Anhaltendes Regenwetter verhindert eine Getreideernte zum optimalen Zeitpunkt. Die Qualitäten sinken und die mikrobiologische Belastung sowie durch Mykotoxine an Korn und Stroh steigt durch den Befall mit u.a. Schwärzepilzen.
Aktuell, Anfang August 2023, stehen bundesweit ca. noch 80 % der Bestände an Weizen, Triticale und Roggen. Nach teilweise wochenlangem Dauerregen bzw. täglichen Schauern wird mit massiven Ernteverlusten und Qualitätsverlusten gerechnet. Insbesondere, weil das Getreide begonnen hat, im stehenden Bestand zu keimen, Bestände ins Lager gegangen sind und auswachsen.
Weizen, der die Keimwurzel schiebt. Zeitpunkt der Aufnahme: 3. August 2023, Standort: westliches Nordrhein-Westfalen.
(Bildquelle: Katrin Schiewer, Landwirtschaftsverlag GmbH)
Beginnt der Keimprozess auf der Ähre, wird im Korn „von außen unsichtbar“ zunächst Stärke in Zucker umgewandelt. Bei anhaltender Feuchtigkeit am Korn und milden Temperaturen erscheinen innerhalb von wenigen Tagen Wurzelanlagen sowie das Keimblatt. Das keimende Korn ist nicht mehr fest mit der Spindel verbunden und fällt leicht aus der Ähre.
Die Situation der Keimung auf dem Halm ist bei Triticale und Weizen vielerorts bereits seit Anfang August erreicht und schreitet fort.
ABER:Nicht alle Bestände keimen bereits sichtbar. Denn die Entwicklung der Keimruhe wird neben der Züchtung auch durch die Witterung und die Bestandsführung maßgeblich beeinflusst.
Triticale, die abgeknickt ist und bereits stark keimt. Zeitpunkt der Aufnahme: 3. August 2023, Standort: westliches Nordrhein-Westfalen.
(Bildquelle: Katrin Schiewer, Landwirtschaftsverlag GmbH)
Wie steht es um Erntefähigkeit, Futtereignung und Preise?
Erntefähigkeit: Ob es sich überhaupt noch lohnt zu dreschen, muss bestandsindividuell entschieden werden. Landhändler haben Kriterien an Landwirte herausgegeben, an denen eine erste Einschätzung zur Eignung als Verkaufsgetreide erfolgen kann. Lagergetreide wird in der Regel nicht mehr angenommen, gekeimtes Getreide muss im Vorfeld angemeldet werden, um ggf. anderweitige Verwertungen durchsprechen zu können. Fragliche Flächen werden zur Einschätzung von den Käufern angefahren.
Lagergetreide ist oft so stark ausgewachsen, dass es nicht mehr geerntet werden kann.
(Bildquelle: Katrin Schiewer, Landwirtschaftsverlag GmbH)
Die praktische Ernte- bzw. Druschfähigkeit wird derzeit in erster Linie durch die Befahrbarkeit der Flächen und die Feuchte des Korns eingeschränkt, erklären Lohnunternehmer. Drescher werden ggf. mit Zwillingsreifen ausgestattet, Raupenfahrwerke sind gefragt. Die Feuchte ist technisch vor allem ein Problem, weil das feuchte Getreide sich festsetzt. So etwa der Bericht eines Lohnunternehmers, dass sich Weizen mit einem Feuchte-Gehalt von 24 % nur schwer aus dem Korntank fördern ließ und sich im Überladewagen in kurzer Zeit so festgesetzt hat, dass er kaum abgekippt werden konnte.
Wir werden versuchen, in kurzer Zeit zu retten, was noch zu retten ist.“
Ein Lohnunternehmer aus NRW
So bald die Befahrbarkeit ausreichend da ist und das Korn ein, zwei Tage abtrocknen konnte, werde man in kurzer Zeit versuchen, zu retten was zu retten ist: Lagergetreide werden liegen gelassen, die Ähren werden eher hoch abgeschnitten. Alles, was nicht mehr dreschfähig bzw. verwertbar ist sowie Lager- und Stoppelreste, werde bzw. wurde gemulcht.
