Euterentzündungen kosten Milcherzeuger jedes Jahr eine Menge Geld (je nach Laktation ca. 300 bis 370 €). Betrachtet man die Häufigkeit der Erkrankungen kosten Euterentzündungen mehr als alle anderen Erkrankungen zusammen. Das liegt zum einen daran, dass immer noch sehr viele Kühe eine Mastitis aufweisen (Übersicht 1), zum anderen aber auch an dem immer noch sehr hohen Einsatz von Antibiotika, den oft langwierigen „Nachwehen“ der Mastitiden und nicht zuletzt an dem enormen Milchverlust,...
Euterentzündungen kosten Milcherzeuger jedes Jahr eine Menge Geld (je nach Laktation ca. 300 bis 370 €). Betrachtet man die Häufigkeit der Erkrankungen kosten Euterentzündungen mehr als alle anderen Erkrankungen zusammen. Das liegt zum einen daran, dass immer noch sehr viele Kühe eine Mastitis aufweisen (Übersicht 1), zum anderen aber auch an dem immer noch sehr hohen Einsatz von Antibiotika, den oft langwierigen „Nachwehen“ der Mastitiden und nicht zuletzt an dem enormen Milchverlust, der mit einer Euterentzündung einhergeht. All diese Faktoren sind nicht neu, im Gegenteil, all das ist hinreichend bekannt, aber dennoch ändert sich kaum etwas in der Praxis.
„Mastitis gehört mittlerweile schon zur Normalität“ beklagt Pam Ruegg, die Mastitis-Expertin von der Universität Michigan auf dem Jahreskongress des National Mastitis Council (NMC), der Ende Januar im kalifornischen San Diego ausgerichtet wurde. „Wir leben quasi in einer Blase, es muss sich dringend etwas in den Köpfen der Herdenmager ändern“ so Ruegg. Mit ihrer Forderung nach deutlich weniger antibiotischen Euterbehandlungen fand sie denn auch eine breite Zustimmung unter den anwesenden Beratern, Tierärzten und Wissenschaftlern.
Viele Behandlungen sind einfach unnötig
Viel zu oft werden laut Ruegg Antibiotika nicht zielgerichtet (nicht auf die Erreger abgestimmt) verabreicht und auch über einen zu langen Zeitraum hinweg. Hinzu komme, dass viele Antibiotika (besonders die Trockensteller) auf einem Infektionsgeschehen beruhen, dass längst nicht mehr gültig ist. „Vor 20 Jahren hatten wir viel mit kontagiösen Erregern wie s.aureus zu kämpfen, auf dieser Basis wurden denn auch die allermeisten Trockensteller entwickelt. Heute spielen die Erreger aber - wenn überhaupt noch – aber nur noch eine untergeordnete Rolle. Zudem bringe es gar nichts eine mit s.areus infizierte Kuh zu behandeln, so Ruegg. „Da hilft nur: Schnellstmöglich aus der Herde entfernen!“
Wesentlich profitabler als Kühe mit hohen Zellzahlen (langwierig) zu behandeln, sei es Frühwarnsysteme zu installieren, die z.B. den Herdenbetreuer schon Tage im Voraus darauf hinweisen können, dass eine Mastitis im Anmarsch ist. Noch besser wäre es, die Produktionssysteme derart anzupassen, dass der Infektionsdruck verringert wird.
1 | Viele Mastitiden heilen von alleine aus
Therapieerfolg vorhersagen
Ermöglichen sollen dies künftig intelligente Software-Systeme. „Wir müssen die Vielzahl an Daten, die im Kuhstall anfallen nutzen, um nach vorne zu schauen“, forderte Jeff Bewley (Holstein Association), einer der Pioniere in Dingen Dairy Precision Farming. Bislang wurden die Daten in aller Regel retrospektiv genutzt, das muss sich ändern, so Bewley.
„Techniken auf Basis Künstlicher Intelligenz (KI) werden für die Zukunft des Herdenmanagements immer wichtiger. Mögliche Vorteile sind u.a. ein Zeitgewinn und damit früherer Einsatz der „richtigen“ Therapie, was bessere Heilungschancen ermöglicht. Herdenmanager und Tierärzte profitieren von einer besseren Unterstützung und Sicherheit bei Therapieentscheidungen. So sind z.B. Vorhersagen darüber möglich, welche Kühe von einer bestimmten Therapie profitieren, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Behandlung erfolgreich ist.
In vielen Forschungsinstituten werden denn auch bereits KI-Anwendungen entwickelt. Bis die ersten Anwendungen die Praxisreife erreichen werden dürften zwar noch einiges an Zeit verstreichen, absehbar ist aber bereits, dass künftig der Herdenmanager einen Hinweis erhält, wann er die Einstreu der Liegeboxen austauschen muss, da sich sonst einige Kühe mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem Umweltkeim infizieren werden oder dass bei Kuh X in drei Tagen der Zellgehalt deutlich ansteigen wird, wenn nicht der Kraftfuttermenge zurückgenommen wird (Azidose -> geschwächtes Immunsystem -> Leaky Gut -> Mastitis).
