Strichverletzungen sind in der Regel kein Bestandsproblem, können aber in jeder Herde vorkommen – so auch in Milchkuhbetrieben mit automatischem Melksystem. Auch wenn sich die Behandlungs- und Heilungschancen im Vergleich zum konventionellen Melken kaum unterscheiden, gestaltet sich die Erkennung und Versorgung verletzter Striche am Melkroboter aber durchaus schwieriger.
Alarmsignale vom AMS
Im Laufstall fallen Strichverletzungen in der Regel nur bei starken Blutungen auf, zum...
Strichverletzungen sind in der Regel kein Bestandsproblem, können aber in jeder Herde vorkommen – so auch in Milchkuhbetrieben mit automatischem Melksystem. Auch wenn sich die Behandlungs- und Heilungschancen im Vergleich zum konventionellen Melken kaum unterscheiden, gestaltet sich die Erkennung und Versorgung verletzter Striche am Melkroboter aber durchaus schwieriger.
Alarmsignale vom AMS
Im Laufstall fallen Strichverletzungen in der Regel nur bei starken Blutungen auf, zum Beispiel durch Blut am Bein der Kuh oder in der Liegebox. Meistens werden sie aber erst beim Melken sichtbar. Da man die Euter bei automatischen Melksystemen nicht jeden Tag sieht, müssen Milcherzeuger auf Alarmsignale des Melkroboters achten, um Strichverletzungen möglichst zeitnah ausfindig zu machen. Folgende Meldungen des AMS können darauf hindeuten:
- Unvollständige Melkungen
- Nur drei Viertel gemolken
- Box ungemolken verlassen (durch Abtreten oder unmögliches Ansetzen)
- Bluterkennung durch Farbskalierung (Milch wird automatisch separiert)
- Veränderte Leitfähigkeit
Je nach AMS-Hersteller unterscheiden sich die Meldungen. Da Strichverletzungen aber fast immer akut auftreten, erscheinen auch die Signale unerwartet und fallen auf. Weniger akute Verletzungen oder Quetschungen machen sich oft nicht direkt bemerkbar, können auf Dauer aber durch ein reduziertes Minutengemelk, speziell auf einem Viertel, auffallen. Zudem gehen Strichverletzungen gewöhnlich mit einem rückläufigem Laufverhalten einher.
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Prognose mit dem Tierarzt
Meldet der Roboter Alarm, gilt es, das Euter schnellstmöglich zu kontrollieren und den Schweregrad der Verletzung festzustellen. Ist die Zitze nur äußerlich verletzt oder ist auch der Strichkanal betroffen (erhöhtes Mastitis-Risiko)? Besteht eine Chance, dass sich der Milchfluss wieder regeneriert? Gibt es bereits Anzeichen auf eine Entzündung?
Der zweite Blick gilt der Kuh selbst. In welchem Laktationsstadium befindet sie sich? Soll sie langfristig im Bestand bleiben oder lediglich die laufende Laktation abschließen? Erscheint es als sinnvoll, die Kuh direkt zu merzen? Anhand der Verletzung und der betroffenen Kuh muss eine eindeutige Entscheidung über das Ziel und das weitere Vorgehen getroffen werden – immer in Absprache mit dem Hoftierarzt! Wird zu lange gewartet oder „selbst probiert“, wird einem die Entscheidung schnell abgenommen.
Dem Milcherzeuger sollte bei jeder Entscheidung bewusst sein, dass Tiere mit Strichverletzungen immer Zeit (mindestens zwei bis drei Wochen) und Geld kosten, in der Regel an Milchleistung verlieren und oft Dreistrich werden. Da Kühe aber kein langes „Schmerzgedächtnis“ haben, wird sich ihr Laufverhalten am AMS mit der Heilung wieder auf das normale Niveau einpendeln.
Kuh separieren und begleitet melken
Ist eine Entscheidung getroffen, muss über die Behandlungsmethode gemeinsame mit dem Tierarzt von Fall zu Fall entschieden werden. Jede Strichverletzung benötigt ein individuelles Vorgehen! Was immer gilt: Den Prozess durchweg begleiten! Dazu sollte die betroffene Kuh möglichst lang separiert und zweimal täglich begleitet gemolken werden. Läuft sie in der großen Gruppe, bedeutet das weniger Kontrolle und mehr Arbeitsaufwand. Zudem wirkt sich die notwendige Zwischenspülung auf die gesamte AMS-Auslastung aus.
