Produktionssysteme müssen auf die Bedürfnisse der Kühe abgestimmt sein. Doch in Weidebetrieben müssen sich Kühe in gewisser Weise auch an die Art der Weideführung anpassen, vor allem in ihrem Stoffwechsel.
In erfolgreichen Weide-Betrieben findet man entsprechend „gewachsene“ Systeme: Über Jahrzehnte hat sich die vorhandene Genetik zusammen mit der betriebsindividuellen Ausführung der Weide (z. B. Kurzrasen) und den Abläufen (z. B. Vollweide und auch Weide in der Aufzucht und...
Produktionssysteme müssen auf die Bedürfnisse der Kühe abgestimmt sein. Doch in Weidebetrieben müssen sich Kühe in gewisser Weise auch an die Art der Weideführung anpassen, vor allem in ihrem Stoffwechsel.
In erfolgreichen Weide-Betrieben findet man entsprechend „gewachsene“ Systeme: Über Jahrzehnte hat sich die vorhandene Genetik zusammen mit der betriebsindividuellen Ausführung der Weide (z. B. Kurzrasen) und den Abläufen (z. B. Vollweide und auch Weide in der Aufzucht und für Trockensteher) entwickelt. Das erfordert Konstanz, sowohl in der Zucht als auch im Weidemanagement.
Die genetische Weideeignung varriert bereits innerhalb der Rassen
In Vergleichsstudien schneiden hinsichtlich Robustheit, Futteraufnahme, Aufrechterhaltung der Körperkondition und Fruchtbarkeit sowie der relativen Milchleistung oft kleinrahmige Kühe wie Kiwi-Cross (HF x JER), am besten ab. Aber auch innerhalb der verschiedenen Rassen gibt es diesbezüglich Unterschiede.
Die Milchkuhrassen sind in sich in ihren Typenausprägungen sehr breit aufgestellt, sodass Milcherzeuger bereits auf der reinrassigen Ebene vielfältige Möglichkeiten haben, die für sie passende Genetik zu wählen und zu entwickeln. So ist es nicht verwunderlich, dass hierzulande auf den Weiden nicht nur Kreuzungskühe, sondern auch Milchkühe in reinrassiger Zucht grasen!
Von der Arbeit mit Kiwi-Cross oder anderen Gebrauchskreuzungen hält den ein oder anderen auch ab, dass sie neben dem vorteilhaften Heterosiseffekt der F1 auch Herausforderungen birgt. Geregelt werden muss die Herkunft der F1-Färsen, deren Anpaarung und die Vermarktung ihrer Kälber.
Zucht auf Weideeignung
Erfolgsentscheidend ist immer – unabhängig von der Rasse oder der Gebrauchskreuzung – eine langjährige züchterische Orientierung auf Weideeignung.
Das Exterieur: Vorhandstärke, strapazierfähige Fundamente mit leicht gewinkelten Sprunggelenken, gesunde Klauen und feste, jugendliche Euter erlauben es auch alten Kühen, ausdauernd und zügig die weiten Entfernungen zum Gras laufen zu können.
Kleinrahmige Kühe gelten als geeigneter für Weide (geringere Trittbelastung, geringerer Erhaltungsbedarf). Manche Weidemilcherzeuger bewerten die Größe aber als eher nebensächlich. Entscheidend sei vielmehr, dass die Kühe sich ausbalancieren und damit harmonisch bewegen können.
Die Stoffwechselstärke, die Weidekühe benötigen, ist züchterisch schwieriger zu bearbeiten. Die Kühe müssen in der Lage sein, Schwankungen in der Fütterung auszuhalten und dazu, neben der Milchleistung, auch ihre Körperkondition gut aufrechtzuhalten. Letzteres ist sehr wichtig für Betriebe, die mit geringer oder keiner Zufütterung zur Vollweide arbeiten möchten.
Züchter, die über Kuh-Generationen erfolgreich mit Weidegang arbeiten (ob mit viel oder ohne Kraftfutter), setzen meist stark auf die, sich bei ihnen bewährenden Kuhfamilien. Diese „natürliche“ Selektion erfordert neben Kuhverstand auch Konstanz bzw. Härte in den Entscheidungen über Anpaarungen und Abgänge.
- Im Bullenangebot zeichnen sich die für Weideeignung ausgeschriebenen Vererber über eine überdurchschnittliche Körperkondition sowie hohe Fitness- und Gesundheitswerte aus. Der Zuchtwert für Stoffwechselgesundheit und die genomische Selektion werden den Zuchtfortschritt auch hinsichtlich Weideeignung verbessern können.
- Deckbullen im Weidebetrieb? Tipps dazu finden Sie in Deckbullen: Mr. Right finden & managen und Deckbullen im Milchviehbetrieb sicher halten
In Zukunft auch auf Weidecharakter züchten?
Es gibt Eigenschaften im Verhalten der Kühe, die ihre Weideleistung betrifft, bei denen bisher nicht eindeutig geklärt ist, ob sie eher genetisch oder eher durch Lernverhalten (kognitiv) bedingt sind. Man kann es als den „Weidecharakter“ bezeichnen, der Graseverhalten und Wetterhärte einbezieht.
- So grasen manche Kühe tatsächlich aggressiver als andere. Es finden sich Unterschiede sowohl zwischen den Rassen bzw. Kreuzungen, auf reinrassiger Ebene sowie Einzelkühen.
- Studien können dazu zeigen, das es einen Lerneffekt gibt. So können Kühe nicht nur hinsichtlich Immunität gegen Parasiten von Weidegang in der Aufzucht profitieren, sondern auch, weil sie lernen, hohe Futteraufnahmen aus Gras zu fressen.
In Bezug auf die Wetterhärte sieht es ähnlich aus. Wer eine Herde gut kennt, weiß, dass es Kühe gibt, die selbst bei Dauerregen oder brennender Sonne noch grasen, während andere dastehen und sich „aufgeben“, aber nicht krank sind! Ob diese Härte auf „Abhärtung“ beruht ist fraglich, schließlich erfolgt die Aufzucht innerbetrieblich einheitlich.
Mitläufer oder Einzelgänger?
Verhaltenstests mit Holstein-Kühen im niederländischen Projekt Amazing Grazing zeigen außerdem, dass Kühe mit einem „Mitläufer-Charakter“, also jene, die immer den Anschluss an die Herde suchen, mehr Zeit auf der Weide verbringen und intensiver grasen, als „Einzelgänger-Kühe“.
Für Systeme, in denen die Kühe im Verbund laufen sollen, haben Mitläufer-Charaktere einen Vorteil. Bei der Kombination Weide mit automatischem Melken könnten Einzelgänger-Kühe von Vorteil sein.
Der „Weidecharakter“ könnte u. a. helfen, Gruppenkonstellationen zu optimieren. Ob er durch Zucht oder Training geformt wird, gilt es noch herauszufinden.
Eine Klimatisierung für Vorwartebereich und Melkstand bzw. AMS lohnt sich! Tipps und Beispiele aus der Praxis.