Der Umstieg auf Haltungsstufe 2 rechnet sich nicht
Milchviehhalter, die ihren Laufstall auf Haltungsform-Stufe 2 bringen wollen, müssen mit Mehrkosten von 5 ct/kg Milch rechnen. Anbindehalter gar mit 10 ct/kg.
Weder für Anbindebetriebe noch für Laufstallbetriebe rechnet sich bei den aktuellen Zuschlägen der Umstieg auf das Haltungsform-Programm Stufe 2 der Initiative Tierwohl (ITW). Das ergibt eine aktuelle Berechnung von Bernhard Ippenberger und Guido Hofmann vom Institut für Betriebswirtschaft und Agrarstruktur der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL).
Bernhard Ippenberger
LfL Bayern
Guido Hofmann
LfL Bayern
Danach müssen Anbindehalter für die Auflagen der Haltungsform-Stufe 2 mit dem Zertifizierungslabel QM+ mit Mehrkosten von rund 10 ct/kg Milch rechnen. Demgegenüber steht aber nur ein vom Handel garantierter Zuschlag von 1,2 ct/kg und von 4 ct/kg Schlachtgewicht für die Schlachtkuh (ergibt 0,17 ct/kg Milch). „Daher wird ein Umstieg in der Regel nicht infrage kommen“, schreiben die Autoren.
Laufstallbetriebe stehen laut der Berechnung einer höheren Kostenbelastung von rund 5 ct/kg Milch gegenüber. Ist bereits eine Abkalbebucht vorhanden, seien Anpassungskosten von rund 1,65 ct/kg Milch erreichbar. „In diesem Fall scheint ein Umstieg auf die Haltungsform Stufe 2 eher lohnend“, so die vorsichtige Zusammenfassung.
Kostendeckung bei Stufe 3 und 4?
Und selbst bei Zuschlägen von 3 und 4 ct/kg für Haltungsform-Stufe 3 und 4 (nach dem DLG-Label zertifiziert) ist nicht garantiert, dass die Mehrkosten gedeckt sind: Nur wenn für den geforderten Laufhof und die Weidehaltung kostengünstige Lösungen möglich sind, kann eine Teilnahme interessant sein, schließen die Autoren.
Für Stufe 3 müssten Anpassungskosten von ca. 4 ct/kg (Offenfrontstall) bis 7 ct/kg berechnet werden.
Für Stufe 4 mit Laufhof und Joggingweide fallen für einen 60-Kuh-Betrieb Kosten zwischen 6 und 9 ct/kg verkaufte Milch an. Eine betriebsindividuelle Kalkulation sei angesichts dieser Kostenspreizung unverzichtbar.
Der Zuschlag von 1,2 ct/kg für Haltungsform-Stufe 2 dürfte sich erst bei einer Betriebsgröße von 200 Kühen rechnen.
Bernhard Ippenberger, LfL Bayern
Welche Auflagen müssen erfüllt sein?
Ausgangspunkt für die Berechnung war ein Anbindestall mit 35 Kühen und 248 500 kg verkaufte Milch, der in die Stufe 2 der Haltungsformkennzeichnung für Trinkmilch des LEHs liefern will. Eingeflossen in die Mehrkosten von rund 10 ct/kg Milch sind unter anderem die Kosten für den Laufhof (Kombinationshaltung), Güllelager, Beleuchtung, Abkalbebucht, weiche Liegefläche, Tierärztliche Bestandsbetreuung, Kuhbürste sowie Eutergesundheitsmaßnahmen (Dokumentation und Maßnahmenplan), die Teilnahme am Antibiotika-Monitoring, der Schlachtdatenbank und eine jährliche Weiterbildung.
Die Investition in einen Laufhof ist für Anbindebetriebe der größte Kostenblock, wenn sie Milch für Haltungsform-Stufe 2 produzieren wollen. Da zudem nicht sicher ist, ob die Kombinationshaltung Zukunft hat, werden diesen Schritt wohl nur sehr wenige Betriebe gehen.
(Bildquelle: Lehnert )
Eine Kostenbelastung von rund 5 ct/kg ergibt sich für einen Laufstall mit 60 Kühen und 500 000 kg verkaufte Milch im Jahr. Auch hier flossen die Auflagen Abkalbebucht, weiche Liegefläche, Tierärztliche Bestandsbetreuung, Eutergesundheitsmaßnahmen, jährliche Weiterbildung sowie die Teilnahme am Antibiotikamonitoring und an der Schlachtbefunddatenbank mit ein. Der größte Kostenblock entsteht, wenn noch eine Abkalbebox installiert werden muss, da sie mit einer Abstockung von ca. 6 Kühen einhergeht.
Nach welchem Label man sich nun als Betrieb konkret für die jeweilige Stufe zertifizieren lasse, spiele eine untergeordnete Rolle. Die Kostenunterschiede seien innerhalb einer Stufe gering.
Laufställe ohne Abkalbebucht stehen in Haltungsform-Stufe 2 einer Kostenbelastung von ca. 5 ct/kg Milch gegenüber. Wer schon eine solche Bucht hat, kommt dagegen auf Mehrkosten von 1,65 ct/kg verkaufte Milch.
(Bildquelle: Lehnert )
Rechnet es sich bei 80 Kühen?
Laut Bernhard Ippenberger von der LfL Bayern rechnet sich die Teilnahme auch bei einem größeren Bestand, z.B. mit 80 Kühen nicht – obwohl diese Betriebsgröße von den Initiatoren des Haltungsform-Programmes als Berechnungsgrundlage für den Zuschlag von 1,2 ct/kg bei Stufe 2 angenommen wurde. „Überschlagsmäßig dürfte es sich erst bei einem Bestand mit 200 Kühen rechnen. Das heißt, die Haltungsformkennzeichnung beschleunigt den Strukturwandel“, sagt der Experte.
Wer an der Haltungsformkennzeichnung teilnehmen will, sollte die Wirtschaftlichkeit einzelbetrieblich kalkulieren.
Bernhard Ippenberger
Empfehlung der Autoren
Die Gesamtwirtschaftlichkeit der Milcherzeugung hänge laut der LfL-Experten in erster Linie von den Produktionskosten, dem Milchpreis und den Entwicklungen des Strukturwandels und nicht von den Zuschlägen der Tierwohlmilch ab. Bernhard Ippenberger rät: „Wer am Haltungsform-Programm teilnehmen will, sollte die Wirtschaftlichkeit unbedingt einzelbetrieblich durchkalkulieren.“
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