Kompakt
Für ältere Laufställe ist die Forderung von 60 % Außenklima der größte Knackpunkt bei der Umstellung auf Haltungsstufe 3.
Da sie vielfach innerorts liegen, ist der Bau eines Laufhofs unrealistisch.
Im Einzelfall sind Lösungen mit vertretbarem Kostenaufwand möglich, aber nicht bei allen.
Für Käse wird Milch aus Haltungsstufe 2 vermutlich auch in Zukunft gebraucht.
Natürlich ist der Laufstall im Betrieb von Helmut Schmid*, der Ende der 80er mitten im Ort errichtet wurde, in die Jahre gekommen. Mit ein paar kleineren Investitionen, wie etwa Gummimatten auf dem glatt gewordenen Gussasphalt oder mit neuen flexiblen Liegeboxen-Abtrennungen, hat der Warmstall seine Funktion bisher allerdings noch ganz gut erfüllt. Auch die Zertifizierung für Haltungsform-Stufe 2 ging in den letzten Jahren problemlos durch. Doch für den Umstieg in Haltungsform-Stufe 3 (HF 3) reicht es nun nicht mehr ohne Weiteres.
Der Hauptknackpunkt dabei: Schmids Stall lässt sich nur zu 10 % statt – wie für HF 3 gefordert – zu 60 % öffnen. An einen Laufhof als mögliche Alternative ist angesichts der unmittelbar angrenzenden Wohnbebauung auch nicht zu denken, von täglichem Weidegang für die Kühe ganz zu schweigen.
Vor diesem Problem stehen derzeit etliche Milcherzeuger mit einem typischen Laufstall aus den 80er- und 90er-Jahren. Sie hätten ihre Milch bisher problemlos für Produkte der HF 2 liefern können, kommen jetzt durch die Ankündigung von Aldi und Lidl, bei H-Milch und Frischmilch ihrer Eigenmarken schon ab Anfang 2024 auf die Stufen 3 und 4 umstellen zu wollen, aber unter Druck.
Nur für Einzelne ist der Aufwand rentabel“
Dr. Markus Albrecht, Milchwirtschaftlicher Verein Baden-Württemberg
Um wie viele Betriebe und um welche Milchmenge es sich hierbei handelt, weiß keiner in der Branche konkret. Aufgrund der größeren Betriebsstrukturen im Norden geht man allerdings davon aus, dass die meisten dieser Warmställe noch in Bayern und Baden-Württemberg stehen.
Für Baden-Württemberg gibt es Hochrechnungen, dass ein Drittel der Betriebe mit rund 40 % der Landesmilchmenge ad hoc Milch für Haltungsstufe 3 liefern könnten. „Und es gibt auch ein Potenzial an Betrieben mit älteren Ställen, die es mit überschaubarem Aufwand in Haltungsstufe 3 schaffen würden, wir können es nur nicht quantifizieren“, sagt Dr. Markus Albrecht vom Milchwirtschaftlichen Verein Baden-Württemberg.
Was fordert Haltungsstufe 3?
Bei Haltungsstufe 3 geht es im Wesentlichen darum – im Vergleich zu HF 1 und 2 – mehr Außenklima in Laufställe zu holen. Entweder muss es sich dabei um einen Offenfrontstall handeln oder den Tieren steht ganzjährig ein Laufhof mit mindestens 3 m2 pro Tier zur Verfügung. In einem Freilaufstall sind 5 m2 pro Kuh nötig. Alternativ dazu ist Weidegang (1 m2 bis 6 m2/Tier) möglich, und zwar mindestens sechs Stunden täglich und an mindestens 120 Tagen im Jahr.
Je nach Zertifizierungsprogramm sind die Anforderungen an einen Offenfrontstall allerdings unterschiedlich: So müssen bei den Audits für QM++ für die Anerkennung mindestens 25 % der Außenhülle geöffnet sein. Das Dach bleibt unberücksichtigt. Das Tierwohl-Label der DLG in Silber, das auch Helmut Schmid für die Lieferung von HF 3 zertifizieren soll, fordert dagegen in Summe mindestens 60 % offene Wandanteile verteilt auf beide Längsseiten, Dach und Tore bleiben unberücksichtigt. Außer dem Nachweis eines tierärztlichen Betreuungsvertrages und dem Einsatz von GVO-freien Futtermitteln, decken sich die übrigen Vorgaben von HF 3 weitgehend mit denen für HF 1 und 2. So ist z. B. ebenfalls ein Tier-Liegeplatz-Verhältnis von 1 : 1 einzuhalten.