Stroh werde aufgrund der wahrscheinlichen Pilzbelastungen kaum mehr geerntet werden, so die Einschätzungen eines Lohnunternehmers. Andere wiederum erklären, dass ihre rinderhaltenden Kunden versuchen werden, noch Stroh mindestens zum Einstreuen zu ernten – Stroh wird knapp.
Futtereignung: Es gilt jeden Bestand abzuwägen. Ist kein Keim sichtbar, werden noch akzeptable Futterwerte erreicht. Ein kleiner Keim ist für den Futterwert grundsätzlich noch ok, dieser muss jedoch entweder durch Trocknung oder Reinigung und Konservierung abgetötet werden. Der Energiegehalt von gekeimtem Getreide ist geringer, bei ausgewachsenem Weizen ist er beispielsweise bis zu 10 % niedriger als bei intakten Körnern. Zudem ist der Stärkegehalt geringer und der von Zucker höher. Das gekeimte Korn ist durch seine geöffnete Schale leicht zugänglich für Mikroorganismen (Bakterien, Pilze) und Käfer. Die Belastung mit Keimen und Pilzgiften am Korn ist optisch und sensorisch nicht genau einzuschätzen, hier können nur Laboranalysen wahren Aufschluss geben.
Futtergetreide sollte in diesem Jahr unbedingt labortechnisch auf Futterwert, Keimgehalt und die Belastung mit Mykotoxinen untersucht werden.“
Jannick Bauch
Der Ankauf von Futtergetreide wird derzeit eng mit den Landwirten abgesprochen. Grundsätzlich erklären Händler bzw. Mischfutterhersteller gerade, dass man keine allgemeinen Aussagen zur Eignung und Verwendung sowie Preisentwicklung treffen könne. Man müsse die Ware massiv sortieren und untersuchen, wie die reinkommenden Qualitäten tatsächlich sind. Mögliche Verwertungen und Aufwertungen werden in der Mischfutterindustrie derzeit intensiv diskutiert.
Futterbaubetriebe, die ihr eigenes Getreide füttern bzw. Getreide dafür zukaufen, statt Mischfutter einzukaufen, haben aktuell wohl die noch besten Verwertungsmöglichkeiten für gekeimtes Getreide – mehr dazu unten. Hier gilt unter den aktuell sehr schwierigen Bedingungen, unbedingt das eigene Futtergetreide auf Futterwert und Belastung mit Mykotoxinen untersuchen zu lassen, rät Jannick Bauch (Lindenberg GmbH).
Preise:
Futtergetreide mit noch akzeptablen Futterwerten (10 bis 11 % XP) und auf Basis von 15 % Feuchte wird aktuell etwa zu 170 bis 200 € pro Tonne gehandelt. Getreide, dass vor der Regenphase eingelagert werden konnte, wird teurer verkauft.
Stark ausgewachsene Bestände werden zur „Notverwertung“ derzeit auch von Biogasanlagen aufgekauft. Es wird von 10 € pro dt berichtet.
Mischfutter: Wie sich die Mischfutterpreise entwickeln werden, ist aktuell laut verschiedenen Händlern schwer abschätzbar. Es ist keine klare Linie im Markt zu erkennen. Auch wenn die deutsche Getreideernte gering ausfällt, könne man sich im Ausland gut eindecken.
Konservierung zur betriebsinternen Fütterung für Rinder
Das Schroten und Konservieren von Getreide mit Säure ab Feld mit der (CCM-)Mühle gelingt bei Feuchten von 17 bis 18 % problemlos und ist bis maximal 22 % Feuchte möglich und kann lose als Mehl gelagert werden.
