Eine niederschmetternde Nachricht erhielten die Milchprofis der Dringenburg Milch: Salmonellen! Neun Monate lang haben sie um ihre hochleistende Herde gekämpft.
Wenn in einem großen Milchkuhbestand mit 750 Milchkühen, mal die eine oder andere Kuh durch Durchfall und Fieber auffällt, dann ist das durchaus ärgerlich … aber mal ehrlich, bei dieser Herdengröße ist dies nicht völlig auszuschließen. Das dachten sich zunächst auch Ralf Abelt, der Betriebsleiter der Dringenburg Milchvieh GbR bei Bottrop im Ruhrgebiet und seine Herdenmanagerin Carina Bietenbeck im Februar 2022. Als sie dann aber plötzlich zunehmend mehr Kühe mit hohem Fieber von über...
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Wenn in einem großen Milchkuhbestand mit 750 Milchkühen, mal die eine oder andere Kuh durch Durchfall und Fieber auffällt, dann ist das durchaus ärgerlich … aber mal ehrlich, bei dieser Herdengröße ist dies nicht völlig auszuschließen. Das dachten sich zunächst auch Ralf Abelt, der Betriebsleiter der Dringenburg Milchvieh GbR bei Bottrop im Ruhrgebiet und seine Herdenmanagerin Carina Bietenbeck im Februar 2022. Als sie dann aber plötzlich zunehmend mehr Kühe mit hohem Fieber von über 41° C und extrem wässrigen Durchfall im Stall gefunden haben, einige dieser Tiere das Wiederkauen quasi eingestellt haben („… das ging schlagartig von 100 auf null“), war ihnen klar, dass in der Kuhherde gerade irgendetwas sehr ungewöhnliches passiert. Um der Sache auf den Grund zu gehen, haben die beiden im März dann eine verendete Kuh zur Sektion in das Veterinäruntersuchungsamt (CVUA-MEL) nach Münster transportiert. Die Mitteilung über das Untersuchungsergebnis, das die beiden Milchprofis kurz darauf erhielten, war eindeutig: Salmonellose!
Milchkuhbetrieb wurde erstmal gesperrt
Für einen Milchkuhbetrieb kann die Diagnose Salmonellose einen Super-Gau auslösen, denn wenn sich die Infektion in der Herde ausbreitet, dann können die wirtschaftlichen Folgen existenzbedrohend sein. Zudem ist die Bestandsanierung sehr (arbeits)aufwändig. Dies mussten auch Ralf Abelt und Carina Bietenbeck erfahren. Doch der Reihe nach …
Unmittelbar nach der Diagnose wurde der Milchkuhbetrieb erstmal vom Veterinäramt gesperrt. Konkret bedeutete das, dass der Tierverkehr ausgesetzt wurde. Nicht nur dass keine Kälber mehr die Ställe verlassen durften, auch die hochtragenden Rinder, die auf einem anderen Standort untergebracht sind, sollten nicht mehr zur Kalbung auf die Milchkuhanlage zurück kommen, so das Veterinäramt. „Wir erklärten ihnen aber, dass dieses absolut nicht möglich sei, weil wir auf den anderen Standorten gar keine geeigneten Stallungen hätten für eine Kalbung. Außerdem hätten wir dies mit unseren Mitarbeitern gar nicht bewerkstelligen können, weil alle auf dem Hauptstandort zu 100% eingespannt waren“, erklärt Abelt. „Das haben sie dann letztlich auch eingehen.“
1.000 Kotproben untersucht
Zudem wurde vom Veterinäramt sofort eine Kotprobennahme angeordnet. Zunächst wurden nur Poolproben gezogen, nachdem von den 250 Proben jedoch 53 positiv ausfielen, wurden anschließend alle Einzeltiere „beprobt“. Ergebnis: 10 % der Herde war positiv.
Das Problem bei einer Salmonellen-Infektion ist jedoch, dass auch scheinbar gesunde Tiere mit Salmonellen infiziert sein können. Selbst nach einer überstandenen Infektion können Rinder und Kühe Salmonellen noch über einen sehr langen Zeitraum im Kot „versteckt“ ausscheiden. Manchmal scheiden die infizierten Tiere aber auch keine Erreger mehr aus. Deshalb schreibt die Rinder-Salmonellose-Verordnung zur Ermittlung der Ausscheider auch mindestens zwei Kotproben-Untersuchungen vor. Nur so lassen sich die intermittierenden Ausscheider aufspüren. Letztlich wurden so insgesamt rund 1.000 Kotproben im Stall genommen.
Letztlich wurden insgesamt rund 1.000 Kotproben im Stall genommen.
(Bildquelle: Berkemeier, Landwirtschaftsverlag GmbH)
Da Kühe unter Stress dazu neigen, plötzlich wieder und vermehrt die Erreger auszuscheiden, wurde den beiden Milchprofis nahegelegt, keine Kühe mehr von einer in die nächste Gruppe umzustallen. So sollte versucht werden, die (möglichen) Ausscheider von den gesunden Kühen zu trennen. Eine Herausforderung für das Herdenmanagement, denn bei 750 Kühen und mehreren Stallgebäuden sind feste Gruppengrößen eigentlich unerlässlich.
