Auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz in Sachsen feierte der Wolf vor 22 Jahren sein Comeback in Deutschland. Nach 150 Jahren „Wolfsfreie-Zone“ eroberte das Raubtier in den darauffolgenden Jahren zügig die alte Heimat zurück. Zum Schrecken aller Weidetierhalter. Die...
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Auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz in Sachsen feierte der Wolf vor 22 Jahren sein Comeback in Deutschland. Nach 150 Jahren „Wolfsfreie-Zone“ eroberte das Raubtier in den darauffolgenden Jahren zügig die alte Heimat zurück. Zum Schrecken aller Weidetierhalter. Die Schlagzeilen von gerissenen Schafen, Rindern und Pferden häuften sich.
Wer seine Kühe heute auf der Weide hält, fürchtet den Wolf. Zu viele schaurige Geschichten kursieren in der Branche. Sogar von Wölfen, die in Kuhställe eindringen. Doch was steckt wirklich dahinter? Wo ist der Wolf in Deutschland unterwegs? Wir haben uns die vom Bundesamt für Naturschutz veröffentlichten Daten mal genauer angeschaut und auch hinterfragt, wie belastbar die Statistik ist.
Rasante Zuwächse ausgebremst
Im Wolfsjahr 2021/22 gab es offiziell gezählt 161 Wolfrudel in Deutschland. Hinzu kommen 43 bestätigte Wolfspaare und 21 sesshafte Einzelwölfe. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Zuwachs von lediglich vier Rudeln. Bei Betrachtung des Zuwachses seit der Wiedereinwanderung zeigt sich, dass die Anzahl Wölfe nicht mehr so stark zunimmt wie zu Beginn.
Insgesamt wurden in den Wolfsterritorien 1.175 Tiere nachgewiesen. Darunter 423 adulte Wölfe, 550 Welpen und 98 Jungwölfe (2. Lebensjahr). Der Rest konnte nicht eindeutig einer Altersklasse zugeordnet werden. Bei den Zahlen handelt es nicht um Hochrechnungen, sondern um nach einheitlichen Standards ermittelte robuste Daten. Diese beruhen auf Auswertungen von insgesamt mehr als 30.000 Hin- und Nachweise. Dazu zählen auch Kamerabilder oder genetische Bestätigungen.
Der Deutsche Bauernverband schätzte die tatsächliche Anzahl Wölfe in Deutschland für das Jahr 2021/22 übrigens auf 1.500 bis 2.700 Tiere. Die Hochrechnung ergibt sich aus den gezählten Rudel im Jahr 2020/21 plus der durchschnittlichen Totfunde und Zuwachsraten der letzten vier Jahre. Da der Zuwachs im letzten Jahr unter den Erwartungen liegt, wird die Spanne etwas tiefer liegen.
Wölfe von Sachsen bis zur Nordsee
Das Wolfsaufkommen ist in Sachsen, dem Bundesland wo sich auch das erste Wolfspärchen im Jahr 2000 niederlies, nicht am höchsten. Die meisten Territorien gibt es mit 61 Rudeln, Paaren und Einzeltieren in Brandenburg. Wie ein breites Band ziehen sich die Wolfsterritorien durch Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern über Niedersachsen bis zur Nordsee. Es gibt aber auch in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Hessen und Thüringen nachgewiesene sesshafte Wölfe.
Als Lebensraum eignen sich nicht nur Waldgebiete. Eine Studie aus 2020 (Kramer-Schadt et al. 2020) ermittelte bundesweit 700 bis 1.400 potenzielle Wolfsreviere. Bei derzeit 161 gezählten Wolfsrudeln ist also noch deutlich Luft nach oben.
70 % der Wölfe sterben im Straßenverkehr
Im Jahr 2021/22 wurden 148 Wölfe tot aufgefunden. Die Todesursachen gliedern sich wie folgt:
Verkehrsunfälle: 102
Natürlicher Tod: 18
Illegale Tötung: 13
Unklar/noch offen: 13
Gezielte Entnahme: 2
Fast 70 % aller totgefundenen Wölfe starben laut dieser Statistik im Straßenverkehr. Der Anteil dürfte aber auch deshalb so hoch sein, da Verkehrsunfälle genau überwacht und dokumentiert sind. So lässt sich mutmaßen, dass längst nicht alle toten, insbesondere illegal getöteten, Wölfe auch gefunden werden.
