Kolostrum ist für Neugeborene eine wahre Wunderwaffe – doch bietet es auch älteren Kälbern noch Vorteile, zum Beispiel bei einer Krankheit? Forschende der Universität Guelph (Kanada) haben untersucht, wie sich sprühgetrockneter Kolostrum-Austauscher zu Beginn einer Durchfall-Erkrankung auf den Krankheitsverlauf auswirkt.
Milchaustauscher pur oder ergänzt mit Kolostrum-Pulver
Auf einem Aufzuchtbetrieb in Ontario wurde zweimal täglich die Kotkonsistenz der Kälber beurteilt....
Kolostrum ist für Neugeborene eine wahre Wunderwaffe – doch bietet es auch älteren Kälbern noch Vorteile, zum Beispiel bei einer Krankheit? Forschende der Universität Guelph (Kanada) haben untersucht, wie sich sprühgetrockneter Kolostrum-Austauscher zu Beginn einer Durchfall-Erkrankung auf den Krankheitsverlauf auswirkt.
Milchaustauscher pur oder ergänzt mit Kolostrum-Pulver
Auf einem Aufzuchtbetrieb in Ontario wurde zweimal täglich die Kotkonsistenz der Kälber beurteilt. Kälber, die zweimal hintereinander dünnflüssigen (Score 2) oder einmal wässrigen, spritzenden Kot (Score 3) aufwiesen, wurden nach der Gabe eines Entzündungshemmers und von zwei Litern Elektrolyten zufällig einer Fütterungsgruppe (Übersicht 1) zugewiesen:
- Kontrolle (KON): acht Mahlzeiten Milchaustauscher (MAT)
- Kurzzeit-Kolostrum-Ergänzung (KKE): vier Mahlzeiten Milch- und Kolostrumaustauscher (KAT) gemischt sowie vier Mahlzeiten MAT
- Langzeit-Kolostrum-Ergänzung (LKE): acht Mahlzeiten mit der MAT/KAT-Mischung.
Übersicht 1: Versuchsaufbau
Bis 28 Tage nach der Durchfallerkrankung fand eine tägliche Gesundheits- und Kotkontrolle statt. Soffen die Kälber nicht genug, bekamen sie zusätzlich eine Elektrolyttränke und ggfs. eine medikamentöse Behandlung. Auch die Durchfallerreger haben die Forschenden bestimmt.
Kolostrum-Tränke verkürzt die Durchfall-Dauer
Ergebnis: Im Schnitt (Median) erholten sich die KON-Kälber von einer Durchfall-Erkrankung innerhalb von 3,5 Tagen (Spanne: 0,5 bis 11,5), KKE- und LKE-Kälber innerhalb von 2,75 Tagen (Spanne: 0,5 bis 11,0 bzw. 0,5 bis 7,0 Tagen).
Dass LKE-Kälber schneller wieder fit waren (Kotscore < 1, fest bis weich, Haufen möglich), bestätigte ein dafür programmiertes Computermodell (Übersicht 2).
Übersicht 2: Raschere Genesung
Allerdings hatte auch das Körpergewicht der Kälber einen Einfluss auf die Erholungszeit: je schwerer die Kälber und je länger sie schon auf dem Aufzuchtbetrieb aufgestallt waren, desto schneller erholten sie sich von der Durchfall-Erkrankung. Auch die täglichen Zunahmen fielen höher aus.
Quelle: Carter et al. (2022)
Kommentar: Mehr Milch!
Die Kälber bekommen im Versuch zu wenig Milch. 18 bis 20% des Körpergewichts in Milch entspricht etwa dem natürlichen Tränkebedürfnis eines Kalbes. Ein 50 kg-Kalb möchte also 8,5 bis 10 Liter am Tag trinken. Kommt dann noch ein Flüssigkeitsverlust über Durchfall dazu, hat das Tier schnell einen um 5 bis 10% höheren Bedarf - es müssten also zusätzlich noch einmal mindestens 2,5 Liter vertränkt werden. Es ist daher davon auszugehen, dass die Tiere während des Versuchs von vornherein dehydriert und daher nicht sehr abwehrstark waren, auch wenn sie initial bei Beginn der Erkrankung einmalig zwei Liter Elektrolyte erhielten. Interessant wäre es sicher, den Versuch mit ad libitum- und zusätzlicher Kolostrum-Fütterung zu wiederholen.
Kolostrum enthält zahlreiche bioaktive Substanzen, die das Immunsystem des Kalbes anregen und antimikrobiell wirken; nicht nur systemisch, sondern auch lokal am Darm. Daher macht für mich der Einsatz von Kolostrum bei Durchfallerkrankungen Sinn. Kolostrum, das nicht gut genug ist, um sofort an Neugeborene vertränkt zu werden (<22% Brix bzw. 50g/l IgG), kann eingefroren und später für erkrankte Kälber genutzt werden.
Aber: Die verlängerte Kolostrumtränke nach der Geburt tut dem Kalb sicher gut, jedoch kann sie keine verspäteten oder zu geringen Gaben von schlimmstenfalls minderwertigem Kolostrum in den ersten Lebensstunden kompensieren. Oberstes Ziel sollte daher immer sein, mindestens 3, besser 4 Liter gutes Kolostrum (>22% Brix) innerhalb der ersten vier Lebensstunden zu vertränken, gefolgt von einer zweiten Gabe innerhalb der nächsten 6 Stunden. Bei gutem Kolostrummanagement und einer dem Tränkebedürfnis des Kalbes entsprechenden Fütterung erledigen sich die meisten Probleme von alleine. Zusätzliche Kolostrum- und Elektrolytgaben im Erkrankungsfall sind dann die Kirsche auf der Torte!
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