Doch um solche Szenarien real werden zulassen, müssen zunächst noch viele Daten gesammelt und miteinander verknüpft werden (Machine Learning). Denn die Algorithmen benötigen „Futter“ aus unterschiedlichen Quellen wie Genomics, der Melkanlage, dem Herdenmanagement (erfolgte Behandlungen), der Fütterung und der Umwelt (u.a. Klima).
Effizienter melken
Bessere Ergebnisse bei der Eutergesundheit lassen sich aber ohne den Einsatz von KI erzielen. Allerdings müssen hierzu auch Daten erfasst und ausgewertet werden. Die allermeisten Melkanlagen Gruppenmelkstand, Karussell ebenso wie AMS, halten umfangreiche Daten zum Prozess des Melkablaufs parat. Werden diese Informationen regelmäßig ausgelesen und ausgewertet, lässt sich z.B. ob der Zutrieb der Kühe zum Melkzentrum „passt“, noch Luft bei der Befüllung der Melkanlage besteht und ob alle Melker nach den gleichen Routinen arbeiten, so Paul Virkler (Quality Milk Production Services, New York).
Diese Faktoren sind nicht zu unterschätzen, denn Kühe sind sehr sensible Tiere, schon geringer Stress kann dazu führen, dass Kühe oder gar die Milch „hochziehen“. Das alles kostet letztlich nicht nur Milch, sondern auch wertvolle (Melk)Zeit. Überprüfen, ob die Melkroutine passt, das lässt sich anhand einfacher Kennzahlen. Angestrebt werden sollten pro Melkplatz und Stunde eine Milchmenge von mindestens 68 kg.
… für die Praxis interessant
-Bimodalitäten beim Melkfluss haben keinen negativen Einfluss auf das Zitzengewebe bzw. die Zitzenkondition. Allerdings fällt bei einer Bimodalität die Milchleistung um bis zu 3 kg geringer aus.
- Kühe mit mehr als zwei Laktationen erkranken im Vergleich zu Erstlaktierenden mindestens doppelt so oft an einer klinischen Mastitis. Die Chance, dass erkrankte Kühe in der Herde verbleiben, sinkt mit zunehmendem Alter. Während von den erkrankten Jungkühen nach der ersten Laktation noch 80 % in der Herde verbleiben, sind es nur 55 % der dritt- und mehrlaktierenden Tiere. Die Chance, dass die Kühe im Bestand bleiben, ist am größten, wenn die Mastitis während der ersten 100 Laktationstage auftritt.
- Finden sich zu Beginn einer Mastitis hohe Zellzahlen in der Milch, sinkt die Chance einer Heilung des erkrankten Euterviertels deutlich, auch wenn die betroffenen Viertel antibiotisch behandelt werden. So wurden bei einem Zellgehalt von unter 200.000 Zellen rund 28 Tage nach der Behandlung mit einem Antibiotikum 78,5 % der Euter wieder als gesund eingestuft, bei 500.000 Zellen waren es 61 %, bei 1,7 Mio. Zellen nur noch 56 %.
- Die Verabreichung eines säurebildenden Bolus (Bovikalc Dry) zum Trockenstellen lässt den Zellgehalt in den ersten Laktationswochen sinken. Allerdings beeinflusst der Bolus weder das Auftreten klinischer Mastitiden noch die Milchleistung.
- Die Applikation eines internen Zitzenversieglers in das noch nicht laktierende Euter hochtragender Rinder verringert das Risiko einer Euterinfektion deutlich (um den Faktor 2,5 bis 3, je nachdem ob der Versiegler am 35. oder am 75. Tag vor der Kalbung eingebracht wurde). Auch bei Färsen soll die Anwendung der Versiegler nach Angaben der Forschenden problemlos möglich sein.
- In Herden mit einer sehr guten Eutergesundheit erhöht sich durch das Selektive Trockenstellen nicht die Abgangsrate bis zum 200. Laktationstag. Zu dieser Schlussfolgerung kommen mehrere, in den USA und in Skandinavien durchgeführte Studien. Demnach lässt sich bei Zellgehalten von ≤ 200.000 Zellen/ml auf den Einsatz von Trockenstellern verzichten, sofern nach dem letzten Melkvorgang ein Zitzenversiegler in die Euterviertel injiziert wird.
- Mit steigendem Zellgehalt sinkt die Milchleistung. Bislang ging man von einer linearen Beziehung aus. Neuere Untersuchungen haben aufgedeckt, dass die Leistung zwar schon bei sehr geringen Zellgehalten (12.000 bis 43.000 Zellen/ml) abnimmt, ein nennenswerter Milchverlust allerdings erst ab einem Schwellenwert von 277.000 Zellen erfolgt. Klettert der Zellgehalt weiter, verringert sich die Milchleistung überproportional. Die Wissenschaftler empfehlen deshalb, sofern keine klinischen Krankheitszeichen sichtbar sind, auf eine Behandlung der Euter bei ≤ 200.000 Zellen zu verzichten.
Die Neuinfektionsrate gibt Auskunft über den aktuellen Infektionsdruck in der Herde. Wie Sie die Eutergesundheit verbessern können.