Mögliche Behandlungsmethoden in Absprache mit dem Tierarzt:
- Trockenstellen – Verletzte Striche bedeuten oft ein erschwertes Ansetzen und ein reduzierter Milchfluss. Beides führt zu einer extremen Belastung der verletzten Zitze, wenn sie weiter gemolken wird. Verschärft wird die Belastung bei Viertel-individuellen Systemen. Bei Strichverletzungen ist Ruhe meistens deshalb die vielversprechendste Methode. Wenn es das Laktationsstadium hergibt, wird die Kuh im Idealfall komplett trockengestellt. Bei frischmelken Kühen besteht die Möglichkeit, nur das betroffene Viertel trockenzustellen. Dafür wird der Melkroboter entsprechend umgestellt (Dreistrich). Da die Kuh aber weiterhin den Melkroboter aufsucht und entsprechend stimuliert wird (Oxytocin), kann viel Euterdruck entstehen. Deshalb ist die Kontrolle über einige Tage hier sehr wichtig. Nach vier bis fünf Tagen sollte die gesamte Milch auf Hemmstoffe getestet werden. Bei dieser Maßnahme muss davon ausgegangen werden, dass die Kuh langfristig ein Dreistrich bleibt. Aber: Die Milch der anderen drei Viertel bleibt in der Regel lieferfähig. Hat sich das Viertel bereits entzündet, ist ein Trockenstellen vorerst nicht mehr möglich.
- Reinigung und Dippen – Zum Ruhigstellen gehören auch Reinigung und Dippen im AMS. Das heißt, dass auch die Reinigung der verletzten Zitze ausgestellt werden sollte. Beim Dippen sollte je nach Verletzung und Dippmittel entschieden werden. Pflege-betonte Dippmittel können unter Umständen weiter angewandt werden.
- Verband – Ein Zitzenverband kann die Verletzung vor Schmutzeintrag schützen, muss vor dem Melken aber entfernt werden. Euterpflaster bieten sich nur bei leichteren Verletzungen an und sind in der Regel sehr kostspielig. Zudem ist die Handhabung am automatischen Melksystem schwierig.
- Ablasskanüle – Wird eine Ablasskanüle genutzt, um das Viertel auszumelken, ist Hygiene ein Muss! Zu jedem Vorgang gehören eine sterile Kanüle, Handschuhe und Desinfektionsmittel. Andernfalls ist diese Methode extrem risikoreich für eine Entzündung.
- Antibiotische Behandlung – Je nach Diagnose bietet die antibiotische Behandlung eine Alternative zum Trockenstellen. Dafür bietet sich in Absprache mit dem Tierarzt ein Drei-Tages-Schema an, bei dem die Kuh aber weiter (begleitet) gemolken wird. Schlägt die Behandlung an, bleibt die Kuh melkbar, das betroffene Viertel bildet sich jedoch meistens leicht zurück.
- Chirurgischer Eingriff – In speziellen Fällen kann ein chirurgischer Eingriff durch den Tierarzt vorgenommen werden, um den Strichkanal „zu reparieren“. Derartige Eingriffe sind sehr riskant, können aber durchaus zu einer vollständigen Heilung verhelfen.
- Unterstützung – Bei allen Behandlungsmethoden sollten Schmerzmittel und Entzündungshemmer unterstützend verabreicht werden.
Prophylaxe?
An Melkroboter-angepasste Herden sollten hohe, feste Euter, eine ideale Strichplatzierung sowie gesunde Klauen aufweisen und sie so grundsätzlich weniger gefährdet für Strichverletzungen. Ein Vorteil bieten automatische Melksysteme auch darin, dass die Euter durch das häufigere Melken oft ein geringeres Volumen aufweisen. Dennoch besteht das Risiko auch hier, zum Beispiel durch gegenseitiges Verletzen bei Brunstverhalten oder durch Kühe, die altersbedingt ein tiefes Euter aufweisen oder nicht mehr gut zu Fuß sind. Um Strichverletzungen bestmöglich vorzubeugen sind ein gutes Liegeboxenmanagement, rutschfeste Laufflächen und eine gute Klauengesundheit wichtig.
Quelle: Tierarzt André Hüting, Tierarztpraxis an der Güterstraße & Kuhblick GmbH
In vielen Kuhställen erhalten hochleistende Kühe durchaus 10 kg Kraftfutter über die Melkbox. Das ist nicht immer notwendig, um Melkroboter optimal auszulasten.