(Bildquelle: Katrin Schiewer, Landwirtschaftsverlag GmbH)
Experten in der Getreidekonservierung bewerten die aktuelle Situation kritisch, aber nicht als völlig hoffnungslos. Getreide mit kleinem Keim (kein Auswuchsgetreide, also kein Grünspahn) eignet sich noch als Futtergetreide und lässt sich noch gut konservieren. Wichtig ist es, den Keim abzutöten. Dies gelingt sicher über den korrekten Einsatz von Säure. Vor ab der Konservierung sollte das Getreide gereinigt werden, denn Besatz erhöht den Säurebedarf um mindestens 10 %. Zudem reduziert die Reinigung die Belastung des Getreides mit Mykotoxinen, da der Spelz usw. entfernt werden.
Die Säurebehandlung beugt einen Befall durch Mikroorganismen nach der Ernte vor und tötet lebende Organismen am Korn ab, sie löst jedoch keine bestehende Belastung auf! Sprich: Bestehende Mykotoxine am Korn sind auch nach der Konservierung noch da. Bei einer vorliegenden Belastung ist der Einsatz von Toxinbindern abzuwägen.
Wichtig: Frisches Getreide sollte immer mindestens vier, besser sechs Wochen lagern, bevor begonnen wird, es zu verfüttern. Stoffwandelprozesse finden noch im geernteten Korn statt, die negative Einflüsse auf die Tiergesundheit haben können.
Das Getreide sollte vorab der Konservierung unbedingt gereinigt werden.“
Thomas Rensing
Getreide kann mit bis zu 22 % maximal 25 % Feuchte als ganzes Korn mit Säure konserviert werden, ohne dass es als Feuchtgetreide gilt, erklärt Thomas Rensing (Rensing Landservice GmbH & Co. KG). Dann muss es jedoch zwingend zu einem Abtrocken unter Dach flach zwischengelagert (keine Schüttkegel!) und umgeschichtet oder belüftet werden, bis es abgetrocknet ist. Es darf nicht mit derartigen Feuchte in ein Hochsilo eingelagert werden.
Tipp: Der Landservice Rensing setzt auf abgepufferte, nicht korrosive (NC) Säureprodukte. Diese greifen Materialien weniger an und erlauben mehr Arbeitsschutz als beim Einsatz reiner Propionsäure.
Ab einem Feuchte-Gehalt von 25 % geht das feuchte Getreide in den Silierungsprozess. Es muss luftdicht verschlossen werden. Derart feuchtes Getreide ähnlich wie CCM als Mehl einzusilieren, birgt jedoch das Problem, dass Getreide (insb. gekeimtes) stärker klebt und sich Mehlkluten/-klumpen bilden, die sich im Futtermischwagen nicht auflösen. Entsprechendes tritt bei derartig hohen Feuchtegehalten auch auf, wenn Getreide auf dem Feld in die Mühle geht, angesäuert und als loses Mehl gelagert wird.
Das Schroten und Konservieren von Getreide mit Säure ab Feld mit der (CCM-)Mühle gelingt bei Feuchten von 17 bis 18 % problemlos und ist bis maximal 22 % Feuchte möglich. So kann es lose und offen unter Dach gelagert werden.
Neben der Behandlung mit Säure ist die Konservierung über ein Trocknen möglich. Gerade in Süddeutschland ist dies eine verbreitetere Praxis, oft auch über Biogasanlagen. Als Milchkuhbetrieb das eigene Futtergetreide in eine externe Trocknung zu geben, ist – abgesehen von lokalen Biogasanlagen – hinsichtlich der Energiekosten kaum tragbar. In der Rinderfütterung ist die Säurekonservierung eine sehr gute Option.
Anleitung zur Konservierung von Feuchtgetreide
Der Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen hat eine ausführliche Anleitung zur Konservierung von Feuchtgetreide (ganzes Korn) mit Säure zusammengestellt. Sie finden diese unter folgendem Link: Feuchtgetreide fachgerecht konservieren
Hofeigenes Getreide lässt sich sehr gut in TMR oder Hof-Kraftfuttermischungen einsetzen – jedoch nur in begrenzten Mengen. Tipps zu Fütterung, Konservierung, Lagerung und Aufbereitung.
