Viele Zuchtrinder, sowohl tragende als auch abgekalbte, gehen in den Export. Den Milcherzeugern ist die große Relevanz der Exporte am Zuchtviehmarkt bewusst, doch über die Bedingungen des Exports ist meist eher weniger bekannt. Viel mehr sind es die erschreckenden Bilder, die oft in den Medien zu sehen sind. Sie verunsichern nicht nur Verbraucher, sondern auch die Tierhalter selbst, die ja ihre Tiere gut versorgt wissen wollen. „Wichtig ist, dass sich alle Beteiligten in der Transportkette an die geltenden Bestimmungen halten. Angefangen bei Milcherzeugern selbst bis hin zum Spediteur“, betont Klemens Oechtering, Vermarktungsleiter der RUW.
Die Zielländer der Rinderexporte sind oftmals auf den Import abgekalbter oder tragender Rinder angewiesen, so auch beispielsweise Italien. Im Norden des Landes wird sehr intensiv Milch erzeugt. Hier setzen viele Betriebe bei der Besamung komplett auf Fleischrassesperma, um mit der knappen Grundfuttersituation ohne eigene Nachzucht klarzukommen. Von dieser „Remontierungsabhängigkeit“ profitiert letztlich der deutsche Zuchtrindermarkt.
Im September besuchten wir die Auktion der RUW. Dort begleiteten wir die Abfertigung eines Exports abgekalbter Färsen nach Norditalien. 2020/21 exportierte die RUW ca. 1.300 Färsen an ihre Stammkunden.
Vorschriften im Überblick
Folgende Vorschriften (Verordnung (EG) Nr. 1/2005 & TierSchTrV) müssen u. a. vor der Abfahrt von EU-Exporten erfüllt sein:
- Zulassungs- und Befähigungsnachweise vom Spediteur, Lkw und Fahrern
- Das Transportmittel schützt die Tiere vor Verletzungen und bietet Sicherheit.
- 1,6 m2 Platz pro abgekalbter Färse; Standhöhe: 1,85 m
- Reinigung und Desinfektion; Nachweis im R+D-Buch
- Einstreu, für ausreichend Trittsicherheit
- Ausreichend Futter und Wasser
- Transportfähige Rinder: gesund, ohne Verletzungen, zwei Ohrmarken zur Identifizierung
- Die Transportdauer ist möglichst kurz zu halten. Vor der Abfahrt muss die geplante Route genehmigt werden
- Transportpapiere: Herkunft der Tiere, Versandort, Tag und Uhrzeit der Beförderung, vorgesehener Bestimmungsort, voraussichtliche Dauer der geplanten Beförderungen
Tier- und Lkw-Kontrolle vor der Abfahrt
Soweit die Vorgaben. Wir wollten aber auch wissen, welche Erfahrungen Beteiligte gemacht haben:
Jede Woche nach Italien
Das Transportunternehmen Faselt exportiert mit vier Lkws abgekalbte Färsen nach Italien und England, ab und zu auch nach Spanien. Zudem fahren sie tragende Rinder bis nach Estland. Im Interview mit Elite hat André Faselt über seine Erfahrungen beim Export gesprochen:
Elite: Sind die Abfahrtskontrollen an jedem Standort gleich?
Faselt: Die Kontrollen fallen oft sehr unterschiedlich aus. Manchmal wird zum Beispiel die Reinigung und Desinfektion schon vor dem Einstreuen kontrolliert. Woanders wiederum müssen wir kurz vor dem Einstreuen am Ort des Verladens erneut desinfizieren. Hier in Hamm sind wir seit mehreren Jahren als Spediteur aktiv und bei den Veterinärkontrollen wurde noch nichts beanstandet. Grundsätzlich gibt es ein großes „Nicht-Vertrauen“ der Veterinärtierärzte gegenüber den Spediteuren, dass es nicht richtig gemacht wird.
Elite: Die Sorge der Veterinärämter ist also unbegründet?
Faselt: Ich kann natürlich nur für mich und mein Unternehmen sprechen. Aber ich habe keine Angst davor, dass ich bei der Fahrt angehalten werde, wegen angeblichen Tierschutzverstößen. Wenn ich gegen Vorschriften verstoßen würde und es auffliegen würde, ruft mich der italienische Kunde beim nächsten Mal doch bestimmt nicht wieder an. Also ist es auch in meinem Sinne, dass von den Papieren, über den Lkw bis hin zu den Tieren alles richtig gemacht wird.
Elite: Was passiert vor der Abfahrt eines Exports?
Faselt: Die Planung fängt freitags vor der Auktion an. Der Kunde sagt uns vorläufig, wie viele Färsen er auf der Auktion kaufen möchte und wo die Zielbetriebe liegen. Dann erstelle ich vorläufige Transportpapiere. Ob wir eine Melkstelle in der Nähe von Würzburg oder München wählen, hängt letztendlich von der Entfernung zum Zielort ab. Wichtig ist, dass wir die Melkstelle in maximal zwölf Stunden erreichen und der Milchkuhbetrieb in Italien von dort maximal zwölf Stunden entfernt ist. Die fertigen Papiere reichen wir am Auktionstag beim Veterinärtierarzt vor Ort für die Genehmigung ein. Anschließend überprüft er die Zulassungen für das Transportunternehmen, den Lkw und die beiden Fahrer. Zusammen kontrollieren wir den Lkw. Mit der Kontrolle der Tiere haben wir als Spediteure nichts zu tun.
Elite: Wie verhalten sich die Tiere während der Fahrt?
