Verbessert Propylenglykol vor der Besamung die Konzeptionsrate?
Ein Landwirt drencht seinen Kühen vor der Besamung Propylenglykol und erhofft sich dadurch eine bessere Fruchtbarkeit. Ist das nur ein Mythos oder hilft das wirklich?
Wir besuchen einen Betrieb in Österreich, der allen Kühen von der Kalbung bis zur Besamung täglich 500 ml Propylenglykol verabreicht. Er verspricht sich durch die zusätzliche Energiezufuhr eine bessere Follikelreifung, eine bessere Eizellqualität und schließlich eine höhere Trächtigkeitsrate.
Abgesehen davon, dass das viel Aufwand ist, den die meisten Herdenmanager sicher nicht betreiben wollen - was bringt das wirklich? Und reicht es vielleicht auch aus, den Kühen nur kurz vor der Besamung noch einmal Propylenglykol zu verabreichen? Wir forschen nach.
Was sagt die Wissenschaft?
Tatsächlich gibt es eine Studie aus dem Jahr 2018. In ihrer Doktorarbeit untersuchte Tierärztin Anke Utsch wie sich eine einmalige orale Verabreichung von 300 ml Propylenglykol zum Besamungszeitpunkt auf das Trächtigkeitsergebnis auswirkt.
Teil der Untersuchung waren 176 Kühe und 9 Färsen, die in drei Gruppen eingeteilt wurden. Gruppe 1 bekam zur Besamung 200 ml Wasser oral verabreicht. Gruppe 2 wurde am Besamungstag mit 300 ml Propylenglykol gedrencht. Gruppe drei bekam zwei Tage vor der Besamung 300 ml Propylenglykol oral verabreicht.
Das Ergebnis: deutlich verbesserte Trächtigkeitsrate
Die Trächtigkeitsrate war bei Tieren, denen Propylenglykol verabreicht wurde mit 36,4 – 40 % signifikant höher (p<0,05), als in der Kontrollgruppe (19,8 %). Demnach kann das Drenchen von Propylenglykol tatsächlich nachweislich einen positiven Effekt auf den Besamungserfolg haben.
Allerdings lag in ihrer Untersuchung die Trächtigkeitsrate beider Gruppen trotzdem noch relativ niedrig. Denn Zielwerte sind 45 bis 50 %.
Was ist passiert?
„Die Studie weist sehr schön nach, dass der Versuchsbetrieb ein Problem mit „verzögerter Ovulation“ hatte“, erklärt Prof. Dr. Wehrend, Professor für Reproduktionsmedizin an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Das bedeutet, dass der Eisprung erst 24 Stunden nach der Besamung stattfindet. Das Phänomen tritt unter anderem dann auf, wenn Kühe energetisch unterversorgt sind – also vor allem in hochleistenden Herden. Dann ovuliert die Kuh nicht rechtzeitig und die Besamung führt nicht zum Erfolg.
Die Eizelle wird durch den Follikel ernährt. Die Qualität des Follikels entscheidet über die Qualität der Eizelle. Der Follikel entwickelt sich über mehrere Wochen. Die Stoffwechsellage der Kuh beeinflusst die Entwicklung des Follikels. Eine entscheidende Rolle spielt dabei auch die Energieversorgung (Glukose). Stoffwechselstörungen mindern die Eizellenqualität und können zu einer verzögerten Ovulation führen (beeinflussen den LH-Peak).
(Bildquelle: Thiemann)
Verzögerte Ovulation ein Bestandsproblem?
Beim Auftreten der verzögerten Ovulation als Fruchtbarkeitsproblem hat die Gabe von Propylenglykol einen positiven Effekt – sei es auf die Ovarfunktion oder das Senken der frühembryonalen Mortalitätsrate.
„Wenn Fruchtbarkeitsprobleme auftreten und ein falscher Besamungszeitpunkt ausgeschlossen werden kann, dann sollte per Ultraschall nachgeprüft werden, ob 24 Stunden nach der Besamung der Follikel weg ist“, erklärt Prof. Dr. Wehrend. Ist das nicht der Fall, ist die Ovulation verzögert und die energetische Versorgung der Kühe sollte angepasst werden. Das kann bei Einzeltieren sicherlich über eine Propylenglykolgabe – am besten zwei Tage vor dem errechneten Besamungszeitpunkt – erfolgen. Langfristig ist das aber keine Lösung und man sollte andere Maßnahmen ergreifen.
Ab der Geburt an Propylenglykol?
Der österreichische Landwirt stellt durch die durchgängige Propylenglykol-Gabe sicher, dass genug Energie für eine optimale Follikelentwicklung und gute Eizellen über den gesamten Zyklus gegeben ist. Es ist aber nicht notwendig, denn es lassen sich auch mit anderen Maßnahmen gute Fruchtbarkeitsergebnisse erzielen. Das sind vor allem auch Maßnahmen, die eine Ketose verhindern. Zum Beispiel:
Die Kühe sollten mit einer passenden Kondition in die Trockenstehzeit gehen (BCS 2,5 – 3).
Bei kritischen Einzeltieren sollte man die Energieversorgung nach der Geburt besonders im Auge behalten. Das sind verfettete Kühe, die Kühe, die schonmal eine Stoffwechselerkrankung hatten und Kühe mit Zwillingsgeburten.
Kein Mythos, aber…
Fazit: Es ist kein Mythos, dass die Gabe von Propylenglykol vor der Besamung die Trächtigkeitsrate steigern kann. Es ist aber ein Indiz dafür, dass ein Problem mit verzögerter Ovulation vorliegt. Bei einem Fruchtbarkeitsproblem sollte daher der Tierarzt 24 Stunden nach der Besamung Ultraschalls durchzuführen, um zu prüfen, ob der Follikel noch da ist und bei Problemen Maßnahmen ergriffen werden, die über die Gabe von Propylenglykol hinaus gehen.
Quelle: Prof. Dr. Axel Wehrend, Justus-Liebig-Universität Gießen Veterinärmedizin; Tierarzt Dr. Walter Peinhof-Petz