Die Besamungsstrategie „Beef on Dairy“, d.h. Milchrassen mit Fleischrassebullen zu besamen, ist aktuell besonders in Holsteinbetrieben weit verbreitet. Durch die Nutzung von genomischen Zuchtwerten können Tiere schon frühzeitig nach ihrem Leistungspotential selektiert werden. Genetisch wertvolle Tiere werden für die Nachzucht von Remontierungsfärsen genutzt, genetisch schwache Tiere werden mit Fleischrassen besamt, weil von ihnen keine Nachzucht erwünscht ist. Hinzu kommt, dass viele...
Die Besamungsstrategie „Beef on Dairy“, d.h. Milchrassen mit Fleischrassebullen zu besamen, ist aktuell besonders in Holsteinbetrieben weit verbreitet. Durch die Nutzung von genomischen Zuchtwerten können Tiere schon frühzeitig nach ihrem Leistungspotential selektiert werden. Genetisch wertvolle Tiere werden für die Nachzucht von Remontierungsfärsen genutzt, genetisch schwache Tiere werden mit Fleischrassen besamt, weil von ihnen keine Nachzucht erwünscht ist. Hinzu kommt, dass viele Betriebe weniger weibliche Nachzucht aufziehen und (männliche) Kälber möglichst rentabel vermarkten möchten.
Der Einsatz von Fleischrassebullen bringt jedoch Risiken mit sich. Die entscheidendste Problematik ist der Einfluss auf den Kalbeverlauf. Kreuzungskälber sind oftmals größer und schwerer und führen daher zu schweren Geburtsverläufen bis hin zu Schwergeburten.
Qualitätskriterien für Fleischrassebullen
Zuchtunternehmen weltweit bieten heute zahlreiche Angebote an Fleischrassebullen an und legen dabei besonders viel Wert auf das Merkmal „Kalbeverlauf“ bzw. „Leichtkalbigkeit“. Dieses Zuchtmerkmal ist besonders wichtig, um Schwergeburten und entsprechend negative Folgen für Kuh und Kalb zu verhindern. Das Merkmal wird entweder durch die Verwendung genetischer Zuchtwerte der Bullen ermittelt und/oder durch die Nutzung von Testherden. Andere wichtige Merkmale bei der Wahl der Bullen sind die Trächtigkeitsdauer, die Spermafruchtbarkeit, die Kälbervitalität und die Fleischqualität.
Es besteht ein riesiger Fokus auf Geburten und Kalbemerkmale, um das Risiko von Diskussionen über Tierwohl zu minimieren.
Lars Nielsen von Viking Genetics (Skandinavien)
Obwohl die Auswahl der Fleischrassebullen anhand derselben Merkmale durchgeführt wird, gibt es je nach Zuchtunternehmen Unterschiede in den Beef on Dairy-Programmen. Die Unterschiede beziehen sich vorwiegend auf die ausgewählten Fleischrassen, die für die Besamung auf Milchkühen zur Verfügung stehen. Einige Rassen zielen vermehrt auf hohe Schlachtgewichte ab, andere auf eine möglichst gute Fleischqualität.
Beef on Dairy-Zuchtprogramme – einige Beispiele:
- In Deutschland werden vorwiegend Weißblaue Belgier eingesetzt. Andere Rassen sind Simmentaler- Fleischrinder, Charolais, Blonde d’Aquitaine, Limousin und ein kleiner Anteil von Angus und Wagyu. Die Rasse Fleckvieh wird auch zur Besamung von Milchkühen eingesetzt. Die weiblichen Nachkommen werden meist als Doppelnutzungstiere vermarktet, die männlichen zur Mast.
- In Gesamt-Europa wird vermehrt die Rasse Blauweiße Belgier und von dieser weiterentwickelte Rassen wie bspw. British Blue eingesetzt. Blauweiße Belgier stehen für ein extremes Muskelwachstum und sind deshalb stark nachgefragt. Die eingesetzten Bullen werden alle mit besonderem Blick auf Leichtkalbigkeit über Testherden geprüft. Erst nach einer gewissen Anzahl von Nachkommen werden Besamungsportionen des Bullen vermarktet.