Was ist machbar?
Helmut Schmid hat schließlich die Seitenwände seines Stalles, der über 170 Liegeplätze verfügt, auf halber Höhe geöffnet und auf der gesamten Länge ein Spaceboard installiert. In die bestehenden, darunter liegenden Lichtplatten hat er weitere Schlitze gefräst. „Wir haben damit Sichtschutz mit Licht und Frischluft kombiniert“, erklärt der Milcherzeuger. Sein Aufwand für den Umbau war überschaubar: „Wir haben nur einen Tag Arbeitszeit und die Kosten für die Fräse investiert.“
Schmid hat mit seinem Umbau die Frostsicherheit seines Stalles erhalten können. Denn bei einer kompletten Entfernung der Seitenwände besteht ohne eine Ringleitung die Gefahr, dass die Tränken im Winter einfrieren. Hier muss dann entweder in eine Rohrbegleitheizung oder wahlweise in Curtains oder Hubfenster investiert werden. „Gerade in Lagen mit strengeren Wintern sind dann zweiteilige Hubfenster zu empfehlen, weil sie dichter schließen als Curtains“, so Bauberater Georg Sachsenhammer, LKV Bayern.
Mit Hubfenstern bleibt der Stall trotzdem frostsicher“
Georg Sachsenhammer, LKV Bayern
Eine komplette Entfernung der Seitenwände ist ohnehin nur dann möglich, wenn keine tragenden Bauteile davon betroffen sind. „In manchen alten Holzställen mit Trauf-First-Lüftung sind die Wände inzwischen morsch. Zu überlegen ist daher, ob man diese Lüftung runternimmt, sodass auch die Seitenwände entfernt werden können. In einem Offenfrontstall verliert diese Art der Lüftung ohnehin ihre Funktion“, rät Sachsenhammer weiter.
Nur für sehr wenig Betriebe mit einem alten Laufstall dürfte jetzt der Bau eines Laufhofs möglich sein. Oft fehlt es am nötigen Platz und gerade innerorts ist aufgrund der Emissionen die Wahrscheinlichkeit für eine Baugenehmigung eher gering. Kalkulationen zeigen außerdem, dass sich ein neuer Laufhof für Kosten von etwa 150.000 bis 200.000 € allein über die Zuschläge für Haltungsstufe 3 vielfach nicht rechnet. Es sei denn, man kann damit gleichzeitig eine kleine Aufstockung des Bestandes verbinden und den Laufhof zum Beispiel mit einer Außenfütterung und überdachten Liegeboxen versehen.
Laufhof mit Außenliegeboxen
Milchlieferant Lorenz Maier* ist eine solche Lösung gelungen. Er hat an seinen Warmstall aus dem Jahr 1997 einen Laufhof mit 300 m2 und zusätzlich 34 Außenliegeboxen sowie 16 Fressplätzen für Trockensteher angebaut. Im Altbau mussten für Tränken und breitere Übergänge von den 69 Liegeboxen vier weichen. Investiert hat er dafür 130.000 € und im Wert von 30.000 € Eigenleistung eingebracht. Obwohl sein Betrieb am Ortsrand liegt, erhielt der Milchkuhhalter ohne Probleme eine Baugenehmigung für den Laufhof: „Die Gemeinde stand hinter uns und auch die Anwohner haben dafür gestimmt“, erzählt Maier. Sein Fall ist sicher eine Ausnahme, er zeigt aber auch, was im Einvernehmen mit Behörden und Anwohnern möglich sein kann.
