Die Trennung von Kuh und Kalb ist ein oft heiß diskutiertes Thema. Zunehmend in die Kritik der Öffentlichkeit ist aber auch die Vielzahl erzeugter, aber nicht benötigter Kälber geraten. „In Deutschland fallen jährlich fast eine Million männliche Holsteinkälber an“, weiß Theresa Averbeck, Geschäftsführerin des Bundesverbands der Kälbermäster e. V. Eine Million Kälber, die eigentlich niemand so richtig benötigt. Mehr als zwei Drittel von ihnen mästen (noch) die Niederlande,...
Die Trennung von Kuh und Kalb ist ein oft heiß diskutiertes Thema. Zunehmend in die Kritik der Öffentlichkeit ist aber auch die Vielzahl erzeugter, aber nicht benötigter Kälber geraten. „In Deutschland fallen jährlich fast eine Million männliche Holsteinkälber an“, weiß Theresa Averbeck, Geschäftsführerin des Bundesverbands der Kälbermäster e. V. Eine Million Kälber, die eigentlich niemand so richtig benötigt. Mehr als zwei Drittel von ihnen mästen (noch) die Niederlande, weitere 300.000 verbleiben in Deutschland, ein kleiner Rest tritt die Reise nach Österreich oder Spanien an. Doch beliebt sind die männlichen Holsteins bei den Händlern und Mästern ganz und gar nicht, da ihre Tageszunahmen für die Mast zu gering ausfallen. Wie kann man dem Problem also entgegenwirken?
Die Zwischenkalbezeit verlängern …
Ganz einfach: Es müssen insgesamt weniger Kälber geboren werden! Das würde letztlich zu einer Verknappung des Angebots führen und so die Nachfrage und den Wert der Bullenkälber erhöhen. Das wäre möglich, sofern nicht mehr jede Holsteinkuh auch jedes Jahr ein Kalb auf die Welt bringen würde.
Konkret bedeutet dies, dass die Laktation verlängert werden müsste, indem leistungsstarke Kühe nicht mehr bis zum 100. Tag, sondern noch deutlich später (> 200. Tag) besamt werden. Das mag absurd klingen, doch warum sollten Kühe – wie derzeit üblich – mit mehr als 25 oder gar 30 l Milch trockengestellt werden? Zumal jede Kalbung ein Gesundheitsrisiko für die Kuh darstellt, da sie das Tier physiologisch stark belastet! Obendrein werden produktive Milchtage verschenkt. Deshalb können und sollten vor allem leistungsstarke Kühe mit einer guten Persistenz (flache Laktationskurven) deutlich später besamt werden.
… oder Beef on Dairy?
Durch „Beef on Dairy“ werden weniger vom Markt ungeliebte Kälber geboren. Bei dieser Besamungsstrategie, die sich seit einigen Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut, werden alle züchterisch interessanten Kühe mit weiblich gesextem Sperma besamt, die restlichen Tiere mit Fleischrassesperma (idealerweise mit männlich gesextem Sperma). Doch so einfach diese Strategie auch klingt, hat sie auch Haken: Nicht jede Fleischrassekreuzung ist auf dem Kälbermarkt gefragt. Vor allem Kälber aus der Paarung mit leichtkalbigen Rassen wie z. B. Angus sind in Deutschland ähnlich schwer zu vermarkten wie männliche Holsteins. Die „gefragten“ Fleischrassen (z. B. Weißblaue Belgier) führen bei manchen Kühen wiederum zu schweren Kalbeverläufen. Auf jeden Fall braucht es für Beef on Dairy großrahmige Kühe mit breiten Becken und nachgewiesen problemlosem Kalbeverhalten.
Wichtig: Es dürfen sich keine Nachlässigkeiten beim Fruchtbarkeitsmanagement einschleichen, denn nur wenn die „guten“ Kühe gesext weiblich tragend werden, ist sichergestellt, dass auch alle zur Remontierung vorgesehenen weiblichen Kälber geboren werden.
Auf Fleckvieh umstellen?
In Fleckviehbetrieben stellt sich das Problem mit den Bullenkälbern (noch) nicht, denn sie sind bei Mästern heißbegehrt. In Anbetracht der Tatsache, dass die Zweinutzungsrasse Fleckvieh in den vergangenen Jahren deutlich an Milchleistung aufgeholt hat – nicht wenige Herden kratzen an der 10.000 kg-Schwelle oder haben diese bereits überschritten – muss die Frage erlaubt sein, warum nicht auf Fleckvieh umstellen?
Würde rein rational nach den Kriterien Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz beim Verbraucher entschieden – sehr hohe Milchleistungen bei Fleckvieh unterstellt – dann wäre die Frage schnell beantwortet. Doch so einfach ist die Milchwelt nicht, gerade in Fragen der Rasse (Zucht) spielen persönliche Interessen und Emotionen eine enorm große Rolle.
Bleibt festzuhalten: Eine deutliche Verlängerung der Laktation würde in milchleistungsstarken Holsteinbetrieben zumindest etwas den Druck aus dem Kessel nehmen, da weniger Abkalbungen und damit auch weniger Kälber anfallen, die aufgezogen bzw. vermarktet werden müssten. „Beef on Dairy“ hingegen verspricht Holsteinbetrieben höhere Erlöse und Sicherheiten bei der Vermarktung der nicht zur Remontierung benötigten Kälber. Allerdings eignet sich diese Strategie nicht zur langfristigen Problemlösung, die Kälberanzahl zu reduzieren. Denn weniger Kälber werden durch den vermehrten Einsatz von Fleischrasse-Vererbern nicht geboren. Jeder Milcherzeuger ist gut beraten, gemäß seiner individuellen Bedürfnisse eine eigene Zukunftsstrategie zu erarbeiten, die sich an den gesellschaftlichen Wünschen orientiert: weniger Kälber „produzieren“!
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