Elite entdeckt

Mit Kamera besser besamen?

Die Besamung soll durch Video-unterstützte Systeme und flexible Besamungspistolen einfacher und besser werden. Wir haben uns in der Praxis nach den Erfahrungen umgehört.

Ihre Kühe selbst zu besamen und damit den optimaleren Zeitpunkt zu erwischen, war das Ziel von Marion Röcker aus Adelsheim-Wemmershof (Baden-Württemberg), als sie sich vor Jahren zum Eigenbestandsbesamerkurs angemeldet hat. „Doch als es an die Praxis im eigenen Bestand ging, bin ich schnell an Grenzen gestoßen. Denn mit meiner Körpergröße von 1,63 m hatte ich Probleme, die dafür nötige Kraft zum Festhalten der Cervix aufzuwenden und um mit der Pistole an die richtige Stelle zu kommen“ sagt die Milcherzeugerin heute. Per Zufall ist Röcker vor drei Jahren auf die kameraunterstützte Besamungspistole Eyebreed gestoßen.
Auch bei Eigenbestandsbesamer Andreas Maier von der Maier GbR aus Görwihl-Oberwihl bei Waldshut-Tiengen steht die körperliche Entlastung als Grund für den Einsatz von Eyebreed im Vordergrund: „Bei der Besamung von Hand bekam ich früher nach vier bis fünf Kühen regelmäßig Schmerzen in der Hand und im gesamten Arm, vor allem, wenn der Weg durch die Cervix etwas schwieriger war.“ Er führt gemeinsam mit seinen Brüdern Michael und Manuel Maier einen Betrieb mit 200 HF-Kühen.

Andreas Maier

Milcherzeuger

Oberwihl-Görwihl

Wie funktioniert die Technik?

Bei dem Gerät der französischen Firma Axce visiert eine am Ende eines Plastikrohrs sitzende endoskopische Videokamera mit Licht den Muttermund an. In einem durchsichtigen Cup an der Spitze wird nun per Knopfdruck über eine kleine Vakuumpumpe ein Unterdruck erzeugt und damit das Rohr am Cervixeingang fixiert.
Jetzt gilt es, die in das Rohr einzuführende metallene mit Sperma geladene Pistole durch leichte Hin- und Her-Bewegungen schonend durch die Burdi-Ringe zu führen. Über die I-Breed-App am Handy und das in der Pistole integrierte WLAN kann der Weg per Video in Echtzeit am Handy-Bildschirm verfolgt werden. Eine Skala am Rohr hilft außerdem abzuschätzen, wo man sich in der Cervix genau befindet. So zeigt eine 0 an, dass man noch vor der Cervix ist, bei 7 und 8 ist man schon durch die Burdi-Ringe hindurch. Die Samenablage kann jetzt erfolgen. Das Verfahren kommt komplett ohne rektale Palpation aus.

Am Becher vorne sitzt die Kamera und hier wird auch am Muttermund ein Vakuum erzeugt, um die Pistole bei der Besamung zu fixieren. (Bildquelle: Lehnert, Silvia)

Etwas Übung nötig

Marion Röcker möchte die neue Besamungspistole für die Eigenbestandsbesamung ihrer 90 Fleckviehkühe nicht mehr missen: „Ich bin damit bei der Samenablage viel genauer. Man kommt mit viel mehr Gefühl durch die Cervix. Außerdem erkennt man damit auch mögliche Veränderungen an der Cervix, das ist sehr hilfreich.“
Die richtige Handhabung der Pistole müsse man am Anfang zwar etwas einüben und auch eine Einarbeitung durch den Hersteller sei sehr hilfreich, sagen die Praktiker. Die Herausforderung ist dabei, das Finden der Cervix und das Ansaugen an der richtigen Stelle. „Das benötigt sehr viel Geduld und Sorgsamkeit,“ sagt Udo Carstensen von Fa. Hybrid Genetics, die das Gerät in Deutschland vertreibt. Weil der Ablauf mit der Eyebreed doch etwas anders sei als bei der herkömmlichen Besamung, empfiehlt er Praktikern, sich eine neue Besamungsroutine aufzubauen.
Der Besamungsprozess an sich könne zu Anfang etwas länger dauern als bei der herkömmlichen Besamung. „Aber wenn man Routine hat, kann man genauso schnell mehrere Tiere hintereinander weg besamen“, ist Röcker überzeugt. Ihre Besamungsergebnisse hätten sich mit Eyebreed verbessert, so Röcker. Ihr Besamungsindex liegt jetzt bei 1,8.
Andreas Maier spricht von einem gleich guten Besamungserfolg gegenüber der manuellen Technik. „Allerdings findet man bei manchen Tieren den Eingang der Cervix mit der Hand besser“, so die Erfahrung des langjährigen Eigenbestandsbesamers. Bei ihm seien neun von zehn Besamungen per Eyebreed erfolgreich.

Höhere Verletzungsgefahr?

