Der Milchmarkt hat sich zwar nach den ersten Kriegstagen in der Ukraine wieder etwas beruhigt. Marktexperten beobachten ein zunehmend vorsichtigeres und strategischeres Einkaufsverhalten als in der Vergangenheit. Nach wie vor sind die Rohstoffpreise sehr fest und steigen zum Teil sogar weiter. Auch bei den Terminmärkten sind die Langzeitaussichten bis Anfang 2023, was die Preise angeht, sehr gut. Für die weitere Marktentwicklung ist entscheidend, wie sich die hohen Produktpreise mittelfristig...
Der Milchmarkt hat sich zwar nach den ersten Kriegstagen in der Ukraine wieder etwas beruhigt. Marktexperten beobachten ein zunehmend vorsichtigeres und strategischeres Einkaufsverhalten als in der Vergangenheit. Nach wie vor sind die Rohstoffpreise sehr fest und steigen zum Teil sogar weiter. Auch bei den Terminmärkten sind die Langzeitaussichten bis Anfang 2023, was die Preise angeht, sehr gut. Für die weitere Marktentwicklung ist entscheidend, wie sich die hohen Produktpreise mittelfristig auf den Konsum von Milchprodukten auswirken. Eine zweite wichtige Stellgröße sind die weltweiten Milchströme, die nicht zuletzt durch das Verhalten Chinas im Ukrainekonflikt stark beeinflusst werden könnten.
Milchanlieferung steigt nur langsam
Die Milchmenge, die in KW 8 an die Molkereien geliefert wurde, stieg zwar laut ZMB gegenüber der Vorwoche weiter um 0,6 % an, bleibt aber weiterhin unter Vorjahresniveau. Mit einem Minus von 1,6 % sogar deutlich. Prognosen, wie stark sich die zu erwartenden weiter steigenden Preise für Betriebsmittel auf das Milchaufkommen auswirken, wagt derzeit keiner.
Rohstoffmarkt: Nachfrage hoch, Preise steigen
- Butter: Die Nachfrage bei Butter bleibt hoch, so dass auch hier die Preise für geformte Butter (250 g) noch einmal um 6 bis 14 ct/kg nach oben gingen. Das Preisniveau der amtlichen Notierungen der süddeutschen Butter- und Käsebörse in Kempten bewegt sich aktuell jetzt zwischen 5,94 und 6,14 €/kg. Lose Butter wurde für 6,05 bis 6,20 € gehandelt. Auch an der Terminmarktbörse EEX gehen die Preise der gehandelten Kontrakte nach oben: Für Oktober 2022 wurde zum Beispiel bereits ein Plus von 225 €/t (+ 4 %) verzeichnet.
- Magermilchpulver: Die Preise für Magermilchpulver sind zuletzt weiter gestiegen und bewegen sich mittlerweile auf ihre bisherige Höchstmarke aus dem Jahr 2007 zu. Für durchschnittlich 3.880 €/t wurde Pulver für Lebensmittel gehandelt. Die Schockstarre, in die der Pulvermarkt in den ersten Tagen nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine gefallen ist, wurde jetzt durch hektische Aktivitäten abgelöst. Die Unsicherheit über die weitere Entwicklung bei der Milchanlieferung sorgt für ein vorsichtiges Angebotsverhalten und zur Zurückhaltung mit Offerten, schreibt die ZMB in Berlin. Bedarf bestehe sowohl kurzfristig als auch langfristig. Nachfragen von Einkäufern kommen sowohl aus der europäischen Lebensmittelindustrie als auch aus verschiedenen Drittländern. Grund dafür dürfte die in anderen Regionen geringere Milcherzeugung und der schwache Euro sein. Auch bei Magermilchpulver zeigt der langfristige Trend nach oben: Für den Kontraktmonat Januar 2023 verzeichnet die Terminmarktbörse EEX bereits ein Plus von 325 €/t.
- Vollmilchpulver: Die Ware ist knapp, die Preise steigen weiter. Zuletzt wurde für 1 t-Vollmilchpulver mit 26 % Fett in Lebensmittelqualität sogar die 5000 €-Marke geknackt. Im Mittel lag der Preis bei 4950 €/t. Die Lebensmittelindustrie in Deutschland fragt Vollmilchpulver weiterhin gut nach. Und auch aus dem Ausland liegen Anfragen vor.
Die Unsicherheit über die weitere Entwicklung bei der Milchanlieferung sorgt bei Magermilchpulver für ein vorsichtiges Angebotsverhalten und zur Zurückhaltung mit Offerten.
Monika Wohlfarth, ZMB
Spotmilchpreise klettern wieder
Die Preise am Markt für Spotmilch zeigen laut DCA Dairy Quotations wieder deutlich nach oben. Auch in den Niederlanden, wo sie zuletzt bei 51 ct stagnierten. Das Plus zur Vorwoche beträgt in Norddeutschland 3 ct/kg, im Süden und in den Niederlanden 2,5 ct.
Milcherzeugerpreise 2021: 36,27 ct im Schnitt
Jetzt liegt die Endbilanz der deutschen Erzeugerpreise inklusive Abschlusszahlungen vor. Nach Zahlen der BLE erreichten konventionelle Erzeuger 2021 einen durchschnittlichen Milchpreis von 36,27 ct/kg bei 4,0 % Fett und 3,4 % Eiweiß. Das entspricht einem Plus von 3,43 ct/kg oder 10,4 % gegenüber dem Vorjahr 2020. Nach drei Jahren Sinkflug konnte 2021 erstmals wieder ein Anstieg und der höchste konventionelle Milchpreis seit 2015 verzeichnet werden.
