruppenställen, so können die Kälber einfach aus dem Iglu durch die Türen direkt in die Gruppenboxen geleitet werden.
  • Die Gruppenställe verfügen über Abflüsse, so dass Jauche und das Reinigungswasser vom Hochdruckreiniger gut abfließen können. Nach jeder Gruppe werden die Abteile gemistet, nass gereinigt, desinfiziert und stehen dann einige Tage bis Wochen leer.
  • Verstellbare Wandklappen, „Kälbernester“, stellen den Kälbern einen geschützten Liegebereich zur Verfügung.
  • Das gesamte Dach des Kälberstalls ist gedämmt.
  • Die Nordseite des Stalls verfügt über Curtains, die je nach Witterung manuell gesteuert geöffnet oder geschlossen werden können.
  • Die kurzen Seiten nach Osten und Westen können über Schiebetor geschlossen werden.

Die Vorteile davon, Kälbern höhere Milchmengen zu füttern, sind bekannt. Dennoch setzen nicht alle Betriebe intensive Tränkepläne um – woran liegt es?

Der Mensch entscheidet über das Wohlbefinden von Kälbern in der Aufzucht. Zwei Studien decken Schwachstellen auf und zeigen Strategien zur Verbesserung.

Tiergesundheit

Der Kälber-Check

von Katrin Schiewer

Ein Kalb fällt als schlapp und appetitlos auf – jetzt heißt es sofort zu prüfen, ob es krank ist. Der Kälber-Check hilft dabei systematisch vorzugehen.


Mehr zu dem Thema