Milchprodukte

Schluss mit dem Siegel-Wirrwarr auf der Milchtüte!

Auf Milchtüten ist kaum noch Platz, um alle Siegel aufzudrucken. Sinnvoll wäre es, sich auf ein Siegel zu einigen – und dessen Kriterien zu schärfen.

Auf den Verpackungen von Milchprodukten geht es mittlerweile bunt zu. Da tummelt sich neben gesetzlich vorgeschriebenen Kennzeichnungen und freiwilligen Angaben eine Vielzahl an Siegeln, Herkunftszeichen und Symbolen. Das Problem: Mittlerweile reicht der Platz nicht mehr aus, um alle Label abzubilden, erläuterte Holzner (Hochschule Weihenstephan/Triesdorf) auf dem Milchforum in Berlin. „Es braucht mittlerweile schon einen Beipackzettel, um alle Informationen abbilden zu können.“
Die Frage ist, warum es diese Vielfalt an Siegeln überhaupt braucht? In der Regel bilden die Siegel (Label) ja ohnehin nur die Haltungsform ab (von der Anbindung über den Außenklimastall und die Weidehaltung). Alle anderen Tier- und Management bedingten Faktoren sind – wenn überhaupt – nur schwammig ausgeführt. Klar, Gütesiegel und Label können Verbraucherinnen und Verbraucher als Orientierung beim Einkauf dienen. Da sie bei zahlreichen Konsumenten Qualitätserwartungen hervorrufen werden sie gerne zu Werbezwecken eingesetzt. So ist bekannt, dass rund 80 % der Verbraucherinnen und Verbraucher der Aussage zustimmen, dass ein Produkt mit Siegel besser ist als eines ohne. Besonders hohes Vertrauen schenken die Verbraucher Siegeln von staatlichen Institutionen oder solchen, die angeblich nicht auf Gewinne ausgerichtet sind.

Siegel sind nur bedingt aussagekräftig

Ein gutes Siegel sollte auf fundierten Kriterien beruhen und auf nachvollziehbare und überprüfbare Qualitätsstandards setzen. Das ist nicht immer der Fall. So gehen die Kriterien aktueller Siegel jedoch nicht über die gesetzlich vorgeschriebenen Regeln hinaus (siehe Haltungsform 1 "Stallhaltung"). Ein weiteres Beispiel: Der Begriff „Weidemilch“ ist gesetzlich nicht definiert. Laut Rechtsprechung ist eine Weidedauer von mindestens 120 Tagen pro Jahr ausreichend. Vielfach ist unklar, wie die Haltungs- und Fütterungsbedingungen der Kühe im Winter aussehen. Die Angaben reichen von „ökologischem Futter“ bei BioMilch-Angeboten über „70 % Grünfutter“ bis hin zum eher schwammigen Begriff „natürliche Futtergrundlage“.
Was viele Verbraucher nicht wissen, ist dass die neue "Haltungsform"-Kennzeichnung des Handels, kein Tierwohllabel ist! Auch die vielen Labels wie QM+ oder DLG-Prüfsiegel (Bronze) garantieren nicht, dass die Milch aus einer „verbesserten“ Tierhaltung stammt. Verlässliche Aussagen zu Verhaltens- und gesundheitsbezogene Kriterien wie Lahmen, Verletzungen, Organbefunde sowie das Handling am Schlachthof fehlen.

Homogenisierung der Siegel ist längst überfällig

Wohin soll das künftig noch führen? Erhält das Siegel, das künftig auch Faktoren zur Tiergesundheit „überwacht“, einen goldenen Lorbeerkranz? Wenn zusätzlich noch der Co2-Fußabdruck erfasst wird, auch noch einen Diamanten? Innovativen Marketingexperten fällt bestimmt noch so einiges weiteres ein … Wichtig zur langfristigen Akzeptanz beim Verbraucher wäre es, wenn alsbald eine „Homogenisierung“ der Siegel erfolgen würde – z.B. durch die Einführung einer verbindlichen Tierwohlkennzeichnung. Die Grundlagen dazu wurden ja bereits von der Borchert-Kommission erarbeitet! Ein solches staatliches Tierwohllabel sollte die gesamte Prozesskette über die reine Haltung hinaus in den Blick nehmen: Von der Kälber-/Jungtieraufzucht über die Haltung, Fütterung, Tiergesundheit, Transport bis hin zur Schlachtung. Insbesondere gesundheitsbezogene Kriterien sollten dabei einbezogen werden. So ließe sich den vielen NGO’s, die stetig die Milchproduktion als wenig tierfreundlich und wenig nachhaltig kritisieren, der Wind aus den Segeln nehmen.
Dann wäre ja auch noch Platz für eine Herkunftskennzeichnung, wie sie gerade im Fleischsektor diskutiert wird (5D: In Deutschland geboren, aufgezogen, gemästet, geschlachtet und verarbeitet werden). Wichtiger wäre allerdings, eine verbindliche europäische Kennzeichnung zu installieren, die auch für Zutaten tierischer Herkunft in verarbeiteten Lebensmitteln sowie in der Gastronomie gelten sollte. Denn so lässt sich dann der Import von Milchprodukten aus Herkünften „mit wenig Tierwohl“ verhindern.

Milchprodukte

Was wird aus dem Tierschutzlabel?

von Silvia Lehnert

Der LEH will nach eigenen Angaben bei der Auslobung der Haltungsformen 3 und 4 am Tierschutzlabel des Deutschen Tierschutzbundes festhalten. Allerdings werden weitere Siegel hinzukommen. 


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