Die Kühe stehen bereits am Futtertisch, aber sie müssen nicht lange warten. Der Futterwagen nähert sich, jedoch ohne einen menschlichen Fahrer am Steuer. Sven Klingemann setzt in seinem Milchkuhbetrieb konsequent auf die Unterstützung von Robotern. „Ich hab halt Bock auf Technik“, sagt er lächelnd.
GESTERN – HEUTE – MORGEN
2008 stieg Sven Klingemann in den Betrieb seiner Eltern ein und begann sofort mit der Automatisierung. Heute melken vier Roboter die Kühe, eine...
Die Kühe stehen bereits am Futtertisch, aber sie müssen nicht lange warten. Der Futterwagen nähert sich, jedoch ohne einen menschlichen Fahrer am Steuer. Sven Klingemann setzt in seinem Milchkuhbetrieb konsequent auf die Unterstützung von Robotern. „Ich hab halt Bock auf Technik“, sagt er lächelnd.
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2008 stieg Sven Klingemann in den Betrieb seiner Eltern ein und begann sofort mit der Automatisierung. Heute melken vier Roboter die Kühe, eine automatische Fütterung und Spaltenroboter sowie Brunsterkennung und Genotypisierung sind Teil des Betriebskonzepts. Die Bestandserweiterung ist in Zukunft nicht geplant, jedoch sollen einzelne Stellschrauben optimiert werden.
Mutig voran
Im Jahr 2008 übernahm Sven Klingemann den elterlichen Betrieb mit nur 60 Kühen und einer Fläche von 90 Hektar. Doch der junge Landwirt hatte einen klaren Plan vor Augen, er wollte die Kuhherde aufstocken und dabei so wenig wie möglich auf fremde Hilfe angewiesen sein. Im Jahr 2010 baute er einen neuen Stall und führte die ersten beiden Melkroboter ein. Er stellte nach und nach Kühe zu und erweiterte die Betriebsfläche über die Jahre auf 225 Hektar. Die Leistung der Herde konnte er von damals 10.000 kg bis heute auf 13.100 kg erhöhen.
„Mit dem Umbau haben wir mehrere Leistungsschübe erlebt. Ein neuer Stall und mehrmaliges Melken am Roboter haben einen enormen Unterschied gemacht“, erzählt der Milcherzeuger. Eine 75-Kilowatt-Biogasanlage und ein neues Wohnhaus folgten.
2018 vollzog sich eine zweite Stallerweiterung, um Platz für vier Melkroboter und mehr Kühe zu schaffen. Zusätzlich investierte Sven Klingemann in die automatisierte Fütterung. Heute werden insgesamt 300 Kühe gemolken.
Keinen Schritt bereut
Für den jungen Betriebsleiter waren die letzten 15 Jahre also eine spannende Zeit: „Als junger Mensch überlegt man ja schon, ob die Investitionen sinnvoll sind.“ Rückblickend bereut er keine seiner Entscheidungen. Seine Begeisterung für Technologie trieb ihn stets an.
„Meine Eltern standen immer hinter mir und haben mich in meinen Entscheidungen unterstützt“, betont er. „Wenn es etwas gibt, das ich heute anders machen würde, dann bei der Größe der Biogasanlage. Sie ist in ihrer Erweiterung leider etwas begrenzt. Ansonsten bin ich rundum zufrieden, wie alles gekommen ist.“ Sven Klingemanns Geschichte zeigt, dass Automatisierung nicht immer um jeden Preis angestrebt werden muss, sondern dass es auf das richtige Maß und die richtige Balance ankommt.
Ich hab halt Bock auf Technik.
Sven Klingemann
Effizientes Arbeiten
Heute führt Sven Klingemann einen Betrieb, der sich auf Automatisierung, effiziente Arbeitsprozesse und Energieautarkie stützt. Die Investitionen der vergangenen Jahre haben sich mehr als bezahlt gemacht und führten zu einer erheblichen Arbeitsentlastung und Zeitersparnis.
Auf dem Betrieb arbeiten zurzeit ein fester Mitarbeiter, drei Auszubildende und eine Arbeitskraft auf 450-€-Basis. „Selbstständigkeit und eigenverantwortliches Arbeiten sind uns besonders wichtig und werden bei unseren Auszubildenden gefördert“, erklärt Klingemann. „Die Arbeit mit jungen Leuten macht mir großen Spaß und sie bringen frische Erkenntnisse und Impulse mit auf den Hof.“ Die Arbeitszeiten sind so organisiert, dass die Mitarbeiter und er nur alle drei Wochen am Wochenende arbeiten müssen. „Ohne die Technik im Stall, die Biogasanlage und die automatisierte Fütterung wäre das so nicht möglich“, betont er. Wie erfolgreich sein Management ist, lässt sich auch an der Auszeichnung „die Goldene Olga“ erkennen, die er im Jahr 2012 gewann und auf die er zurecht stolz ist.
