Tiergesundheit

Robustere Kühe in nur sechs Monaten?

Die Tiergesundheit der Kühe verbessern in nur sechs Monaten? Die „Sterblichkeit“ der Kühe in nur sechs Monaten um 50% reduzieren? Eine sportliche Herausforderung!

Eine geringe Nutzungsdauer der Kühe belastet nicht nur die Rentabilität der Milchkuhbetriebe, sie führt in der Öffentlichkeit auch vermehrt zu einem Vertrauensverlust in die moderne Milchkuhhaltung. Zwar wurden in den vergangenen Jahren bei der Tiergesundheit deutliche Fortschritte erzielt, doch die Lebensdauer der Milchkühe ist nur geringfügig angestiegen. Dabei müssen mit zunehmender Nutzungsdauer der Milchkühe weniger Rinder nachgezogen werden und es fällt letztlich umgerechnet auch weniger CO2 pro Kuh an.

Internationale Praxisstudie mit 19 Milchfarmen

Wie sich die Nutzungsdauer verlängern und die Sterblichkeit der Kühe verringern lässt, dieser Frage wurde unlängst in einem Praxisprojekt nachgegangen. Teilgenommen an der Studie haben 19 Milcherzeuger und deren Tierärzte aus England, Schweden, Dänemark und Deutschland. Tierärztin Frederike Voß vom Tierärzteteam-Nord (24395 Niesgrau) hat im Projekt vier Milcherzeugern beratend zur Seite gestanden. Während mehrerer Stallbesuche hat sie gemeinsam mit den Milcherzeugern einen individuellen Handlungsplan erarbeitet, um die zuvor formulierten Ziele erreichen zu können. Als wichtige Handwerkzeuge erwiesen sich die Futteranalyse, die MLP-Daten, HIT-Daten, das Lahmheits-Scoring, das BCS-Scoring, die Überprüfung der Faserverdauung im Kot, eine Zeitrafferkamera und Molkereidaten.
Die Arbeitsphase war zunächst nur auf sechs Monate terminiert, im Anschluss sollten dann noch ein bis zwei betriebsbesuche nachfolgen. Zudem sollten die wichtigsten Kennzahlenzahlen noch weitere 18 (insgesamt 24 Monate) verfolgt werden. „In nur sechs Monaten nachhaltige Veränderungen an einem solch komplexen Thema wie der Sterblichkeit zu bewirken, erschien mir zunächst aberwitzig, erinnert sich Frederike Voß. „Im Nachhinein finde ich die kurze Projektphase jedoch sehr passend: Denn so mussten direkt handeln, also analysieren, diskutieren, Beschlüsse fassen und diese dann auch zeitnah umsetzen.“
Wir mussten direkt handeln, analysieren, diskutieren, Beschlüsse fassen und diese dann umsetzen.
Frederike Voß
Die an der Studie teilnehmenden Milchkuhbetriebe haben 107 bis 738 Kühe gehalten (HF, Fleckvieh, Deutsches Niederungsrind), im Boxenlaufstall. Einige Milcherzeuger gewährten ihren Kühen Weidegang. Gemolken wurden die Kühe im Melkstand bzw. mit AMS.

Wunsch nach einer besseren Tiergesundheit

Die Motivation der vier deutschen Milcherzeuger sich an dem Projekt zu beteiligen, war nicht in erster Linie, die Sterblichkeit der Kühe zu senken – diese war in keiner Herde überdurchschnittlich hoch. Im Vordergrund stand bei allen Beteiligten der Wunsch, die Tiergesundheit zu verbessern, insbesondere die durch Mortellaro ausgelösten Lahmheiten zu reduzieren. Ebenso wurde der Blick „von außen“ gewünscht, um die Abläufe im Kuhstall zu verbessern. Als die drei wichtigsten Hauptsterblichkeitsfaktoren wurden ermittelt:
  • Lahmheiten
  • Kälberkrankheiten
  • Verletzungen
Lahmheiten: Kühe sterben nicht an Lahmheiten – aber Lahmheiten sind dafür verantwortlich, dass die Kühe sich nicht so verhalten wie sie es wollen und auch sollen: Die Liegezeiten verlängern sich, die Tiere nehmen weniger Futter auf. Die Entzündungen im Körper verursachen Schmerzen. Zudem bereiten Lahmheiten nicht selten auch einer Fülle weiterer Erkrankungen den Weg. Besonders stark wirken sich Lahmheiten bei trockenstehenden bzw. bei kalbenden Kühen aus: Hier sind durch eine reduzierte Futteraufnahme Probleme vorprogrammiert.
Empfehlung: Regelmäßige Klauenpflege durch einen externen Klauenpfleger. Motellaro-Infektionen wurden mit Salicylsäure-Verbänden behandelt. Infolge der häufiger stattfindenden Klauenpflege traten weniger akute Lahmheiten auf. Zudem wurde die Dokumentation der Klauenpflege eingeführt: Whiteboards wurden angebracht, digitale Programme mit Diagnosen und Behandlungsdaten gefüttert, kleine Taschenbücher für die Hosentasche wurden angeschafft. Kühe mit chronischen Klauenerkrankungen (auch andere außer Mortellaro) verließen den Bestand. Den Milcherzeugern wurde zudem nahegelegt, Bullen mit einem positiven Klauenzuchtwert einzusetzen.