- Dem Zuchtunternehmen Belgian Blue Group stehen seit neustem auch genetische Zuchtwerte für deren Weißblaue Belgier zur Verfügung. In Italien bildet Superblu als einziges Unternehmen für jeden Bullen Zuchtwerte abhängig von der Mutterrasse. Das bedeutet, dass jeder Bulle verschiedene Zuchtwerte z.B. für den Einsatz bei Braunvieh, Fleckvieh oder Holstein Friesian hat.
- In Frankreich ist die Rasse INRA- 95 populär. Diese wurde speziell für den Einsatz bei Milchkühen gezüchtet und beinhaltet Genetik von Charolais, Blonde d‘Aquitaine, Limousin, Red- Meadows und Piemonteser. Das Zuchtunternehmen Evolution verzeichnet einen starken Zuwachs beim Einsatz von INRA-95.
- „Wir erwarten, dass in ein paar Jahren der Markt nur noch aus gesextem weiblichen Milchviehsperma und gesextem männlichen Fleischrassesperma sowie etwas konventionellem Fleischrassesperma besteht.“, schätzt Lars Nielsen von Viking Genetics, Skandinavien, die Zukunft ein.
- In den USA und Kanada ist der Einsatz von Blackangus und Wagyus sehr populär. Diese Rassen stehen für eine sehr gute Fleischqualität. Sie zielen auf Zuwachs- und Schlachtkörpermerkmale ab. Außerdem wird in den USA eine Kreuzungsrasse basierend auf Simmental- und Angusgenetik genutzt.
- Japans Beef on Dairy-Programme stehen ausschließlich für eine hohe Fleischqualität. Hier werden ausschließlich Wagyus eingekreuzt. Diese stammen aus Japan und weisen eine bessere Fleischqualität und – marmorierung als andere Rassen auf. Auch beim Merkmal Leichtkalbigkeit führen Wagyus die Fleischrassen an.
Tipps für Beef on Dairy
Grundsätzlich gilt: Wer mit Gebrauchskreuzungen erfolgreich arbeiten möchte, braucht eine zielgerichtete Anpaarung und ein intensives Kalbemanagement. Andernfalls übersteigen die Verluste den höheren Erlös für das Kalb schnell. „Beef on Dairy” ist eben kein Garant! Damit die Kälber einen höheren Erlös erzielen können, müssen sie zudem der Nachfrage entsprechen – hier sind Qualität und Uniformität gefragt.
Wichtige Tipps für den Einsatz von Fleischrassebullen:
- ausschließlich nachkommengeprüfte Bullen nutzen (Sicherheit Kalbeverlauf; leichter oder mindestens normaler Geburtsverlauf und niedriges Geburtsgewicht)
- nur bei (Holstein)Kühen (vorzugsweise zum zweiten oder dritten Kalb)
- bei Jerseys fragwürdig, frühstens ab dem dritten Kalb
- nicht bei Kühen einsetzen, die zur Verfettung neigen, die ein schmales Becken aufweisen, die für Schwergeburten bekannt sind oder die einen negativen Zuchtwert für den maternalen Kalbeverlauf (RZkm) aufweisen
- kein Fleischrassebulleneinsatz bei Jungrindern (Kalbeverlauf)
- keine Fleischrasse-Deckbullen (fehlende Informationen)
- bei bestehenden Problemen im Bereich Fütterung, Kalbungen und Nachgeburtsverhalten sind z.B. Limousin und Angus geeignete Fleischrassen, Weißblaue Belgier eher weniger
- auf eigene Erfahrungen vertrauen – bei häufigen Problemen, bsp. mit Weißblauen Belgiern, vorzugsweise auf Angus o.A. setzen (betriebsindividuell abwägen)
- intensivere Geburtsüberwachung
Hinweis: Ein häufiges Argument „pro Fleischrasse“ ist die Befruchtungsleistung. Ob Fleischrassen tatsächlich bessere Befruchter sind, kann aber nicht eindeutig beantwortet werden. „Es gibt Fleischrassebullen, die zu den besten Befruchtern über alle Rassen hinweg gehören. Das gilt meist jedoch nicht für Weißblaue Belgier. Tendenziell liegt deren Potenzial eher unter dem anderer Fleischrassen“, erklärt Dr. Janowitz (RUW).
Quellen: u.a. Holstein International, VOST, RUW
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