Beim Milchpolitischen Frühschoppen diskutiert die Milchwirtschaft jährlich am Rande der Grünen Woche in Berlin die Themen, welche die Milchbranche bewegen. Eine kurze Zusammenfassung:
„Steigende Bürokratie bei sinkender Wertschätzung – wir können den Frust der Milcherzeuger sehr gut verstehen“, so der Vorsitzende des Milchindustrie-Verbandes, Peter Stahl. Die Grenze des Zumutbaren sei teils überschritten, nicht nur bei den Milcherzeugern sondern auch bei den Verarbeitern, so...
Beim Milchpolitischen Frühschoppen diskutiert die Milchwirtschaft jährlich am Rande der Grünen Woche in Berlin die Themen, welche die Milchbranche bewegen. Eine kurze Zusammenfassung:
„Steigende Bürokratie bei sinkender Wertschätzung – wir können den Frust der Milcherzeuger sehr gut verstehen“, so der Vorsitzende des Milchindustrie-Verbandes, Peter Stahl. Die Grenze des Zumutbaren sei teils überschritten, nicht nur bei den Milcherzeugern sondern auch bei den Verarbeitern, so Stahl weiter. Benötigt würden planbare und zukunftsorientierte Rahmenbedingungen. Doppellösungen von nationalem und EU-Recht würden allzu oft die Kosten in die Höhe treiben. Aktuell müssen Molkereiunternehmen massiv in Personal und Strukturen investieren, um der Einhaltung und dem Berichtswesen neuer Gesetzgebungen wie dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zu entsprechen – und dabei sind große Teile der Verordnungsflut noch in der Pipeline, so der MIV.
Keiner will Tierwohlprämie „eintreiben“
Beim Thema Tierwohlabgabe befürchtet der MIV, dass die Abgabe weder der Staat, noch der Handel und am Ende auch nicht die Verbraucher aufbringen werden (eine Umlage dürfte im Handel sehr schwierig durchzusetzen sein). Die Molkereien müssten dann letztlich die Abgabe – ohne Gegenfinanzierung - aufbringen. Absehbar ist, dass diese dann beim Milchgeld in Abzug gebracht wird, zumal ausländische Produkte nicht betroffen wären. Eine bessere Lösung wäre laut MIV-Vize Hans Holtorf, gemäß den Vorschlägen der Borchert-Kommission, eine Anpassung der Mehrwertsteuer, da diese auch Importware beträfe und die Mittel tatsächlich vom Verbraucher aufgebracht würden. Zudem würde dies keine zusätzliche Bürokratie schaffen. MIV-Hauptgeschäftsführer Eckhard Heuser ist überzeugt, dass die Politik schon sehr bald einen Verordnungsentwurf zur Tierwohlabgabe präsentieren wird. Er kündigte an, bei den dann anstehenden Anhörungen massiv Widerstand zu leisten.
Bürokratiemonster entwaldungsfreie Lieferketten
Ein Bürokratiemonster droht beim Thema entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR). In der Verordnung werden ab 2025 Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Lieferkette gefordert. Aufgrund der WTO-Konformität sollen die Bedingungen auch für alle heimischen Futterbauer bzw. Fleisch- und Milchproduzenten gelten. Das bedeutet, dass in Zukunft jeder Milcherzeuger die Geokoordinaten seiner Stallungen und Futterflächen in ein eigenes System einpflegen müsste. Auch sollen Tierbewegungen (Zu- bzw. Verkäufe) separat (neben HIT) aufgezeichnet werden. Begründet wird diese extrem bürokratische Vorgehen damit, dass Kühe bzw. ihre Nachkommen letztlich zu Wurst- und Fleischprodukten verarbeitet werden. Völlig unklar ist noch, wie mit älteren (am Stichtag in den Ställen vorhandenen) Rindern und Kühen umzugehen ist. Rückwirkend lässt sich ein 100%ige „entwaldungsfreie Herkunft“ schließlich nicht garantieren. Laut derzeitigem Stand, wäre z.B. ein Transport dieser Tiere zum Schlachthof nicht mehr erlaubt.
Mindestens 40 Cent in 2024
Peter Stahl kommentierte die aktuellen Entwicklungen der Milchmärkte aus Sicht der Molkereien: Die Milcherzeugerpreise erreichten mit rund 45,5 Cent je Kilogramm im Jahresdurchschnitt 2023 ihren historisch zweithöchsten Wert. „In 2024 erwarten wir eine vier vor dem Komma“, prognostizierte Peter Stahl. Letztlich würde der Auszahlungspreise 2024 aber auch maßgeblich von den Energiepreisen, den Rohstoffpreisen und den Zutaten wie Zucker oder Früchten und den Lohnforderungen beeinflusst. Die Verbraucher wollten günstige Lebensmittel. Marken und Programme mit Zusatznutzen hätten es deshalb schwer, Handelsmarken sind denn auch die heimlichen Gewinner. Politische Forderungen an die Milchbranche passen allerdings nicht mit dieser Zahlungsbereitschaft zusammen. „Wir sind mit rund vier Prozent Biomilch-Anteil am Markt weit entfernt von den 30 Prozent, die das Landwirtschaftsministerium bis 2030 fordert.“
Milchmengen werden schrumpfen
Bei der längerfristigen Entwicklung der Milchmengen zeigt sich der Verbandschef nach dem Zuwachs des Vorjahres (+0,9 %) nicht sehr optimistisch: „Der Strukturwandel geht weiter und die staatlichen Auflagen werden immer höher. Das schafft Frust auf den Höfen und erschwert häufig die Hofnachfolge. Gerade das Thema Tierwohl stellt viele Betriebe vor große Aufgaben, wobei der Investitionswille bei steigenden Kosten und Zinsen abnimmt.“ Auch auf europäischer Ebene und weltweit hat es trotz des zuletzt hohen Preisniveaus keine Explosion der Milchmengen gegeben, derzeit sieht es eher nach einer moderaten Entwicklung aus.
Markteingriffe gefährden Wirtschaftsstandort
Eine Absage erteilt der Verband den politischen Plänen des Landwirtschaftsministeriums in Berlin zum Eingriff in die Lieferbeziehungen zwischen Molkerei und Milcherzeuger. „Der Staat sollte sich da raushalten“, fordert der MIV-Vorsitzende „Wir haben bewiesen, dass wir mehr zahlen als Molkereien in anderen EU-Ländern mit vergleichbaren Regelungen. Mit der Anwendung des Artikel 148 kann man die Entwicklungen auf den Weltmärkten nicht aushebeln, der Wirtschaftsstandort Deutschland ist keine Insel.“
Zudem hätten Ökonomen, u.a. vom Thünen-Institut, nachgewiesen, dass Eingriffe in die Vertragsfreiheit durch den Staat nicht zu besseren Milchpreisen führen würden. Dennoch halte das BMEL an der “Scharfschaltung” fest, beklagt Stahl.
Eine Untersuchung zeigt, dass die Handelsspanne des LEH in den letzten Jahren zugenommen hat und der Anteil der Erzeugerpreise rückläufig ist ++