Motellaro-Infektionen wurden mit Salicylsäure-Verbänden behandelt. Infolge der häufiger stattfindenden Klauenpflege traten weniger akute Lahmheiten auf. (Bildquelle: F. Voss)

Weiterhin wurde in den Kuhställen versucht, den Kuhkomfort noch zu verbessern. Nicht nur unbequeme Liegeboxen (verschlissene Matten, Begrenzungsrohre, falsch dimensionierte Liegeboxen), oft sorgte auch zu viel Hitze im Stall sorgt für zu langes Herumstehen der Kühe. Als wirkungsvoll haben sich die folgenden Maßnahmen erwiesen: Anschaffung einer Einstreumaschine und Ventilatoren, Einbau von Windschutznetzen. Im Fall einer Überbelegung wurde die Belegdichte verringert. In einem Betrieb wurden sogar die Trockensteher „ausquartiert!“. Einer der Melkstände wurde mit Gummimatten ausgestattet (woraufhin die Kühe freudig in den Melkstand trabten). Wassertröge wurden ergänzt oder schlauer angebracht.
In Punkto Biosicherheit, die in allen Stallungen als gut eingestuft wurde, genügte es ein wenig in Werkzeug zu investieren, um sicherzustellen, so dass kein Gang mit kotbeschmierten Stiefeln von den Kühen zu den Färsen erfolgt, oder mit dem Kotschaber Kot von den Kühen zu den Färsen transportiert wird. Allen Milcherzeugern wurde eingebläut, keinesfalls von den Trockenstehern direkt zu den Färsen zu gehen.
Kälber: Da hier die Sterblichkeit etwas höher ausfiel, wurde der Aufzuchtbereich ebenfalls unter die Lupe genommen („ein gesundes starkes Kalb ist die robuste hochleistende Kuh von morgen“). Etabliert wurde die Biestmilchaufnahme (3 bis 4 l) sofort nach der Kalbung. Hierzu wurde eine passende Nuckelflasche angeschafft. Milchaustauscher wurden ausgetauscht und die Dosierungen angepasst. Ein Milchtaxi wurde angeschafft. Die vertränkte Menge Milch pro Mahlzeit wurde erhöht. Standflächen für Kälberiglus wurden neu betoniert, deren Anzahl aufgestockt. Zudem wurden Impfprogramme gegen Rindergrippe etabliert und bei Gruppenhaltung ein Kälberschlupf nachgerüstet.
Verletzungen: In einem Milchkuhbetrieb ist knapp ein Viertel der Kühe durch Verletzungen verloren gegangen. Es stellte sich heraus, dass die Kühe häufig ausrutschten. Deshalb wurde der Spaltenboden durch den Dienstleister aufgeraut.

Deutlich weniger Abgänge

„Die Sterblichkeit der Kühe ist ein sehr emotionales Thema“ weiß Tierärztin Frederike Voß. „Dieses Thema anzugehen, verlangt Überwindung. Gerade deswegen war es für mich ein großartiges Erlebnis zu sehen, welch große Veränderungen in der kurzen Zeit umgesetzt wurden und mit welch großartigem Ergebnis. So gelang es u.a. die Lahmheitsinizdenz deutlich zu verringern und den Zellgehalt zu senken. All das führte zu einer Abnahme der Sterblichkeit der Kühe um 3 %.“

1 | Deutliche Verbesserung der Kennzahlen

Hinweis: das beschriebene Projekt wurde von dem Molkereiunternehmen Arla finanziell gefördert.
 

Nur gesunde Kühe geben viel Milch und bleiben lange im Bestand. Deshalb gilt es, die Kühe immer im Auge zu behalten und schnell zu reagieren. Wir geben Tipps!

Schon zu Beginn eines Klauenproblems verändern Kühe ihr Verhalten. Das früh zu erkennen, ist möglich - und gar nicht so aufwendig wie gedacht!