Die ersten Tage nach dem Kalben sind für Kühe eine turbulente Zeit, denn sie haben mit einem deutlich erhöhten Calcium-Bedarf (Ca) zu kämpfen. Mit der Folge, dass einige Kühe an einer Hypokalzämie (Milchfieber) erkranken. Da sich jedoch das Herdenmanagement in den vergangenen Jahren verbessert hat, ist die Häufigkeit der klinischen Fälle zurückgegangen.
Stattdessen kommt es bei fast 50 % der Mehrlaktierenden zu einer subklinischen Form (SCH), d. h. zu einem Absinken des Blut-Ca-Wertes, ohne dass Anzeichen einer Erkrankung vorliegen.
In früheren Studien konnte keine Ca-Konzentration (Schwellenwert) im Blut ermittelt werden, die auf eine subklinische Hypokalzämie hinweist. Neuere Studien haben jedoch gezeigt, dass es möglich ist, Grenzwerte festzulegen, wenn der Zeitpunkt der Probenahme berücksichtigt wird.
Doch wann spricht man von einer subklinischen Hypokalzämie? Wie sehen die Grenzwerte aus? Wann sollte man den Calcium-Gehalt im Blut untersuchen und welche Prophylaxe/Therapie ist sinnvoll?
Nicht nur nach 24 Stunden messen
Unter subklinischer Hypokalzämie versteht man das Auftreten von Ca-Konzentrationen im Blut, die zu einem bestimmten Zeitpunkt unter einem bestimmten Schwellenwert liegen und nicht mit eindeutigen körperlichen Krankheitsanzeichen einhergehen (McArt und Oetzel, 2023).
Bis vor einigen Jahren wurden die ersten 24 Stunden nach der Kalbung als optimaler Zeitpunkt angesehen, den Blut-Ca-Gehalt zu messen, da zu diesem Zeitpunkt der Wert nahezu immer absinkt. Bei der Beprobung am ersten Laktationstag konnte jedoch kein einheitlicher Schwellenwert für die Konzentration des Gesamt-Calcium-Gehaltes im Serum (tCa) ermittelt werden, der mit negativen Gesundheits- und Leistungsergebnissen in Verbindung gebracht werden kann.
Bei Studien, die sich mit den dynamischen Mustern des Ca-Spiegels (Entwicklung des Calciums) im Blut in den ersten Laktationstagen befassten, ergab sich ein klareres Bild.
Der Zeitpunkt entscheidet
So stellten die Untersuchenden fest, dass Kühe (2. Laktation) mit einem tCa-Wert von ≤ 1,97 mmol/l am 2. Laktationstag und Kühe (3. Laktation) mit einem tCa-Wert von ≤ 2,2 mmol/l am 4. Laktationstag ein erhöhtes Risiko für Metritis, einen verlagerten Labmagen oder für beides aufwiesen (Neves et al. 2018). Darüber hinaus beobachteten sie, dass ein reduzierter tCa-Wert im Blut am 1. Laktationstag eine höhere (!) Milchproduktion nach sich zog, während ein reduzierter tCa-Wert im Blut am 4. Laktationstag eine geringere Leistung mit sich brachte.
Die Studie deutet darauf hin, dass der absolute tCa-Tiefpunkt im Blut in der Frühlaktation nicht unbedingt ein Indikator für die damit verbundenen gesundheitlichen Folgen ist, sondern dass der Zeitpunkt und die Dauer der niedrigen tCa-Werte berücksichtigt werden sollten.
Am 4. Tag wird es kritisch
Auch McArt und Neves (2020) untersuchten die Dynamik von tCa während der ersten vier Laktationstage, indem sie mehrlaktierenden Holstein-Kühen am 1. und 4. Laktationstag Blut abnahmen. Als Grenzwerte für den tCa-Gehalt wurden ≤ 1,77 mmol/l und ≤ 2,20 mmol/l für den 1. bzw. 4. Tag festgelegt. Kühe, die einen tCa-Wert oberhalb beider Grenzwerte am 1. und 4. Tag aufwiesen, wurden als „normal“ also normokalzämisch (NC) eingestuft. Weitere Einteilungen waren (Übersicht 1):
- 1. Tag unter ≤1,77 mmol/L, aber über dem Grenzwert am 4. Tag: Vorübergehende subklinische Hypokalzämie (tSCH).
- Unterschreitung des Grenzwertes am 1. sowie am 4. Laktationstag: Persistente subklinische Form (pSCH).
- Tag 1 oberhalb des Grenzwertes, aber eine Unterschreitung am 4. Tag: Verzögertes subklinisches Milchfieber (dSCH).
Bei der Untersuchung zeigte sich, dass Kühe, deren Blut-Ca-Gehalt am 4. Laktationstag niedriger lag (pSCH, dSCH), häufiger an Ketose, Metritis und Labmagenverlagerung oder einer Kombination aus diesen Erkrankungen in den ersten 60. Laktationstagen litten als Kühe mit ausreichenden Ca-Werten an den Tagen 1 und 4.