Futtergetreide in nassen Jahren und mit Auswuchs unbedingt analysieren lassen
Beprobt wird nicht das frische Getreide, sondern immer eingelagertes Getreide. Bei mit Säure konserviertem Getreide nach ein bis zwei Wochen Lagerdauer.
(Bildquelle: Katrin Schiewer, Landwirtschaftsverlag GmbH)
Betriebe, die eigenes oder zugekauftes Getreide als „Eigenmischer“ in der Fütterung einsetzen, sollten dieses in diesem Jahr unbedingt auf die Nährstoffgehalte und Belastung mit Mykotoxinen untersuchen lassen – vor Beginn der Fütterung! Die Folgen von Mykotoxin-belasteten Futtermitteln auf die Tiergesundheit können gravierend sein!
Beprobt wird nicht das frische Getreide, sondern immer eingelagertes Getreide. Bei mit Säure konserviertem Getreide nach ein bis zwei Wochen Lagerdauer.
Die Analyse auf Nährstoffgehalte sollte nasschemisch, nicht per Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) erfolgen. Die Belastung mit Mykotoxinen lässt sich mit ELISA- oder HPLC-Analytik genauer beurteilen.
Bei feuchten Erntebedingungen ist es von Vorteil, wenn die Stoppeln nicht zu kurz sind und das Stroh im Drescher nicht zu stark mechanisch beansprucht wird.
(Bildquelle: Katrin Schiewer, Landwirtschaftsverlag GmbH)
Stroh wird dieses Jahr Mangelware sein. Es werden sich kaum Futterbaubetriebe leisten können, jetzt auf die Produktion von Stroh aus Weizen, Triticale oder Roggen zu verzichten. Fakt ist, dass die derzeitigen Qualitäten kaum mehr für die Fütterung geeignet sein werden! Einstreustroh mit ausreichender Qualität kann jedoch bei geeigneter Wetterlage und Technik noch möglich sein.
Wichtig: Stroh sollte zum Zeitpunkt des Pressens eine Feuchtigkeitsgehalt von unter 12 bis 14 % aufweisen.
Tipps zur Produktion von Stroh unter feuchten Bedingungen finden Sie bei uns unter dem Link Tipps zur Strohernte bei Regen
Es ist tunlichst zu vermeiden, schimmeliges oder muffiges Stroh zu verfüttern!“
Arnd Grottendieck
Zur Strohqualität erklärt Tierarzt und Fütterungsberater Dr. Arnd Grottendieck (Tierarztpraxis Bramsche) folgendes: „Die Betriebe sind angesichts der Verfügbarkeiten in schwierigen Strohjahren gezwungen Kompromisse bei der Strohqualität einzugehen. Ich empfehle daher, besser jedes Strohbund vor dem Einsatz konsequent nach Aussehen und Geruch zu beurteilen: was muffig riecht, zusammen pappt und bräunlich verfärbt ist, darf schlicht und ergreifend nicht gefüttert werden – an keine Tiergruppe im Betrieb. Allein der muffige Geruch lässt immer auf einen hohen Gehalt an Schimmelpilzsporen, Hefen sowie Bakterienbesatz schließen. Derartig auffälliges Stroh zu füttern kommt in der Wirkung am Tier dem Verfüttern von schimmeligen Silagen gleich. Das kleinere Übel ist es, kritisches Stroh einzustreuen.“
Den ausführlichen Artikel zum Umgang mit schlechten Strohqualitäten finden Sie bei uns unter dem Link Schlechte Strohqualität – was tun?
Stockiges, muffiges, schimmeliges Stroh. Es wurde mit einem zu hohen Feuchtegehalt gepresst. Es darf nicht verfüttert werden.
(Bildquelle: Obermüller)
Quellen: u.a. Jannick Bauch (Lindenberg GmbH), Thomas Rensing (Rensing Landservice GmbH & Co. KG), Dr. Arnd Grottendieck (Tierarztpraxis Bramsche)
Aus der Ernte 2021 sind schlechtere Strohqualitäten zu erwarten. Empfehlungen zum Einsatz von verregnetem Stroh im Milchkuhbetrieb von Dr. Arnd Grottendieck.