Faselt: Selten hat man das Pech, einen Unruhestifter verladen zu haben. Das sind Tiere, die während der Fahrt überhaupt nicht zur Ruhe kommen und dadurch ihr ganzes Abteil auf Trab halten. Im Normalfall stehen die Rinder aber sehr ruhig und wir merken sie beim Fahren kaum. Nach kurzer Eingewöhnung legen sich einige Rinder auch hin.
Elite: Wie läuft die Pause bei der Melkstelle ab?
Faselt: Bei der Melkstelle laden wir alle Tiere für etwa zwei Stunden ab. In der Zeit melkt das Personal vor Ort sie – immer nur vier Kühe gleichzeitig. Währenddessen können sie fressen und trinken. Wir nutzen die Pause, um die Wassertanks mit 850 Liter für zweite Hälfte der Fahrt aufzufüllen. Das Tränkeangebot während der Fahrt nehmen die Tiere auf jeden Fall immer an. Vor der Weiterfahrt werden dann die Transportpapiere vom Personal vor Ort gestempelt. So können wir die Melkpause nachweisen.
Elite: Wie wird der Seuchenschutz dort gewährt?
Faselt: Die Betreiber müssen nach jedem Zug der dort Pause macht, alles reinigen und desinfizieren. Das macht das Treiben der Rinder nicht unbedingt leichter. Aber aus seuchenhygienischen Gründen ist die Melkstelle so sicher.
Elite: Und gibt es noch weitere Kontrollen auf der Fahrt?
Faselt: Die ganze Fahrt wird online mittels GPS- und Temperatursensoren überwacht. Vor der Abfahrt gebe ich dem Veterinär die Zugangsdaten, auf die er auch noch nach der Fahrt Zugriff hat. Zusätzlich gibt es stichpunktartige Autobahnkontrollen. Wenn wir in Italien ankommen, laden wir die Tiere dann nur noch ab und lassen die Transportpapiere vom neuen Besitzer unterschreiben, um sie anschließend an das zuständige Veterinäramt in Deutschland zu senden. Unseren Lkw reinigen und desinfizieren wir an einem Waschplatz und verbinden die Rückfahrt, wenn möglich, mit einem weiteren Rindertransport in Richtung Heimat.
Elite: Wie kommt es zu tierschutzwidrigen Transportbildern?
Faselt: Die Bilder kennt natürlich jeder und stellen alle Transporte in ein schlechtes Licht. Sie entstehen meiner Meinung nach bei Tiertransporten vor Ort, also z. B. innerhalb von Marokko. Ich kann durchaus verstehen, dass sich sowohl Verbraucher als auch Tierhalter vor solchen Bildern erschrecken. Aber dennoch darf man deshalb nicht alle Transporteure über einen Kamm scheren!
Elite: Wie oft kommt es zu Transportverletzungen?
Faselt: Seit sechs Jahren, in denen ich Exporte fahre, hatte ich nur ein Rind, das sich auf der Fahrt ein Bein gebrochen hat, sonst nicht eine Verletzung. Aber man darf dabei auch nicht vergessen, dass sowas nun mal auch im Stall oder bei einem Transport von 15 Minuten passieren kann.
Elite: Gibt es Punkte, die Sie verändern würden, wenn Sie könnten?
Faselt: Definitiv. Manche Vorschriften sind fragwürdig. Ich hinterfrage zum Beispiel die Regel, bei punktuellen Temperaturen ab 30 °C nicht mehr zu fahren, da der Fahrtwind auch Abkühlung bringt. Das zeigen die Thermometer im Lkw. Aber über sowas braucht man eigentlich nicht sprechen. Gesetz ist Gesetz und da sollten sich alle dran halten!
99 % der Exporte kommen pünktlich an
Dr. Tobias Kirschner ist Veterinärtierarzt beim Kreis Unna und jeden Monat verantwortlich für die Abfertigung der Rinderexporte vom Auktionsstandort der RUW in Hamm. Er kontrolliert jeden Transport der Tiere, unabhängig von der Entfernung, ins Ausland exportiert und stellt ein Attest (= Transportpapiere) aus:
Elite: Was ist Ihnen bei der Abfahrtskontrolle wichtig?
Dr. Kirschner: Die Tiere müssen gut ankommen! Ich setze meine Unterschrift auf die Transportpapiere und bin verantwortlich. Wenn etwas Tierschutzrelevantes in einer Kontrolle entdeckt werden würde, würde nicht nur der Spediteur, sondern auch ich zur Rechenschaft gezogen werden. Grundvoraussetzung ist, dass die Rinder so sicher wie möglich am Zielort ankommen. Dafür müssen alle Systeme des Lkws ausnahmslos funktionieren. Die Tiere müssen frei von Verletzungen, gesund und leer gemolken sein und Platz, Futter und Trinken haben.
Elite: Wie wird die Fahrt kontrolliert?
Dr. Kirschner: Modernste Technik ermöglicht eine Online-Kontrolle. Alle Lkws sind sowohl mit einem GPS- als auch mit einem Temperaturüberwachungssystem ausgestattet, auf die ich online Zugriff habe und auch im Nachgang kontrolliere. Ich kann also prüfen, wann und wo der Lkw ist und ob sich der Fahrer an die geplante Route hält. Sensoren an der Lkw-Klappe verraten mir, wann und wie lange die Melkpause dauert. Ob die Tiere dort wirklich abgeladen werden, kann ich jedoch nur über sinkende Temperaturen nachvollziehen.
Elite: Was ist, wenn es bei dem Transport Stau gibt?
Dr. Kirschner: Bei einem Stau kann sich die Route ändern, steht der Lkw in einer Vollsperrung, ist das aber so. Dann werden die Tiere von den Reservekapazitäten versorgt. In 99 % der Fälle kommt der Lkw aber vor der geplanten Ankunftszeit am Zielbetrieb an.
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