Bauberater sind sich einig: Wenn sich nur die Lüftung des Stalles, nicht aber die Tierzahl oder die Maße ändern, finden sich im Einzelfall auch in Innerortslage gangbare Lösungen. Sie berichten von Laufhöfen, die durch einen seitlichen Windschutz genehmigungsfähig waren oder von alten Fahrsilos, die als Auslauf umgenutzt werden durften. Wichtig sei es allerdings, für baurechtliche Fragen frühzeitig mit dem zuständigen Amt Kontakt aufzunehmen. „Weil jede betriebliche Situation anders ist, sollte man jeden Stall einzeln betrachten und gemeinsam die Optionen ausloten“, rät Ludwig Börger vom QM Milch e.V.
Und was rechnet sich?
Die hier dargestellten Praxisbetriebe konnten beim Stallumbau für HF 3 auf die Unterstützung von Dr. Stephanie Gronow-Schubert, bei Hochland zuständig für das strategische Rohstoffmanagement, bauen. Sie zeigen, was auch mit alten Laufställen möglich ist. Der Aufwand und die Kosten sind jedoch sehr individuell. Und natürlich gibt es auch Betriebe, bei denen ein Umbau einfach nicht umsetzbar ist oder sich schlichtweg nicht rechnet. Das gilt umso mehr, wenn die Hofnachfolge nicht geklärt ist.
Die befragten Betriebsleiter kalkulierten ihren baulichen Aufwand mit einem Zuschlag von 3 ct/kg für HF 3 für ihre gesamte Liefermenge in den nächsten drei Jahren. Hinzu kommen mögliche Vermarktungsvorteile beim Fleisch. Für sie geht die Rechnung offenbar auf, denn eine neue Studie von Carsten Hümmer von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf hat für den Umbau eines alten Laufstalles in einen Offenfrontstall oder für die Angliederung eines Laufhofs eine nötige Mehrvergütung von 0,6 bis 2 ct/kg Milch kalkuliert.
* Namen von der Redaktion geändert
Wird Haltungsstufe 3 Standard?
Bei Molkereien, die Trinkmilch für die Eigenmarken des LEH abfüllen, laufen die Audits für die Haltungsstufen 3 und 4 auf Hochtouren. Hochland aus Heimenkirch hat bereits 280 Betriebe nach dem DLG-Tierwohl-Label Silber für HF 3 zertifiziert und liefert seit Mai 2022 diese Milch. An einsteigewilligen Höfen mangelt es offenbar nicht: „Sollte die Nachfrage nach der HF 3-Milch steigen, nehmen wir weitere Betriebe ins Programm auf“, sagt Dr. Stephanie Gronow-Schubert von Hochland. Auch bei Gropper und Bechtel gibt es nach eigenen Angaben Wartelisten für Interessierte. Arla bietet sowohl nach QM++-Standard als auch nach Pro Weideland-Standard zertifizierte Milch in HF 3 an, Hochwald liefert ebenfalls bereits und das DMK ist ab 2024 mit ihrem Erfurter Erfassungsgebiet soweit.
Offen ist derzeit, ob mittelfristig weitere Molkereiprodukte in den verschiedenen Haltungsstufen angeboten werden sollen und ob auch Markenmolkereien ihr Sortiment künftig damit ausloben. Arla plant das nicht. „Unsere Marken-Trinkmilchprodukte sind bereits ausgewiesene Mehrwertkonzepte“, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. Andere Molkereien, wie z. B. die Schwarzwaldmilch oder die Milchwerke Berchtesgadener Land, ließen die Anfrage der Elite-Redaktion unbeantwortet. Im Moment ist sich die Branche noch sicher, dass sie HF 2-Produkte auch künftig gut vermarkten kann. Vor allem für Käse werde mangels Rohstoff HF 2 im Handel weiter eine Rolle spielen, heißt es. Die große Frage ist nur: Wie lange noch?
Haltungsformkennzeichnung
Milchviehhalter, die ihren Laufstall auf Haltungsform-Stufe 2 bringen wollen, müssen mit Mehrkosten von 5 ct/kg Milch rechnen. Anbindehalter gar mit 10 ct/kg.
Haltungsformkennzeichnung
Für ihren Mehraufwand in Haltungsformstufe 2 sollen Milcherzeuger einen Zuschlag von 1,2 ct/kg erhalten. Doch absehbar ist, dass der Bonus nur für einen Teil ihrer Milch bezahlt wird.