Betriebsspiegel
300 Kühe
13.100 kg Milch
225 Hektar
1 Betriebsleiter, 1 Vollzeitkraft, 3 Auszubildende, 1 Minijobber
„Vollautomatisierte“ Kühe
Die Melkroboter ermöglichen eine beeindruckende Milchleistung von durchschnittlich 41,7 kg pro Kuh, bei einem Fettgehalt von 3,72 % und einem Eiweißgehalt von 3,35 %. In Bezug auf die Reproduktion vertraut der Milcherzeuger auf Brunsterkennung und Genotypisierung.
Die Fütterung erfolgt über einen Lely Vector Fütterungsroboter. „Ich habe keine Ahnung, was der genau macht“, gesteht Sven Klingemann schmunzelnd. „Der Roboter arbeitet vollkommen autonom und muss nicht täglich von mir eingestellt werden. Das System überwacht den Futterstand und füttert nach Prioritäten.“ Der Roboter erkennt genau, wann eine Gruppe gefüttert werden muss und agiert entsprechend.
Futter auf Quadraten lagern
Beim Verlassen des Stalls führt uns Sven Klingemann zur Futterhalle. Auf dem Boden sind verschiedene Quadrate markiert, an denen in verschiedenen Abteilen die Futterkomponenten aufgefüllt und abgelegt werden müssen. Die Silage wird in Blöcke geschnitten, ab diesem Zeitpunkt funktioniert alles automatisch. Ein Greifarm, der über den Computer gesteuert wird, mischt das Futter individuell je nach Tiergruppe. Während der Roboter seine Aufgabe erfüllt und das Futter präzise platziert, stellt sich die Frage, warum der junge Landwirt sich nicht für einen Selbstfahrer entschieden hat. „Wir haben das durchaus in Erwägung gezogen und getestet, aber das System war meiner Meinung nach sehr teuer und schwer im Umgang“, erklärt er. „Da auch unsere Azubis ohne Probleme alles bedienen können sollen, habe ich mich dagegen entschieden.“
Bedenken der Kollegen
Aufgrund des hohen Technisierungsgrades sieht sich Sven Klingemann oft mit Fragen von Berufskollegen konfrontiert. „Die häufigste Frage ist, ob das System vernünftig mischt und ob das Siloentnahme-Gerät effizient arbeitet“, berichtet er. „Es ist jedoch so, dass dieses System nur damit ordentlich funktioniert.“ Alternativ könnte das Futter mühsam von Hand geladen werden. „Aber nur über die Blöcke können wir das Futter stabil halten“, erklärt er.
Eine weitere häufig gestellte Frage betrifft den Kontakt zu den Tieren. Der Kuhliebhaber kann dies schnell klären, als er zwischen seinen Tieren steht und von ihnen umringt wird. „Eigentlich wird der Grundstein für eine zutrauliche Kuh doch bereits bei der Kälberaufzucht gelegt.“
Kälberaufzucht ist Handarbeit
Die Kälberaufzucht ist der Bereich auf dem Betrieb, bei dem Sven Klingemann bewusst auf Automatisierung verzichtet. Hier hält er die individuelle Betreuung der Kälber für unerlässlich. Auf die Frage, ob er in Zukunft die Automatisierung in Erwägung zieht, antwortet er klar mit „Nein.“
„Die Technologie ist meiner Meinung nach noch nicht ausgereift genug“, erklärt er. „Zudem können wir durch die Kälberaufzucht den Auszubildenden ein besseres Verständnis für die Tiere vermitteln.“ Er denkt jedoch darüber nach, effizientere Lösungen wie eine Eimer-Waschanlage einzuführen, um Zeit bei der Reinigung der Eimer zu sparen.
Wo geht die Reise hin?
Durch die Automatisierung sieht er sich in Zukunft auch im Vorteil zu den Milchkuhbetrieben, die vor allem auf Fremdarbeitskräfte setzen. Trotz der Herausforderungen durch die Politik und den Klimawandel ist Sven Klingemann zuversichtlich. „Wir sind gut aufgestellt und verfolgen ein durchdachtes Konzept. Wir werden zwar nicht expandieren, aber in der aktuellen Form hat der Betrieb auch in den kommenden Jahren eine Zukunft“, betont er. Seine Ziele für die nächsten Jahre sind klar definiert: Er will die vorhandenen Technologien weiter optimieren, die Grundfutterleistung steigern, die Sortenwahl verbessern und in Betracht ziehen, Mais aus Regionen mit fruchtbareren Böden zu kaufen. Doch am wichtigsten ist ihm die Aussicht auf mehr Zeit mit seiner Familie und Freunden.
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