Die witterungsbedingt oft langen Feldliegezeiten unter Feuchtigkeit lassen erhöhte Gehalte an Pilzsporen, Keimen und Erdanhaftungen am Stroh erwarten. Nicht alle Partien wurden trocken gepresst. Das zieht muffige, verklebte und im ärgsten Fall schimmelige Bunde nach sich.
Empfehlungen zum Umgang mit durchwachsenen Strohqualitäten gibt der auf Fütterung spezialisierte Tierarzt Dr. Arnd Grottendieck.
Die witterungsbedingt oft langen Feldliegezeiten unter Feuchtigkeit lassen erhöhte Gehalte an Pilzsporen, Keimen und Erdanhaftungen am Stroh erwarten. Nicht alle Partien wurden trocken gepresst. Das zieht muffige, verklebte und im ärgsten Fall schimmelige Bunde nach sich.
Empfehlungen zum Umgang mit durchwachsenen Strohqualitäten gibt der auf Fütterung spezialisierte Tierarzt Dr. Arnd Grottendieck.
Elite: Sollte man die Qualität kritischer Strohpartien nach Augenschein bewerten oder tatsächlich einmal futtermittelanalytisch sowie mikrobiologisch untersuchen lassen?
Arnd Grottendieck: Das ist keine leichte Frage. Theoretisch kann eine Laboruntersuchung natürlich genaue Werte liefern. Jedoch sind gerade bei der mikrobiellen Untersuchung viele Parameter möglich, die den Landwirten eine Entscheidung für den Einsatz kaum erleichtern dürften. Zudem kann sich jedes einzelne Strohbund in der Qualität unterscheiden – es ist allein aus Kostensicht nicht praktikabel alle analysieren zu lassen! Und: Die Betriebe sind angesichts der Verfügbarkeiten in schwierigen Strohjahren gezwungen Kompromisse einzugehen. Ich empfehle daher, besser jedes Strohbund vor dem Einsatz konsequent nach Aussehen und Geruch zu beurteilen: was muffig riecht, zusammen pappt und bräunlich verfärbt ist, darf schlicht und ergreifend nicht gefüttert werden – an keine Tiergruppe im Betrieb. Allein der muffige Geruch lässt immer auf einen hohen Gehalt an Schimmelpilzsporen, Hefen sowie Bakterienbesatz schließen. Derartig auffälliges Stroh zu füttern kommt in der Wirkung am Tier dem Verfüttern von schimmeligen Silagen gleich. Das kleinere Übel ist es, kritisches Stroh einzustreuen.
Es ist tunlichst zu vermeiden, muffiges Stroh zu verfüttern!“
Arnd Grottendieck
Max. Feuchtigkeitsgehalt: Stroh sollte zum Zeitpunkt des Pressens eine Feuchtigkeitsgehalt von unter 12 bis 14 % aufweisen. Die maximale Einfuhrfeuchte für Heu liegt bei 15 % Feuchte für Ballen, nach der Nachschwitzphase (ca. 3 Tage) sollte der Feuchtigkeitsgehalt auch hier um 13 % liegen.
Alles was höhere Feuchtigkeitsgehalte aufweist, neigt zu mikrobiellem Verderb (bakteriell, Schimmelpilze) und damit zur Nacherwärmung und im schlimmsten Fall zur Selbstentzündung! Sie sollten bei höheren Feuchtegehalten zunächst nicht gepackt werden, sondern einzeln und am besten außerhalb/abseits des eigentlichen Strohlagers zum Nachtrocknen abgestellt werden. Gerade in kritischen Jahren immer eine Selbstkontrolle mit Feuchtigkeitsmessgeräten durchführen. Auch wenn viele Ballenpressen die Feuchtigkeit erfassen, hängt es von Fahrer ab, ob er rechtzeitig Bescheid gibt und aufhört zu pressen.
Quellen: Bielewicz, Galler
Elite: Welche Wirkungen hat es auf die Kühe, Rinder und Kälber, wenn sie mit schlechtem Stroh gefüttert werden?
Arnd Grottendieck: Was die Fütterung betrifft, reagieren ausgewachsene Rinder durch den Pansen als „Puffer“ zwar unempfindlicher als etwa Kälber auf mikrobiell belastetet Futtermittel, entscheidend ist jedoch die Gesamtbelastung des Futtermittels. Grundsätzlich belasten Schimmelpilze, pathogene Hefen und Bakterienarten immer das Immunsystem aber auch Leber und Niere. Erhöhte Zellzahlen, vermehrtes Auftreten von Euterentzündungen und Durchfällen und eine reduzierte Milchleistung und Fruchtbarkeit sind die Folge. Dafür reichen schon einfache Pilzsporen aus, es bedarf für derartige Gesundheitsstörungen nicht erst der Aufnahme der berüchtigten von bestimmten Schimmelpilzen produzierten Mykotoxine, wie Deoxynivalenol (DON). Diese bringen allerdings noch zusätzliche Probleme mit sich. Und das nicht unbedingt unmittelbar nach der Aufnahme, sondern auch über teils lange Zeiträume verzögert. Denn die Moleküle dieser Toxine lagern sich im Fettgewebe ab. Ist eine Kuh etwa in einem Energiedefizit gezwungen Körperfett zu mobilisieren, werden die Toxine wieder im Körper freigesetzt und können dann Monate nach der eigentlichen Aufnahme zu Fruchtbarkeitsstörungen führen.