Eine höhere Verletzungsgefahr für das Tier, z.B. durch das angelegte Vakuum, sehen die beiden befragten Praktiker bei der richtigen Handhabung der Pistole nicht. „Man sollte allerdings vermeiden, die Cervix zu oft hintereinander anzusaugen, wenn man den Eingang nicht gleich findet“, sagt Maier. Dass so Blutergüsse entstehen, sei nicht ausgeschlossen. Udo Carstensen hat eine ähnliche Erfahrung gemacht: „Bei einer unzureichenden Mineralstoffversorgung sind uns schon einmal Tiere aufgefallen, die sehr schnell einen starken Bluterguss entwickelt haben.“ Das Vakuum an sich sei aber keine Gefahr, weil es bei zu viel Druck und Zug im Zweifelsfalle automatisch abbreche.

Eine Skala zeigt an, wie weit man Gerät schon in der Gebärmutter vorgedrungen ist. (Bildquelle: Lehnert, Silvia)

Beste Hygiene einhalten

Wie bei der gängigen Besamungspraxis ist auch beim Einsatz der Eyebreed ein hoher Hygienestandard wichtig. Der Aufwand dafür sei aber nicht aufwändiger als sonst, so die Praktiker. So ist bei jedem Tier eine neue Einmalschutzhülle auf das Kamerarohr zu ziehen. Sie wird beim Einführen langsam nach hinten abgezogen. Der durchsichtige Plastik-Cup an der Spitze, in dem das Vakuum entsteht, muss ebenfalls nach jeder Besamung ausgetauscht werden. Er kann nach einer Reinigung mit Wasser und Desinfektionslösung zwischendurch aber wieder aufgesetzt werden.

Klassische Technik beherrschen

Die Teilnahme an einem Besamungskurs ist generell für Eigenbestandsbesamer Pflicht und für den erfolgreichen Einsatz von Eyebreed auch unverzichtbar. Denn der Samen kommt auch hier nicht automatisch an die richtige Stelle.
Milchkuhhalterin Marion Röcker betont: „Wer die Anatomie des Genitaltraktes des Rindes und die herkömmliche Besamung nicht verstanden hat und nicht beherrscht, wird auch mit Eyebreed an Grenzen stoßen.“ Laut Udo Carstensen von Hybrid Genetics sei die Technik für Landwirte interessant, die durch ungenügende Besamungen nicht in eine wirkliche Besamungsroutine kommen könnten. In Frankreich würden Besamungstechniker, die z.B. bei der konventionellen Besamungstechnik Schulterprobleme hätten oder zu klein seien, Eyebreed nutzen. „Grundsätzlich empfehlen wir die Eyebreed aber nicht, wenn jemand unproblematisch mit der konventionellen Art und Weise der Besamung arbeiten kann“, sagt Carstensen.
Marion Röcker und Andreas Maier würden sich die kameraunterstütze Pistole wieder anschaffen. Die Anschaffungskosten von ca. 2.800 € haben die beiden Milcherzeuger nicht vor dem Kauf abgeschreckt. Im Lieferumfang dabei ist neben der Eyebreed und der metallenen Besamungspistole selbst, die Vakuumpumpe, vier Plastikcups zum Wechseln, Besamungshüllen sowie Gürtel und Handyhalter. Die laufenden Kosten umfassen die Hygieneüberzieher, die etwas längeren Besamungshüllen und den Strom für das Aufladen der Akkus. Eventuell sind im Laufe der Zeit neue Kunststoffköpfe nötig. Innerhalb von drei Jahren musste bei Röcker schon einmal ein Schlauch und eine Membrane getauscht werden. Wie oft der Akku geladen werden muss, hängt von der Einsatzhäufigkeit ab.

Flexible Besamungshülle

Ebenfalls aus Frankreich von der Fa. Axce-Repro kommt mit „Xtremia“ eine neue Besamungstechnik, die mit einer flexiblen Besamungshülle bis zu 25 cm weit in ein Gebärmutterhörner gelangen kann. Durch seine Flexibilität passt sich das Gerät also besser der Anatomie in den Gebärmutterhörnern an. Der Hersteller verspricht damit bessere Trächtigkeitsraten, vor allem auch mit gesextem Sperma.

Die neue Besamungspistole Xtremia kann durch ihre Flexibilität bis zu 25 cm weit in die Gebärmutterhörner gelangen. (Bildquelle: Werkbild)

Wer damit allerdings Erfolg haben möchte, muss eine fundierte Eierstockdiagnostik beherrschen. Nur dann kann der Samen auch in das richtige Horn platziert werden. Fruchtbarkeitsexperten sehen beim Einsatz dieser Technik außerdem eine höhere Gefahr, die Gebärmutterwand zu verletzen. Außerdem ist die Einhaltung absoluter Hygiene laut Experten zwingend. Daher ist die neue Technik in erster Linie für Tierärzte und Besamungstechniker und vor allem für ET gedacht. Bisher gibt es in Deutschland noch kaum Praxiserfahrungen mit Xtremia. Die ersten Techniker arbeiten erst seit Kurzem damit.

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