80 Kälber und 12 Kühe verloren
Um die Kälber zu schützen, wurde im zweiten Schritt der Abkalbestall kurzerhand in die Maschinenhalle verlegt. Die Euter der Frischlaktierenden wurden dort noch vor dem Melken desinfiziert, das Kolostrum pasteurisiert und die Neugeborenen auch sogleich mit einem Lebendimpfstoff geimpft. Mit diesen Maßnahmen sollte die Erreger-Übertragung über das Kolostrum verhindert werden. Doch leider haben all diese Maßnahmen nicht zum Erfolg geführt. Während der heißen Sommertage im Juli und August mussten 80 Kälber eingeschläfert werden. Durch die Salmonellen-Infektion war das Immunsystem so geschwächt, dass letztlich der Hitzestress die kleinen Kälber einfach ausgelaugt hat. Aber auch 12 Kühe hat in diesem Zeitraum das gleiche Schicksaal ereilt. „Damals dachten wir, dass wir da nicht mehr rauskommen“, erinnert sich Ralf Abelt.
Just zu diesem Zeitpunkt erhielt er einen Tipp von seinem Futterberater, sich doch mal an André Hüting vom Team der Tierarztpraxis an der Güterstraße zu wenden. Dieser hatte bereits Erfahrungen mit der Sanierung von mit Salmonellose infizierten Herden.
Hygiene, Hygiene, Hygiene
Der hinzugerufene Tierarzt nahm sogleich Tupferproben am Waschplatz (Stiefelreinigung) und bei allen Geräten, die im Kuhstall zu Einsatz kamen, wie Milchtaxi, Hoflader und Futtermischwagen. Letztlich brachten dann umfangreiche PCR-Tests dieser Proben Licht ins Dunkel (die herkömmliche Laboranalysen waren zunächst alle negativ). Als größte Erreger-Hotspots wurden der Waschplatz, das Milchtaxi und der Hoflader identifiziert. Es wird vermutet, dass insbesondere das Milchtaxi, das auch zum Drenchen der Kühe eingesetzt wurde und der Hoflader, mit dem u.a. die Liegeboxen eingestreut wurden, die Erreger im Stall verbreitet haben. Gewaschen wurden die Geräte nämlich alle am Waschplatz im Kuhstall.
Um die Infektionskette zu sprengen, wurde sofort ein zweites Milchtaxi und ein weiterer Hoflader angeschafft. Auch wurde der Waschplatz etwas umgebaut und einem besonderen Hygiene-Management unterzogen. Die Tränken im Kuhstall wurden dreimal täglich entleert und gesäubert. Zudem wurde eine spezielle Hygieneschleuse (für das Stallpersonal) eingerichtet und die Stallkleidung regelmäßig desinfiziert.
Futterration: Raps raus, Hefe rein
Tierarzt André Hüting hat aber auch Änderungen an der Futterration vorgenommen: Ein Kilo Rapsschrot wurde durch 100 g eines gecoateten Harnstoffs ersetzt, zudem wurde doppelt fermentierte Hefe in die Ration aufgenommen. Mit diesen beiden Maßnahmen hoffte der Tierarzt den Darm etwas beruhigen, die Salmonellen quasi verstärkt durchschieben zu können. Das Konzept ging schnell auf, denn der Kot wurde wieder fester, erinnert sich die Herdenmanagerin.
Die beschriebenen Maßnahmen führten dazu, dass sich nach und nach der Allgemeinzustand der Kälber und Kühe wieder verbesserte. Nachdem dann kurz vor Weihnachten das Veterinäramt mitteilte, dass alle drei Kotproben der zuvor noch auffälligen Tiere negativ ausgefallen sind, war klar, dass die Herde über den Berg ist.
Wie hoch der durch die Salmonellen ausgelöste wirtschaftliche Schaden letztlich ausgefallen ist, lässt sich kaum beziffern. Zu den vielen Tierverlusten müssen noch die Kosten hinzugefügt werden, die durch den Milchverlust, den längeren Verbleib der Kälber angefallen sind (Abelt kalkuliert hier mit acht Euro pro zusätzlichem Tag), die vielen Futterreste (die zum Glück aber noch in einer Biogasanlage eines anderen Betriebes noch verwertet werden konnten) und nicht zuletzt der enorme zusätzliche Arbeitsaufwand. „Wir haben jeden Tag eine halbe Stunde früher begonnen und teilweise noch bis in die Nacht noch kranke Tiere behandelt“, erinnert sich Carina Bietenbeck. Doch der Aufwand hat sich gelohnt. Am Ende der Sanierungsphase wurden im Tagesmittel wieder über 40 Liter gemolken – und das mit gesunden Kühen. „Das machte uns überglücklich.“
Ertragsschadensversicherung ist ein Muss!
Dass der Milchkuhbetrieb letztlich nochmals mit einem blauen Auge davon gekommen ist, hängt nicht zuletzt auch von dem Abschluss einer Ertragsschadensversicherung ab. „Ich kann nur jedem Milcherzeuger raten, eine solche Versicherung abzuschließen, die auch bei einem Salmonellen-Infektion einspringt“, so Abelt. Enorm wichtig zu beachten ist die eigene Schadensminderungspflicht. „Damit da von Anfang an alles glatt läuft, ist es nicht nur wichtig, alles penibel zu dokumentieren sondern auch offen mit der Versicherung zu kommunizieren“ rät Ralf Abelt.
Unbeantwortet bleibt am Ende leider die Frage, wie es die Erreger in die Kuhställe geschafft haben. Letztlich fand sich keine Antwort darauf, vielleicht waren Wildvögel die Transmitter, die sich gerne an der Siloanlage aufhalten. Das ist eben das Problem mit den Salmonellen: Plötzlich sind sie da und dann ist guter Rat gefragt.
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