Kühe, die lange liegen, geben mehr Milch! Über Jahre hinweg wurde diese These immer wieder gebetsmühlenartig verbreitet. Elf Stunden mindestens, besser zwölf oder gar 14 Stunden sollte sich eine Kuh in ihrer Liegebox ausruhen, so die Empfehlung vieler Kuhkomfort-Experten. Wie es scheint, ist diese These aber nicht länger haltbar. „Das ist ein Mythos“, erklärte Nigel Cook auf der ADSA-Jahrestagung kürzlich in Cincinatti. „Langes Liegen führt definitiv nicht zu höheren Milchleistungen.“
Laut dem, an der Universität Wisconsin beschäftigten Tierarzt und Berater, gibt es keine Hinweise, dass ein tägliches Abbliegen von mehr als elf Stunden sich positiv auswirkt – weder auf die Milchleistung noch auf die Tiergesundheit. In keiner der während der letzten Jahre durchgeführten wissenschaftlichen Studien ließ sich ein solcher Zusammenhang nachweisen. Vielmehr stellte sich heraus, dass sehr leistungsstarke Kühe – im Vergleich – gar nicht so lange liegen.
Im Liegen heizt die Kuh auf!
Dieser Effekt lässt sich relativ einfach erklären: je höher die Milchleistung, desto mehr Wärme produziert eine Kuh. Sehr leistungsstarke Milchkühe lassen sich durchaus mit einem Kraftwerk vergleichen. Die Wärme muss, ebenso wie im Kraftwerk, schnellstmöglich abgeführt werden, da sonst eine Überhitzung droht. Im Liegen kann die Kuh aber weniger Wärme abgeben als im Stehen. Oder anders ausgedrückt: Im Liegen heizt die Kuh auf!
Interessant ist, dass die absolute Anzahl der Ruhephasen leistungsstarker Kühe sich auch bei hohen Umgebungstemperaturen nicht verändert. Allerdings fallen diese kürzer aus. Unter Hitzestressbedingungen kann sich die tägliche Gesamtliegedauer um bis zu 3,5 Stunden verringern (Anstieg des THI 68 auf 79). Deshalb sollte mithilfe von Ventilatoren für eine konstante Luftbewegung im Liegebereich (Ziel 1 bis 2 m/s) gesorgt werden. Ebenso wichtig ist es, die Feuchtigkeit und Schadgase aus dem Stall heraus zu transportieren (Ziel sind 40 bis 50 Luftwechsel pro Stunde und 2.550 m3 Luft/h pro Kuh). Bei länger anhaltendem Hitzestress ist zu prüfen, ob eine Wasser-Verneblung im Kuhstall angebracht ist.
Lahme liegen länger
Eine verlängerte Liegedauer weist zumeist auf eine (Klauen-)Erkrankung hin, denn kranke Kühe bleiben länger liegen, wenn sie denn mal liegen. Dadurch nimmt die Liegedauer insgesamt zu. Besonders Kühe, die schlecht auf den Beinen sind, liegen länger – je nach Bodenbeschaffenheit 0,5 bis ca. 1,0 Stunden pro Tag. Allerdings sollten auch sehr geringe Liegezeiten als Krankheitskennzeichen gewertet werden. So legen sich z.B. viele lahme Kühe aufgrund von Schmerzen in den Klauen bzw. Beinen erst gar nicht ab; sie bleiben lieber stehen (z.B. mit den Vorderfüßen in der Liegebucht).
Wie viele Stunden eine gesunde Kuh täglich in der Liegebox ruhen sollte, das lässt sich nicht so einfach beantworten. Denn laut Cook wird die Liegedauer maßgeblich von der Beschaffenheit der Liegebox bzw. des Einstreumaterials beeinflusst. So wurden in Studien die geringsten Liegezeiten nach dem Einbau von Wasserbetten beobachtet, etwas länger lagen die Kühe auf Beton und auf synthetischen Komfortmatratzen ab. Die höchste tägliche Liegedauer wurde auf Sand ermittelt.
Weitere Einflussfaktoren, welche die tägliche Liegedauer beeinflussen, sind das Stalldesign, das Stallklima, die Belegungsdichte sowie die Länger der Abwesenheit (Hintrieb zum Melken, melken und Rücktrieb; ideal 3,0 Stunden pro Tag).
Zwölf Stunden genügen
Bleibt festzuhalten:
- Eine gesunde, leistungsstarke Milchkuh sollte 11,5 bis 12,5 Stunden täglich in der Box liegend anzutreffen sein.
- Innerhalb von 24 Stunden sollte die Kuh rund neun bis zehn Mal die Liegebox aufsuchen (zur Erholung scheint eine Liegedauer von 1,2 Stunden zu genügen). Erreichen lässt sich ein solcher Wert sofern der Kuh eine komfortable Tiefbox angeboten wird, der Stall (Abteil) nicht überbelegt, für ein gutes Mikroklima im Liegebereich gesorgt und die Kuh nicht länger als drei Stunden zum Melken „ausgesperrt“ wird.
- Die Tiefschlafphase beträgt pro Tag nur etwa 4 Stunden mit circa 45 Minuten REM-Phase.
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