Schlechtere Strohqualitäten einstreuen – aber nicht überall!
Elite: Milchkuhhalter müssen überwiegend mit dem Stroh zu Recht kommen, was ihnen verfügbar ist. Kritische Strohqualitäten werden also als Einstreu verbraucht werden müssen. In welchen Bereichen sollte man aber auch damit vorsichtig sein?
Arnd Grottendieck: Vorsichtig sollte man mit dem Einstreuen von schlechterem Stroh überall dort sein, wo eine besonders keimarme Umgebung gefragt ist: Also ganz besonders im Transit- und Abkalbebereich und bei den kleinen Kälbern. Rund um die Abkalbung unter anderem deswegen, weil sich die Strichkanäle schon einige Tage vor der Kalbung öffnen können. Damit steigt gleichzeitig das Risiko, dass Keime aus der Einstreu in das Euter gelangen und Infektionen auslösen können. Kälber werden ohne eine Immunität geboren – in der Einstreu vorhandene Pilze, pathogene Hefen und Bakterien können durch Aufnahme oder durch Eindringen in die noch nicht eingetrocknete Nabelscheide bei ihnen erste Erkrankungen auslösen.
Elite: Und wie riskant sind schlechtere Strohqualitäten als Einstreu für die laktierenden Kühe?
Arnd Grottendieck: Bei den laktierenden Kühe besteht natürlich ebenfalls das Risiko, dass pathogene Mikroorganismen aus der Einstreu in den Zitzenkanal gelangen können. Organische Einstreumaterialien wie Stroh sind in Bezug auf den Keimgehalt immer anfällig, daher sollten sie stets so trocken wie nur möglich gehalten werden. In Jahren mit schwierigen Strohqualitäten gilt das noch einmal mehr, da bereits der Ausgangsgehalt an Keimen höher ist und die vorhandenen Schimmelpilzsporen erst in Kontakt mit Feuchtigkeit zum Leben erwachen. Wird verregnetes oder feucht gepresstes Stroh in den Liegeboxen eingestreut, steigt also das Risiko von Euterinfektionen mit umweltassoziierten Keimen. Die Kühe reagieren im Ernstfall mit erhöhten Zellgehalten in der Milch und einem vermehrten Auftreten von Euterentzündungen. Besonders gefährlich sind Euterentzündungen, die durch Hefen oder Schimmelpilze ausgelöst werden, denn diese sind nicht therapierbar. In einer Stroh-Kalk-Einstreu sehe ich verregnetes Stroh weniger kritisch als reines Stroh als Deckschicht in einer Liegebox.
Elite: Gibt es Grenzwerte für den Gesamtkeimgehalt im Stroh, mit denen Landwirte das Risiko für die Eutergesundheit abwägen können?
Arnd Grottendieck: Sich bei der Einstreu an einen Grenzwert für den Gesamtkeimgehalt zu halten finde ich für die Praxis schwierig, weil natürlich die Intensität der Boxenpflege im weiteren Verlauf eine große Rolle dafür spielt, wie sich pathogene Keime vermehren können. Dennoch schadet es nicht, das frische Einstreustroh am Lagerplatz sowie eingebracht in die Liegeboxen einmal bakteriologisch untersuchen zu lassen, um zu wissen, in welchem Rahmen man sich in einem Betrieb überhaupt bewegt. Als Zielwert für hygienisch einwandfreies frisches organisches Einstreumaterial wurde in Arbeitsgruppen um Prof. Dr. Krömker ein Gesamtkeimgehalt kleiner 1. Mio kbE/g Einstreu (koloniebildende Einheiten) genannt – hieran kann man sich orientieren.
Elite: Also bleiben als Einsatzorte für die schlechtesten Strohballen zum Einstreuen die größeren Kälber, Rinder oder Trockensteher übrig, sofern diese mit Stroh eingestreut werden?
Arnd Grottendieck: Wenn es unvermeidbar ist, ja. Aber auch hier sollten ein paar Dinge beachtet werden, um die Belastung der Tiere auf ein mögliches Minimum zu reduzieren. Staub und Pilzsporen werden beim Einstreuen aus dem Stroh in die Luft gewirbelt und belasten die Atemwege und das Immunsystem. Sie können Atemwegserkrankungen provozieren. Gerade die Rinderlunge ist sehr empfindlich. Aus diesem Grund sollte darauf geachtet werden, dass Strohbereiche im Stall gut durchlüftet sind, sodass die staubbelastete Luft nach dem Einstreuen rasch durch Frischluft ausgetauscht wird. Auch im Winter sollten Windnetze oder Curtains während des Einstreuens geöffnet werden, bis sich der Staub in der Luft verweht oder gelegt hat. Bei Trockenstehern die mit Stroheinstreu gehalten werden, rate ich in einem kritischen Strohjahr dazu – sofern nicht ohnehin angewendet – alle Kühe beim Trockenstellen mit einem internen Zitzenversiegler zu behandeln. Bereits mehrere Tage vor der Abkalbung können sich die Strichkanäle öffnen und damit steigt per se das Risiko für Infektionen mit Strep. uberis usw. – bei schlechter Einstreuqualität nochmal mehr.