Irland
Ist das Ende der Milchschwemme erreicht?
In Irland haben die Molkereien bereits zum zweiten Mal in Folge weniger Milch erfasst. Vieles deutet daraufhin, dass die große Milchschwemme vorbei ist,
Auf der grünen Insel im Nordatlantik haben die Molkereien in 2023 deutlich weniger Milch (-4,1 %) erfasst als im Vorjahr. Vieles deutet daraufhin, dass die große Milchschwemme auf der grünen Insel erstmal vorbei ist, denn bereits in 2022 war die Milchanlieferung leicht rückläufig. In den Jahren zuvor kannte die Milchbranche, u.a. gestützt von enormen staatlichen Subventionen, nur einen Weg: Expansion! In den vergangenen zehn Jahren nahm das Rohstoffaufkommen um 63 % zu.
Klimawandel und Derogation
Niedrigere Milchpreise, ungünstige Witterungsbedingungen (immer öfter suchen Dürre und Starkregen die „Grüne Insel“ heim) und Änderungen der Nitratausnahmeregelungen führten zu diesem Milchverlust. Daneben lässt auch eine absehbare ungenügende Rentabilität so einige Milchfarmer über den Verkauf seiner Herde nachdenken. Branchenkenner schätzen deshalb auch, dass in Irland die große Milchschwemme erstmal vorbei ist, … fraglich ist vielmehr, ob die stark exportorientierte Insel ihre Marktanteile wird halten können.
Zudem offenbart sich jetzt die Kehrseite der enormen Expansionsstrategie: Eine hohe Nitratbelastung der Böden und der hohe Ausstoß von Treibhausgasen (THG). Das hat kürzlich erst die Umweltschutzbehörde EPA alarmiert. Ihr zufolge sind die entsprechenden Werte in rund der Hälfte aller irischen Flüsse und Seen zu hoch. Im Kalenderjahr 2021 lag der Anteil der Landwirtschaft an Irlands Treibhausgas-Emissionen bei 37,5 Prozent, deutlich vor Verkehr (17,7) und Stromerzeugung (16,7). Deshalb werden in Irland jetzt sehr ehrgeizige Klimaziele diskutiert – diese könnten enorme Auswirkungen auf die Milchwirtschaft haben.
Hintergrund: Die vom irischen Parlament verabschieden Klimagesetze verpflichten das EU-Land dazu, seine Emissionen an Treibhausgasen bis 2030 zu halbieren und bis 2050 klimaneutral zu werden. Unlängst prophezeite Irlands Umweltbehörde EPA: Wenn es nicht bald einen radikalen Kurswechsel insbesondere in der Fleisch- und Milchwirtschaft gebe, werde Irland seine Klimaziele deutlich verfehlen.
65.000 Kühe sollen geschlachtet werden
Um die Methan-Ausstöße zu verringern, soll einem Papier des Agrarministeriums zufolge die Anzahl der Tiere sinken. Das Strategiepapier des zuständigen Ministeriums schlägt eine Verkleinerung des Rinderbestandes um zehn Prozent vor. In den kommenden drei Jahren müssten demnach jährlich 65.000 Kühe gekeult werden. Allerdings soll eine Schlachtprämie von rund 3.000 Euro gewährt werden.
Aber Hunderttausende von Rindern und Kühe schlachten? Diese Idee treibt in einem Land, das in vielen Regionen sehr ländlich geprägt ist, viele auf die Barrikaden. Nicht nur die mächtige Bauerngewerkschaft IFA reagierte empört (Fleisch- und Milchproduktion würden lediglich in andere Länder abwandern), im Juni vergangenen Jahres kritisierten mehrere unabhängige Mitglieder des Parlaments Dáil die Regierung mit scharfen Worten: Es gebe da „einen Geheimplan zum Massaker an unseren kostbaren Kühen“, behauptete etwa Matthew McGrath. Es handele sich um „einen monströsen Anschlag aufs ländliche Irland“.
Nur noch 220 kg Stickstoff
Klar ist indes, dass in weiten Teilen Irlands seit dem Jahresbeginn nur noch 220 kg Stickstoff pro Hektar zum Düngen verwendet werden dürfen, anstatt wie bisher 250 Kilogramm. Ab 2026 sind dann nur noch 170 kg erlaubt. Dadurch soll die Belastung der Böden und Gewässer durch Nährstoffe wie Nitrat und Phosphor reduziert werden.
Die Sorgen der Milchfarmer
Die Zahl der Milchviehhalter, die ungewiss in die Zukunft schauen, stieg im vergangenen Jahr auf 21 %. Rund 48 % der Milcherzeuger hat noch keinen Nachfolger gefunden. Als größtes Hindernis, das junge Menschen von einer Hofnachfolge abhält wird die mangelnde Rentabilität der Milchprodukten genannt. Die irischen Milcherzeuger mussten im Jahr 2023 einen Rückgang des Milchpreises um 27,5 % im Vergleich zum Vorjahr hinnehmen, wie aus Zahlen des Central Statistics Office (CSO) hervorgeht.
Sorgenfalten auf die Stirn treiben vielen Milchfarmern zudem ungünstige Witterungsbedingungen und deren Auswirkungen. Mittlerweile bezeichnet mehr als der Hälfte der Farmer diese als Problem für die Rentabilität, was einen Anstieg von 28 % gegenüber dem letzten Bericht im Jahr 2023 bedeutet.
Ebenfalls für schlechte Stimmung sorgen vielerorts Beschäftigungsprobleme bzw. die Schwierigkeit, Mitarbeiter zu finden. 30 % der befragten Landwirte gaben an, dass sie im Jahr 2024 nicht genügend Mitarbeiter haben werden.
Fakten: Irland - die grüne Insel
In Irland gibt es 18.000 Milchbauern, die mit ihren 1,6 Mio. Kühen mehr als neun Millionen Tonnen Milch pro Jahr produzieren. Im Durchschnitt halten irische Milchbauern 80 Kühe auf ihren Höfen und bewirtschaften rund 50 Hektar Grünland. Die Iren setzen auf eine Milchkuh, deren Milchleistung, oft nur halb so hoch ausfällt wie die moderner Holsteins - auf eine 5.000-Liter-Kuh mit sehr hoher Grundfutteraufnahme. Zudem werden die irischen Kühe auf eine gute Fruchtbarkeit hin gezüchtet, da sie alle in einem Zeitfenster von sechs bis zwölf Wochen kalben müssen
Irland ist vom Nordatlantik und der Irischen See umgeben. Der Nordatlantikstrom zieht vorbei. So ist die Vegetationsperiode in Irland auch rund drei Monate länger als auf dem europäischen Festland. Die höchste jemals gemessene Temperatur liegt bei 33 Grad Celsius, selten sinkt sie unter den Nullpunkt. Der warmen Meeresströmung verdankt die „Grüne Insel“ auch das üppige Pflanzenwachstum. Im Schnitt können die Kühe bis zu 280/300 Tage im Jahr auf der Weide fressen. U.a. aufgrund des feuchten, frostarmen Klimas, üppiger Subventionen, steuerlicher Anreize, günstiger Pachtverträge, einer umfassenden Fachberatung ist Irland zu Europas führendem Exporteur von Milchprodukten avanciert.
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