Um der Dynamik von tCa während der frühen Laktation noch weiter auf den Grund zu gehen, wurde neben der Beprobung des Blutes auch die tägliche Trockenmasse-Aufnahme 14 Tage vor bis 21 Tage nach der Kalbung gemessen und verglichen (Seely et al. 2021). Ergebnisse:
Nach dem Kalben unterschied sich die TM-Aufnahme signifikant zwischen den Gruppen, wobei NC- und tSCH-Kühe (am 1. Tag niederiger Ca-Gehalt) mehr Futter aufnahmen als die pSCH- und dSCH-Kühe (niedriger Ca am 4. Tag). Es zeigte sich, dass die Höhe der TM-Aufnahme parallel zur Entwicklung des Blut-Ca-Gehaltes verlief.
Zwischenfazit: Ein vorübergehendes Absinken des Blut-Ca-Gehaltes am 1. Laktationstag könnte für die Kuh notwendig und normal sein, um sich auf die Anforderungen der Laktation vorzubereiten. Deshalb zeigten sich hier keine negativen Auswirkungen auf die Leistung, im Gegenteil. Ein niedriger Blut-Ca-Wert am 3. und 4. Laktationstag steht hingegen für eine größere Stoffwechselstörung. Im Anbetracht der negativen Leistungs- und Gesundheitsdaten, die mit niedrigem tCa am 4. Laktationstag einhergehen, lässt sich bei diesen Kühen von einer Dyskalzämie sprechen (Seely und McArt 2023).
Ca-Boli könnten helfen
Während die intravenöse Ca-Infusion für die Behandlung von klinischem Milchfieber notwendig ist, eignet sie sich für Kühe mit subklinischer Hypokalzämie nicht. Denn der dramatische Anstieg (durch die Infusion) und das anschließende Absinken des Blut-Ca können die Rückkehr zur Normokalzämie (normaler Ca-Gehalt) behindern.
Eine orale Ca-Gabe (Bolus, Paste etc.) könnte für die Behandlung und Vorbeugung von subklinischem Milchfieber geeigneter sein, da sie zu einem moderaten, aber anhaltenden Anstieg des Blut-Ca führt (Domino et al., 2017). Boli werden in der Regel zweimal verabreicht: der erste Bolus beim Abkalben, der zweite 12 bis 24 Stunden später. Obwohl sie in der Praxis verbreitet sind, ist die Zahl der Studien, die ihre Wirksamkeit untersuchen, begrenzt. Zudem waren die in den Studien gezeigten Auswirkungen einer oralen Ca-Gabe auf die Gesundheit sehr unterschiedlich. In einigen hatten sie positive, in anderen wiederum negative bzw. keinen Einfluss auf Gesundheit und Leistung.
Wann einen Ca-Bolus verabreichen?
Bisher zielt die Bolus-Gabe auf den Tiefpunkt des Ca-Gehalts im Blut ab, der häufig innerhalb von 24 Stunden nach der Kalbung auftritt. Da jedoch erkannt wurde, dass der Ca-Gehalt nicht nur am ersten, sondern in den ersten vier Tagen sinken kann, sollte der Zeitpunkt der Ca-Gabe überdacht werden. Dazu wurde ein Versuch mit mehrlaktierenden Holstein-Kühen (n = 998) durchgeführt (Seely et al. 2023). Die Kühe erhielten folgende Ca-Prophylaxe:
- Gruppe 1: Keine zusätzliche Ca-Gabe zum oder um den Zeitpunkt des Abkalbens.
- Gruppe 2: Konventionelle Verabreichung eines oralen Ca-Bolus zum Zeitpunkt des Abkalbens und 24 Stunden später.
- Gruppe 3: verzögerte Verabreichung eines oralen Ca-Bolus 48 und 72 Stunden nach dem Abkalben.
Bolus erst am 2. und 3. Tag
Sowohl die Leistung als auch das Auftreten von Krankheiten waren zwischen den Behandlungsgruppen vergleichbar. Auch zwischen den Behandlungsgruppen gab es keinen Hinweis auf einen Unterschied beim Serum-tCa oder der Inzidenz von Dyskalzämie.
Allerdings schien sich die Verschiebung der oralen Ca-Supplementierung auf den 2. und 3. Laktationstag bei drittlaktierenden Kühen positiv auf die Milchproduktion auszuwirken und könnte eine vielversprechende Strategie zur Abschwächung der Dyskalzämie in dieser Tiergruppe darstellen. Bei Kühen mit vier und mehr Laktationen zeigte sich jedoch kein Nutzen der Bolusgabe. Daher muss untersucht werden, ob ältere Kühe eine höhere Ca-Dosis oder eine längere Dauer der Supplementierung benötigen.
Schlussfolgerung
Es zeigte sich, dass ein Absinken des Blut-Ca-Gehaltes am 4. Laktationstag durchweg mit einer geringeren Milchproduktion, einer geringeren TM-Aufnahme und einem erhöhten Risiko für negative gesundheitliche Folgen verbunden ist. Dies wird deshalb als Dyskalzämie bezeichnet. Studien haben die Auswirkungen einer verzögerten oralen Ca-Bolusgabe am 2. und 3. Laktationstag untersucht. Dies führte zu einer verbesserten Milchproduktion bei drittlaktierenden Kühen. Wie die Prophylaxe optimalerweise aussehen könnte, dazu muss weitere Forschung erfolgen.
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