Für ökologisch erzeugte Milch zahlten die Molkereien 2021 erstmals im Schnitt über 50 ct aus! Genau lag der Bundesschnitt bei 50,25 ct/kg. Hier entspricht der Anstieg gegenüber 2020 1,96 ct/kg bzw. 4,1 %.
Die Prognosen für die Milchpreise sind aktuell für dieses Jahr gut. Der weitere Anstieg sei in seiner Höhe noch nicht abschätzbar, schreibt die ZMB, zumal die Dynamik im Markt auch deutlich zugenommen habe.
Ausblick auf den Weltmilchmarkt
In der EU-27 und im Vereinigten Königreich sank die Milchanlieferung insgesamt im letzten Quartal 2021 laut Rabobank um 232.000 t, das sind 1,3 %. In den wichtigen Erzeugerländern Deutschland, Frankreich und den Niederlanden, die etwa die Hälfte der europäischen Milch produzieren, ist das Minus besonders deutlich. Diese Länder haben ihren Peak im jährlichen Milchaufkommen überschritten, schreiben die niederländischen Analysten. Weltweit betrachtet, gilt ähnliches: In Neuseeland drückte ein kaltes, nasses Frühjahr gefolgt von einem heißen, trockenen Sommer die Produktion. In Australien ging die Erzeugung im Januar 2022 ebenfalls zurück.
Die niederländische Rabobank erwartet im 1. Quartal 2022 in den größten sieben Exportnationen einen weiteren Rückgang der Milchmenge um ca. 0,7 %. Die Hauptgründe dafür sind ungünstige Wetterbedingungen in der südlichen Hemisphäre, steigende Produktionskosten und nach wie vor gestörte Lieferketten durch Covid. Daher wird auch der Export gebremst. Erst im zweiten Halbjahr 2022 sei eine „milde“ Erholung drin, die sich auch 2023 fortsetze. Entscheidend sei dabei nicht zuletzt aber auch das Verhalten Chinas angesichts der Ukraine-Krise. Denn sollte sich China an die Seite von Russland stellen und damit auch Sanktionen über die Volksrepublik verhängt werden, brechen auch die Milchimporte ein. Neuseeland müsste dann am Weltmarkt für 40 % ihrer Export-Milchmenge neue Abnehmer suchen.
Die bange Frage auch für den Milchmarkt ist: Wie hoch und wie lange hält der weltweite Inflationsdruck noch an?
Rabobank
Die Milchpreise bleiben auf festem, hohem Niveau oder steigen gar noch, werden allerdings weiterhin durch hohe Produktionskosten aufgezehrt. Die Analysten der Rabobank prognostizieren, dass die Futterpreise für Getreide und Soja in den nächsten zwei Jahren auf hohem Niveau bleiben.
Die weltweite Inflation und die hohen Preise für Milchprodukte könnten dazu führen, dass der Konsum in manchen Ländern zurückgehe. Deshalb dominiere die Frage: Wie hoch für wie lange? den Ausblick auf das erste Halbjahr 2022. Durch die wachsende Unsicherheit bei der Lebensmittelversorgung komme es zudem vermehrt zu strategischen Kaufaktivitäten.
Die längerfristige Prognose hänge entscheidend davon ab, wie sich die Verbraucher verhalten und ob sich die Marktbedingungen wieder etwas normalisieren.
Veränderung der Milchanlieferung im 4. Quartal 2021 gegenüber 2020 in %
GDT will wachsen
Auch an der internationalen Handelsplattform Global Dairy Trade (GDT) stiegen die Preise zuletzt für Standardmilchprodukte mit 5065 $/t (4523 €) auf ein neues Rekordhoch. Allerdings wurden nur 25.208 t gehandelt. Der gewichtete Index aller Lieferkontrakte kletterte gegenüber Mitte Februar um 5,1 %, gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum sogar um 18,4 %.
Unterdessen hat die Handelsplattform Global Dairy Trade (GDT), die dem neuseeländischen Milchkonzern Fonterra gehört, ihre Pläne bekannt gegeben, mit zwei Partnern wachsen und sich strategisch neu aufstellen zu wollen. Mit ins Boot sollen schon ab Mitte dieses Jahres zu je einem Drittel die Neuseeländische Börse (NZX) und die Leipziger Terminbörse European Energy Exchange (EEX). Ziel sei laut GDT-Direktor Dr. Eric Hansen, die tatsächlich gehandelten Tonnagen zu erhöhen. Gegenüber dem Pressedienst age sagte Hansen, dass man neue Verkäufer auf der Plattform gewinnen wolle und nicht seitens Fonterra die Mengen steigern wolle. Eine Verbesserung der Marktwahrnehmung und eine Erhöhung der Liquidität würden voraussichtlich mehr Verkäufer zur Teilnahme an der Plattform bewegen. Bisher seien über 300 Bieter aus 70 Ländern an der Handelsplattform aktiv.
Quellen: u.a. ZMB, VMB, Süddeutsche Butter- und Käsebörse e.V. Kempten, AMI, MIV, moproweb.de, ife, BLE, DCA, TrigonaDairyTrade, MIR, milchland.de, USDA