Die unter ökologischen Bedingungen nicht erklärbare Sterblichkeit würde Aufschluss geben, wie viele Wölfe möglicherweise illegal bejagt werden. Für Deutschland fehlen aber bisher wissenschaftliche Daten für diesen Zusammenhang.
Immer mehr Wolfsangriffe
Für die größten Diskussionen sorgen die zunehmenden Angriffe des Wolfes auf Nutztiere. Von den 3.374 Übergriffen waren im letzten Jahr insgesamt 251 Rinder betroffen. Das entspricht 7 % aller vom Wolf geschädigten Tiere (verletzt, vermisst, getötet). Die größten Schadenszahlen wiesen Schafe mit 2.772 Tieren, Rinder mit 251 Tieren, Gehegewild mit 202 Tieren und Ziegen mit 109 Tieren auf.
Bei Rindern fallen nach Angaben des DBBW vor allem jüngere Tiere dem Wolf zum Opfer. 75 % der geschädigten Rinder im Jahr 2021 waren jünger als zwei Monate, die meisten (59 %) sogar jünger als zwei Wochen.
Zu den 3.374 vom DBBW genannten Übergriffen gehören nur solche, die offiziell dem Wolf zugeordnet werden konnten. Gibt es da möglicherweise eine viel höhere Dunkelziffer? Wir haben das für das Bundesland Niedersachsen und die geschädigten Rinder mal nachgerechnet.
Ungeklärte Fälle nicht einberechnet
Für Niedersachsen gibt das NLWKN eine Tabelle mit Nutztierschäden nach Tierarten, Jahren und Schadensverursachern aus. Im Jahr 2021 kamen in Niedersachsen insgesamt 92 Rinder zu Schaden (getötet, verletzt, verschollen). In 47 Fällen konnte amtlich nachweislich der Wolf als Verursacher festgestellt werden. Diese Rinder lassen sich auch in der Statistik des DBBW wiederfinden.
Bei 24 Rindern war der Wolf nicht nachweisbar, z.B. durch ein uneindeutiges Rissbild oder eine unzureichende DNA-Probe. Dass der Wolf trotzdem seine Pfoten im Spiel hat, ist bei diesen Fällen aber nicht eindeutig auszuschließen. Das steht ausdrücklich auf der Internetseite des NLWKN und wurde von der Pressestelle auf unsere Anfrage hin auch bestätigt. Trotzdem werden diese Fälle in der Statistik des DBBW nicht zusätzlich aufgeführt. Die Dunkelziffer dürfte also deutlich größer sein, als die offiziell angegebene Zahl der geschädigten Tiere.
Geht der Wolf auch in die Ställe?
Ein interessanter Punkt ist, ob Wolfsübergriffe ausschließlich auf der Weide oder auch schon auf Hofstätten stattgefunden haben. Das haben wir beim Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz nachgefragt und folgende Antwort erhalten:
Übergriffe in der Nähe von Ställen sind die Ausnahme.“
Lotta Cordes, stellvertretende Pressesprecherin
„Die überwiegende Zahl von Nutztierrissen bei Rindern findet auf Weiden statt – in Einzelfällen sind Rinder auf Weiden betroffen gewesen, die nah an bebauten Höfen o.ä. lagen. Das stellt aber die Ausnahme dar. Vorfälle oder Nutztierrisse, bei denen Wölfe in Ställe eindrangen, sind uns nicht bekannt.“ Während in Niedersachsen noch keine Fälle bekannt sind, kam es in Brandenburg beispielsweise in 2018 bereits zu einem Übergriff im Stall. Aber auch hier ist das eine Ausnahme.
Was tun, wenn Verdacht auf einen Wolfsriss besteht?
Das Wolfsmanagement liegt in Deutschland in der Zuständigkeit der Bundesländer. Im Falle eines Übergriffs an Ihren Tieren, sollten Sie sich schnellstmöglich an den Wolfsbeauftragten Ihres Bundeslandes wenden.
Weitere Informationen zur aktuellen Lage, Schutzmaßnahmen und Entschädigungen für die jeweiligen Bundesländer finden Sie hier: hier klicken!
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